Kommt der Crash des deutschen Finanzsystems? | ET im Fokus

Den Finanzstrategieberatern Friedrich und Weik zufolge seien der Euro und das Finanzsystem nicht mehr zu retten. Deutschland sei in einer monetären Endphase und das jetzige System unheilbar krank. Marc Friedrich sagt: „Ich bin fassungslos, wie verantwortungslos die Politik, aber auch die Notenbänker sind“.
Epoch Times27. August 2019

Jüngster Auslöser für die Diskussion in Sachen Niedrigpreispolitik war die kürzliche Emission einer 200 Mill. Euro hohen 30-jährigen Bundesanleihe mit einer Verzinsung von null Prozent. 824 Millionen Euro wurden zugeteilt, 1.176 Millionen Euro verblieben im Eigenbestand und sollen zu einem späteren Zeitpunkt am Zweitmarkt platziert werden. Die Rendite beträgt derzeit minus 0,12 Prozent. Das bedeutet, dass der Staat als Kreditnehmer über die Laufzeit einen Einnahmeüberschuss erzielt.

Vor allem Versicherungen und Pensionskassen investieren in Staatsanleihen, da sie nach dem Gesetz verpflichtet sind, sichere Investitionen zu tätigen.

Unter Berücksichtigung des aus der Inflation resultierenden Kaufkraftverlusts beträgt die Wertminderung nach 30 Jahren rund 45 Prozent. Buchautor und Betreiber des Infoportals Deutschland & Globalisierung Dr. Joachim Jahnke wirft die Frage auf, wie solcher Wahnsinn möglich sein kann. Spätestens jetzt sollte gemäß den Finanzstrategieberatern Friedrich und Weik klar sein, dass unser Geldsystem am Ende ist.

Zinspolitik der EZB schuld an der Misere?

Auf dem Immobilienmarkt zeichnen sich die Folgen sinkender Renditen bereits ab. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken teilt in seinem Jahresbericht 2018 jüngst mit, dass die Immobilienpreise weiter ansteigen und Anzeichen einer Überbewertung erkennbar seien.

Ökonomen wie Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und Vítor Constâncio, ehemaliger Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, sind der Meinung, dass neben der EZB-Geldpolitik auch das „exzessive Sparen“ der Deutschen für die Misere verantwortlich sei. Andere Ursachen seien der demografische Wandel – denn ältere Menschen sparen mehr. Und eine sinkende Risikobereitschaft zum Investieren seit der Finanzkrise 2008 sei ebenfalls ein Grund.

Constâncio zufolge müsse Deutschland seine Investitionen erhöhen und neue Schulden machen. Der Leistungsbilanzüberschuss lag beispielsweise im Jahr 2018 mit 7,4 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung über dem von der EU vorgegebenen Schwellenwert von 6 Prozent. Werte über 6 Prozent hält die EU-Kommission für stabilitätsgefährdend. Der Leistungsbilanzüberschuss sei gerade eben auch die Folge von zu wenig Investitionen. Sinnvoll wäre eine Investition in die langfristige Infrastruktur. Dann würde das Wachstum und infolgedessen die Zinsen steigen.

Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor und Mitglied des Präsidiums vom Institut der Wirtschaft, zufolge hätten allein die Kommunen 138 Milliarden Euro Investitionsbedarf. Dazu kämen Investitionen in den Bereichen Verkehr, Breitband, Dekarbonisierung, Wohnen und Bildung. Größenmäßig ergibt dies ein Volumen von ungefähr 450 Milliarden Euro.

Jahnke zufolge sei an der derzeitigen Misere aber ausschließlich die Zinspolitik der EZB mit ihren ständigen Zinssenkungen und Aufkäufen von Staatsanleihen schuld. Die größte Position im Portfolio der EZB seien schließlich deutsche Staatsanleihen im Wert von mehr als 515 Milliarden Euro.

Friedrich und Weik gehen sogar noch weiter. Nach der Finanzkrise hätte die EZB die Zinsen anheben müssen. So wären zahlreiche „Zombiebanken“ Südeuropas und faktisch bankrotte Länder wie Griechenland und Italien kollabiert. Damals wären es vielleicht 5 nur schwere Krisenjahre gewesen. Momentan gebe es europaweit noch 15 Prozent solcher Unternehmen und Staaten, die künstlich mit 2,59 Billionen Euro, am Leben erhalten werden. Durch ständiges Pumpen von Geld in die Wirtschaft wurde die Krise immer wieder verschoben und Zeit teuer erkauft. Jetzt sei eine Krise schwerer – vielleicht dauere sie sogar 10 Jahre.

Friedrich & Weik: Steigende Zinsen seien in der Eurozone nie wieder zu erwarten

Seit März 2016 gebe es ein in der Menschheit nie da gewesenes Zinstief von 0 Prozent. Die EZB sei in der Zinsfalle und komme auch nicht mehr raus. Bislang wurden nur große Vermögen ab 500.000 strafverzinst. Laut Friedrich und Weik seien Minuszinsen von 4 bis 7 Prozent künftig für alle Bürger zu erwarten – so auch eine den beiden vorliegende Analyse der US-Bank JP Morgan aus 2017. Steigende Zinsen seien in der Eurozone jedenfalls nie wieder zu erwarten.

Laut Jahnke grenze diese Politik der EZB immer mehr an „verzweifeltem Wahnsinn“. Resultieren diese Zinsen etwa nicht gerade aus der von der EZB produzierten Geldmenge, die nicht investiert und somit wieder bei der EZB eingeparkt wurde? Die eingeparkte Summe entspreche 69 Prozent der seit 2015 produzierten Geldmenge (in Zahlen: 1,7 Billionen Euro).

„Es könnte sein, dass viele Banken auf Dauer nicht mehr umhinkönnen, die zusätzlichen Belastungen auch in der Breite an Privatkunden weiterzugeben“ so jüngst Andreas Krautscheid, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken. Bundesfinanzminister Scholz will nun untersuchen, ob er Kleinsparer per Gesetz vor Strafzinsen schützen kann. Fratzscher sieht das als einen

Eingriff in die Marktwirtschaft, in Unternehmen wie Banken, die der Politik nicht zusteht.“

Er warnt jedoch auch vor noch mehr Abwicklungen von Sparkassen und Banken und einer „Destabilisierung des deutschen Bankensystems“. Auch Friedrich und Weik glauben, dass es zu einem Bankensterben in größerem Umfang kommen wird. Das Geschäftsmodell der Banken bestehe zu 70 Prozent aus Zinserträgen, die einfach so wegfallen – aber Kosten seien immer noch da.

Das monetäre Endspiel Deutschlands

Zwar könne die Wirtschaft durch Fortführung der bisherigen Handlungsweise noch eine gewisse Zeit weiter aufrechterhalten werden. Auch Verschärfungen wie Beschränkung von Bargeldabhebungen oder, wie vom IWF länger gefordert, die Verzinsung von Bargeld seien auch denkbar.

Aber nicht alle befürchten den großen Crash. Fratzscher meint, dass deutsche Sparer zu den Gewinnern gehören. Deutschland profitiere wie kaum ein anderes EU-Land von der EZB-Geldpolitik. Die wirtschaftliche Entwicklung sei gut, es wurden neue Jobs geschaffen und alle hätten Interesse daran, das Grundeinkommen auch künftig zu sichern. Rund 40 Prozent der Menschen hätten noch nicht einmal genug Vermögen, um zu sparen. Deutschland habe mit den höchsten Anteil an Menschen, die nicht sparen und somit keine private Altersvorsorge betreiben können. Im Übrigen sei eine gute Absicherung im Vergleich zu anderen Ländern durch die sozialen Sicherungssysteme gegeben.

Jahnke befürchtet soziale Konflikte, Altersarmut und Enteignungen. Auch die sparsame Mittelklasse gehöre zu den Hauptverlierern der Zinspolitik. Diese sei wegen ihrer Dynamik und guten Bildung besonders wichtig für Deutschland.

Friedrich & Weik glauben, dass bis maximal 2023 der vielleicht größte Crash aller Zeiten kommen werde. Das manifestiere sich „in wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Unruhen sowie einen Kollaps des Werte- und Geldsystems“.

Jetzt Schulden machen?

Allgemein wird geurteilt, dass Zinsen für Kredite jetzt so günstig wie noch nie seien – und es sich lohne, Immobilien zu kaufen.

Friedrich und Weik glauben zwar auch, dass Geld auf dem Konto keinen Sinn macht. Schulden machen sei jetzt aber fatal.

Abgesehen davon, dass Immobilien völlig überteuert seien, werden die Schulden im Fall einer Inflation höher als die Guthaben bewertet. Das zeigen Währungsreformen der Vergangenheit: Guthaben wurden entwertet und Verbindlichkeiten waren in neuer Währung zurückzahlen, was vielen Bürgern heftig schadete.

… besser in Edelmetalle und Aktien investieren

Man solle sich auf jeden Fall diversifizieren, raten Friedrich und Weik. Edelmetalle seien die Dekade der Zukunft, da sie physisch limitiert seien. Auffällig sei, dass Notenbanken weltweit im 1. Halbjahr 2019 bereits 374 Tonnen Gold gekauft haben. Weiterhin wird das Goldabkommen der EZB, das im September endet, nicht weiter verlängert.

Sinn des Abkommen war ursprünglich, den Goldhandel zu beschränken, um Verwerfungen auf dem Goldmarkt zu verhindert. Das zeige, dass die Notenbanken dem Papiergeld auch nicht so besonders trauen. Ferner könnte man im richtigen Moment Aktienkäufe und Aktienverkäufe tätigen.

Hier sei nun auch erklärt, warum sich die Investition in Staatsanleihen nach der Einschätzung von Friedrich und Weik vielleicht sogar lohnt: Ein kippender Euro, Börsencrash, Staatsbankrott oder Hyperinflation können zu viel höheren Verlusten als langjährige Staatsanleihen mit ein paar Prozent Verlust führen. (bm)



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