Bankvorstand: „Wir können Kunden nicht dauerhaft vor Negativzinsen abschirmen“

In einem Strategiepapier, das dem Handelsblatt vorliegt, spricht der Bundesverband deutscher Volks- und Raiffeisenbanken offen über Optionen, die Kosten, die Banken durch die Zinspolitik der EZB entstehen, als Negativzinsen an Sparer weiterzureichen.
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Im Jahr 2000 gab es in Deutschland noch 1794 Volks- und Raiffeisenbanken, im Jahr 2017 noch 915.Foto: Markus Scholz/dpa
Von 29. Oktober 2019

Geradezu im Plauderton äußerte Marc Friedrich, Autor des Buches „Der Crash wird kommen“, vor knapp zwei Wochen im Gespräch mit Katja Dofel auf n-tv, es werde schon bald auf breiter Front eine weitere Zinssenkung durch die EZB geben – und das, obwohl die Geldpolitik in der Eurozone bereits auf dem Nullniveau angekommen ist. Aufgrund der drohenden Rezession rechnet Friedrich mit Minuszinsen zwischen drei und fünf Prozent. Um Revolten der Sparer zu vermeiden, werde die neue EZB-Chefin Christine Lagarde mit Bargeldbesteuerung und Bargeldbeschränkung als Einstieg beginnen.

Dass Friedrichs Einschätzung bezüglich der Zinsentwicklung auch in der Welt der Geschäftsbanken für ein realistisches Szenario gehalten wird, zeigt ein Strategiepapier des Bundesverbands deutscher Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), das als Rundschreiben an dessen Geldinstitute gegangen ist und dem Handelsblatt zugespielt wurde. Auf 60 Seiten analysiert der Verband die Rechtslage zum Thema Minuszins, zudem gibt er Tipps dazu, wie die Option von Strafzinsen gegenüber den eigenen Kunden kommuniziert werden könnte.

„Dauerhafte Verluste auch in Einzelbereichen nicht hinnehmbar“

Auch der Verband, dem in Deutschland knapp 900 Genossenschaftsbanken angehören, geht davon aus, dass Lagarde an ihrer Politik der offenen Geldschleusen und niedrigen Zinsen festhalten wird. Er erwartet, dass die Gebühr von aktuell minus 0,5 Prozent, die Banken entrichten müssen, wenn sie nicht verwendete Spargelder ihrer Kunden bei der Notenbank parken, in Zukunft eher noch teurer als günstiger werden wird.

Dies werfe die Frage auf, ob und gegebenenfalls wie die Banken diese Gebühren an diejenigen weiterreichen könnten, von denen die Spargelder stammen – nämlich die Kunden selbst. Aus Furcht vor unkalkulierbaren Reaktionen der Betroffenen galt dies zumindest im unteren Vermögenssegment bislang als Tabu. Mittlerweile seien Negativzinsen auf Spareinlagen jedoch nicht nur „eine der denkbaren geschäftspolitischen Optionen“ – sie seien, so heißt es in dem Papier, sogar eine unabdingbare Notwendigkeit:

Schon allein mit Blick auf die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung muss ein Bankvorstand dauerhaften Verlusten – auch aus einem einzelnen Produkt oder Geschäftsbereich – durch geeignete unternehmerische Entscheidungen entgegenwirken.“

Abstrakte Überlegung kann schnell konkret werden

Dass die Genossenschaftsbanken konkrete Überlegungen dahingehend anstrengen, die Folgen der EZB-Geschäftspolitik auch auf die Normalsparer abzuwälzen, lässt den Schluss zu, dass auch Sparkassen und Privatbanken längst über diese Option nachdenken.

Davon geht auch das Handelsblatt aus, das einen nicht namentlich genannten Bankvorstand mit den Worten zitiert, Banken könnten es sich „angesichts des Zinsumfelds schlicht nicht leisten, Kunden dauerhaft vor Negativzinsen abzuschirmen“.

Zwar enthält das Rundschreiben fürs Erste nur Erörterungen zur Rechtslage, zu steuerlichen und wirtschaftlichen Aspekten und Kommunikationstipps inklusive Musterschreiben – und noch keinen konkreten Fahrplan zur Umsetzung der Strategie. Es macht auch deutlich, dass sich die Banken erst einmal nur die grundsätzliche Option auf Negativzinsen im Neugeschäft ausbedingen sollen.

Ist die Büchse der Pandora jedoch erst einmal offen, könnten auch Bestandskunden unangenehme Überraschungen ins Haus stehen. Änderungen ihrer Verträge hängen zwar von ihrer Zustimmung ab. Verweigern sie diese, kann die Bank auch von sich aus dem Vertrag kündigen.



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