Dauerhafte Stagnation: Wirtschaftsweise bescheinigen Deutschland „grundlegende Wachstumsschwäche“

Im laufenden Jahr wird die Wirtschaft in Deutschland um 0,4 Prozent sinken. Im Jahr 2024 rechnen die Wirtschaftsweisen mit einer leichten Entspannung. Die von der Ampel in Aussicht gestellten 1,3 Prozent Wachstum blieben aber unerreichbar.
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Wirtschaftsweise am 08. November 2023.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 8. November 2023

Im März hatten die sogenannten Wirtschaftsweisen, die fünf Mitglieder des „Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“, noch optimistischer geklungen. Damals gingen sie davon aus, dass Deutschland im laufenden Jahr „haarscharf“ an einer Rezession vorbeigehen werde. Am Mittwoch, 8. November, präsentierten sie in Berlin ihren Jahresbericht – und sagten ein Minus von 0,4 Prozent voraus.

Mit dieser Einschätzung stehen sie nicht allein. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen für 2023 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zwischen 0,4 und 0,6 Prozent. Die Bundesregierung selbst verbreitet mittlerweile keine optimistischeren Daten mehr. Sie stünde damit auch unter mittlerweile allen relevanten Analysten allein. Wie der „Business Insider“ zeigt, rechnen von der EU-Kommission über Banken bis hin zum IWF alle mit einer Schrumpfung der deutschen Wirtschaft im laufenden Jahr.

Wirtschaftsweise: Deutschland steht „so schlecht wie noch nie da“

Lediglich für 2024 geht die Bundesregierung wieder von einem Wachstum von 1,3 Prozent aus. Diese Prognose können die Wirtschaftsweisen nicht teilen. Zwar gibt es bislang noch keine Wirtschaftsforscher, die Deutschland auch für das kommende Jahr ein Minus prophezeien.

Mit einer Vorhersage von 0,7 Prozent Wachstum liegen die Wirtschaftsweisen jedoch deutlich unter den Zahlen der Regierung. Nur die Deutsche Bank – DB Research und die DZ Bank sind mit 0,3 sowie 0,5 Prozent noch vorsichtiger.

Anlässlich der Vorstellung ihres Jahresgutachtens wurden Ulrike Malmendier, Martin Werding, Monika Schnitzler, Ulrich Truger und Veronika Grimm deutlich. Deutschland stehe „so schlecht wie noch nie“ da. Das Land stehe vor einer dauerhaften Stagnation.

Im Jahr 2024 sei lediglich deshalb mit einem geringen Wachstum zu rechnen, weil die Inflation auf durchschnittlich 2,6 abkühle. Dadurch stiegen die Löhne wieder stärker als Preise, die dieses Jahr im Schnitt um 6,1 Prozent wuchsen. In der zweiten Jahreshälfte ging die Teuerung zurück, im Oktober habe sie immerhin „nur“ noch 3,8 Prozent betragen.

Kurzfristige Faktoren nicht allein für Stagnation verantwortlich

Wie die „Tagesschau“ berichtet, leide das Land an tiefgreifenden strukturellen Problemen, die weit über aktuelle Faktoren wie Inflation oder hohe Energiepreise hinausreichten. Kurzfristig wirkten hohe Preise und Lebenshaltungskosten sowie die dadurch bewirkte Konsumflaute dämpfend auf das Wachstum.

Auch die geopolitischen Krisen seien temporär. Nicht unterschätzen dürfe man in der derzeitigen Situation dabei allerdings nicht, wie schleppend die wirtschaftliche Erholung in China vonstattengehe. Dies würde vor allem der Exportwirtschaft schaden. Diese sieht sich bereits jetzt als Leidtragende einer suboptimalen Umsetzung der veränderten China-Strategie der Bundesregierung.

Dazu komme allerdings, dass Deutschland längerfristige Probleme nicht gelöst habe. Diese reichten von fehlenden Investitionen über die Überalterung bis hin zum sinkenden Arbeitsvolumen. Es fehlten Arbeitskräfte im Allgemeinen und Fachkräfte im Besonderen. In den Betrieben finde zu wenig Modernisierung statt. Diese Faktoren könnten, so die Wirtschaftsweisen, die deutsche Wirtschaft „über Jahrzehnte ausbremsen“.

Wirtschaftsweise für Wagniskapital – dieses sollen schon Kinder und Jugendliche anlegen

Die Wirtschaftsweisen haben die strukturellen Probleme in ihrem 465-Seiten-Gutachten nicht zum ersten Mal angesprochen. Bereits im bisherigen Verlauf des Jahres kamen aus ihren Reihen Mahnungen mit Blick auf die Zuwanderung, das Rentensystem oder die Kosten der Energiewende.

Auch jetzt machen die Sachverständigen deutlich: Die deutsche Volkswirtschaft weise „seit Beginn der Corona-Pandemie das geringste BIP-Wachstum im Euro-Raum auf“. Man mahnt zu „stärkeren Erwerbsanreizen“ und wesentlichen Verbesserungen im Bildungsbereich.

Eine Spitze gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und dessen Forderung nach einem Industriestrompreis enthält das Gutachten ebenfalls. So heißt es darin, es müsse „Strukturwandel zugelassen werden“. Statt Industrien zu subventionieren, sollten Investitionen in Maschinen, Automatisierung und Künstliche Intelligenz erfolgen.

Um Altersarmut und Vermögenseinbußen gegenzusteuern, solle es eine verbesserte Aktienkultur und mehr Wagniskapital geben. Ein Option wäre es etwa, schon Kinder und Jugendliche mit Kapital auszustatten, das über einen Pensionsfonds angelegt werde. Um die Rentenkassen angesichts der Alterung stabil zu halten, sollte das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung geknüpft werden.



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