Zinswende vernichtet Volksvermögen: Notenbanken rutschen in die Verlustzone

Mehrere Notenbanken, darunter die US-amerikanische Fed, könnten infolge der Zinswende Verluste schreiben. Experten fürchten ein „Reputationsproblem“.
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Neben dem Personalabbau bei Big Tech hat zuletzt das Gebaren mehrerer Notenbanken auch an der Wall Street für Unruhe gesorgt.Foto: Richard Drew/AP/dpa/dpa
Von 15. November 2022

Mehrere Notenbanken auf dem europäischen Kontinent, aber auch die US-amerikanische Federal Reserve System (Fed) geraten zunehmend unter Druck. Den Ausschlag dafür geben Faktoren wie die Zinswende und ihre Folgen, die Inflation und nachteilige Entwicklungen in Fremdwährungsportfolios.

Kursverluste im SNB-Portfolio werden Bilanz trüben

Wie das „Handelsblatt“ berichtet, könnte die Eigenkapitalquote der Schweizer Nationalbank (SNB) bis zum Jahresende auf null sinken. Bereits jetzt betrage sie nur noch sechs Prozent. In den ersten neun Monaten des Jahres hat die SNB Verluste in einer Gesamthöhe von 142 Millionen Schweizer Franken (circa 145 Millionen Euro) eingefahren.

Die Notenbank hatte Devisenreserven in Höhe von etwa 880 Milliarden Schweizer Franken (circa 900 Milliarden Euro) unter anderem in Aktien und Anleihen angelegt. Beide hatten in den vergangenen Wochen und Monaten deutlich an Wert verloren. Aktien um 54 Milliarden Schweizer Franken (circa 55 Milliarden Euro) und Anleihen um 71 Milliarden (circa 73 Milliarden Euro). Für die an der Börse notierte SNB bedeutet dies einen Buchverlust, den sie zu aktuellen Marktkursen zu bilanzieren hat.

Die Schwäche des Euro und anderer Währungen gegenüber dem Schweizer Franken hat der SNB zudem Wechselkursverluste von 24,4 Millionen Schweizer Franken (circa 25 Millionen Euro) verursacht. Auch der Goldbestand hat etwa 1,1 Milliarden Schweizer Franken (1,12 Milliarden Euro) an Wert eingebüßt.

Mehrere Notenbanken im Euroraum rechnen mit Minus

Die SNB ist unter den Notenbanken mit ihren Problemen nicht allein. Die US-amerikanische Fed könnte einem namhaften Anleihebroker zufolge in diesem Jahr einen Verlust von 80 Milliarden US-Dollar (circa 77 Milliarden Euro) erleiden. Demgegenüber konnte sie im Vorjahr noch einen Gewinn von 100 Milliarden US-Dollar (circa 96 Milliarden Euro) verbuchen.

Im Euroraum rechnet dem „Handelsblatt“ zufolge die belgische Notenbank mit ihrem ersten Minus seit 70 Jahren. In den Niederlanden rechnet Notenbankchef Klaas Knot infolge der Zinswende in den kommenden vier Jahren mit Verlusten in Höhe von insgesamt neun Milliarden Euro.

Währenddessen verweist die Deutsche Bundesbank auf Rückstellungen, die sie bereits gebildet hatte, um möglichen Verlusten entgegenzuwirken. Notenbankpräsident Joachim Nagel rechnet ebenfalls mit Belastungen, jedoch habe man die Risikovorsorge auf mehr als 20 Milliarden Euro ausgeweitet. Auch deshalb habe die Deutsche Bundesbank in den vergangenen beiden Jahren keine Gewinne ausgewiesen.

Imageverlust belastet Notenbanken stärker als unmittelbare Verlustfolgen

Ernsthafte Konsequenzen oder gar eine drohende Insolvenz haben Notenbanken auch bei hohen Verlusten nicht zu befürchten. Gewinne, die Zentralbanken erzielen, schütten sie im Regelfall an die öffentliche Hand aus. Dies würde im Verlustfall ausbleiben.

Allerdings droht den Notenbanken durch die jähe Zinswende und den hohen Einbußen ein erheblicher Reputationsverlust. Immerhin gehört es ja zu ihren Aufgaben, volkswirtschaftlich relevante Entwicklungen bereits im Vorfeld aufzuspüren und geldpolitisch aufzufangen. Verfehlt eine Notenbank dieses Ziel, erscheint ihre Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung als angekratzt.

Im „Handelsblatt“ erklärt Carsten Junius, Chefvolkswirt der Privatbank J.F. Safra Sarasin, Notenbanken sollten Verluste nicht auf die leichte Schulter nehmen:

Zentralbanken sollten Verluste nicht egal sein. Letztendlich ist es immer Volksvermögen, das hier vernichtet wird.“

Performen Notenbanken schlecht, drohe ihnen politischer Druck. Daraus könne sich eine „Eigendynamik [ergeben], bei der Zentralbanken wie Getriebene wirken.“

Fed rechnet mit „Verlangsamung“ der Zinswende

An der Wall Street sorgen derweil unter anderem Andeutungen der Fed, die Zinsen möglicherweise erneut anzuheben, neben weiteren Aspekten für Unruhe. Allerdings sei, wie die „Financial Times“ berichtet, der Druck etwas gefallen, weil die Oktober-Inflation mit 7,7 Prozent etwas unter den erwarteten acht Prozent gelegen hatte. Zuletzt hatte die Fed im Rahmen einer aggressiven Kampagne zur Eindämmung der historisch hohen Inflationsraten bereits viermal in Folge den Leitzins angehoben.

Die stellvertretende Fed-Vorsitzende, Lael Brainard, räumte am Montag (14.11.) ein, die US-Notenbank habe in ihrem Kampf gegen die Inflation noch „zusätzliche Arbeit“ zu leisten. Allerdings solle es zu einer „Verlangsamung“ des Tempos künftiger Zinserhöhungen kommen.

Brainard deutete an, dass die Fed „bald“ ihre Reihe von überdimensionalen Zinserhöhungen beenden werde. Gleichzeitig mahnte sie jedoch die Politik, in ihren Bemühungen, den Preisdruck zu bekämpfen, nicht nachzulassen.



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