Kein fröhliches Weihnachtsgeschäft für Einzelhandel: Ein Drittel denkt an Geschäftsaufgabe

Das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür, doch für den Einzelhandel sieht es düster aus. Die Krisenstimmung drückt weiter auf das Konsumklima. Verbandschef von Preen zufolge denkt ein Drittel der Mittelständler an Geschäftsaufgabe.
Einzelhandel
Krise im Einzelhandel: Verwaistes Ladenlokal in Bernburg, Sachsen-Anhalt.Foto: Textbüro Freital
Von 7. November 2023

In wenigen Wochen soll das Weihnachtsgeschäft beginnen – statt Vorfreude macht sich im Einzelhandel jedoch Krisenstimmung breit. Das Konsumklima rutscht weiter in den Keller, und ein Drittel der mittelständischen Einzelhändler denkt daran, „lieber morgen als übermorgen“ sein Geschäft zu schließen. Eine grundlegende Änderung erwarten weder Kunden noch Wirtschaftstreibende – und den Glauben an die Lösungskompetenz der Politik haben die meisten aufgegeben.

Einzelhandel verliert real vier Prozent seines Umsatzes

Bereits im Oktober hatten die Marktforscher von GfK erkennen lassen, dass wenig auf eine Rückkehr der Kauflaune der Verbraucher in Deutschland hindeutet. Der Konsumklima-Index hat sich seither sogar noch weiter eingetrübt: Von -26,7 im Vormonat fiel er erneut auf einen Novemberwert von -28,1. Damit ist die Kauflaune der Bürger kurz vor dem Advent schlechter als im Juli 2022, als sich die Explosion der Energiepreise ankündigte.

In den ersten drei Quartalen lag der Umsatz des Einzelhandels nominell um knapp drei Prozent höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Real sorgte die anhaltende Inflation jedoch dafür, dass er preisbereinigt um vier Prozent abnahm. Die Kunden haben nur mehr Geld ausgegeben. Bekommen haben sie dafür weniger.

Insolvenzen wie in der Modebranche können jederzeit auch weitere Branchen erfassen. Konsumflaute, hohe Energiepreise, hohe Mieten, knappe Gewinnmargen und Fachkräftemangel spielen auch in vielen anderen Segmenten eine Rolle. Bereiche wie der Lebensmitteleinzelhandel haben gegenüber Modegeschäften zumindest den Vorteil, dass Verbraucher auch in Krisenzeiten essen und trinken müssen.

Inflation von bis zu vier Prozent als „neue Normalität“

Im Interview mit der „Welt“ sieht der Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Alexander von Preen, die reale Gefahr eines Sterbens von Geschäften im großen Stil. Die Politik trage dafür eine erhebliche Mitverantwortung. Er setzt eine gewisse Hoffnung in die Vorweihnachtszeit, da diese eine Abwechslung vom Krisenalltag bedeute und Schenken ein positives Erlebnis darstelle.

Auch rechnet er nicht mehr mit so drastischen Preissteigerungen wie in den vergangenen Monaten. Eine Inflation von drei bis vier Prozent könne dennoch zur „neuen Normalität“ werden, erklärt von Preen. Dass der Wettbewerb im Einzelhandel intensiv sei, verhindere noch deutlichere Preissteigerungen.

Mit einer Verbesserung des Konsumklimas rechnet von Preen bis auf Weiteres nicht. Dies habe auch mit dem weltpolitischen Umfeld zu tun:

Der Einzelhandel ist abhängig von Stimmungen. Und derzeit bremsen viele exogene Faktoren die Stimmung und damit die Kauflaune – seien es die Inflation, die Energiekrise, der Ukraine-Krieg und jetzt auch noch der Nahost-Konflikt. Wenn einiges davon verschwindet, kann das eine befreiende Wirkung haben. Leider sieht es aktuell aber nicht danach aus.“

Heizungsgesetz als „Paradebeispiel, wie man Menschen verunsichert“

Die Politik habe nun die Aufgabe, positive Signale zu setzen und für Entlastung bei den Verbrauchern zu sorgen. Der private Konsum werde nur anziehen, wenn die Bürger wieder Zuversicht entwickelten. Aber auch der Einzelhandel fühle sich allein gelassen. Zufrieden mit der Ampel sei unter den Händlern „praktisch niemand“.

Zwar habe die Regierung vieles in den akuten Krisenzeiten von Corona und Ukraine-Krieg richtig gemacht, dann habe die Effektivität jedoch nachgelassen. Man habe „Projekte aufgesetzt, die nicht wirklich durchdacht waren und eher von Ideologien geprägt, denn von Pragmatismus und Zielorientierung“.

So sei das Heizungsgesetz ein „Paradebeispiel, wie man Menschen verunsichert“. Auch das müsse der Einzelhandel ausbaden, so von Preen. Zudem werde ständig ein Abbau von Bürokratie versprochen – tatsächlich gebe es mehr davon.

Deindustrialisierung schadet am Ende auch dem Einzelhandel

Es sei dringend erforderlich, die Energiepreise in Deutschland wieder auf ein erträgliches Maß zu senken. Ein Industriestrompreis sei jedoch der falsche Weg dazu:

Es ist ein totaler Irrweg, sich auf eine kleine Gruppe zu konzentrieren und den großen Rest im Regen stehenzulassen. Alle brauchen verlässliche Rahmenbedingungen.“

Im Einzelhandel sorgten die hohen Energiepreise für eine Umverteilung von unten nach oben. Sie beliefen sich bei Großhandelsketten auf einen deutlich geringeren Anteil am Umsatz als bei kleineren Gewerbetreibenden. Personalkosten und Mieten kämen noch dazu.

Zudem sei die voranschreitende Deindustrialisierung eine Gefahr für den Wohlstand. Die Industrie sichere Wohlstand und Kaufkraft. Diese kämen dem Einzelhandel zugute. Verschwänden diese, verstärke dies die Abwärtsspirale noch weiter. Die Politik müsse wieder näher an die Realitäten des täglichen Wirtschaftslebens, betont der Handelsverbandspräsident:

Nur wenn wir eine funktionierende Wirtschaft haben, geht es allen gut. Das muss endlich in die Köpfe. Irgendwer muss ja die Löhne und Gehälter bezahlen. Wenn es so weiter läuft wie jetzt, gehen wir schweren Zeiten entgegen. Im Einzelhandel sind die Vorzeichen jetzt schon alarmierend.“



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion