Fünf Wirtschaftsweise: Leichte Aufhellung für Deutschland – Inflation bleibt auf hohem Niveau

Das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland wird 2023 „leicht“, 2024 sogar „moderat“ steigen. Das prophezeite der „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ bei seinem Update zur Konjunkturprognose.
Titelbild
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auf der Bundespressekonferenz am 22. März 2023.Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Von 22. März 2023

Die fünf Wirtschaftsweisen haben am 22. März ihre aktualisierte Konjunkturprognose für die Jahre 2023 und 2024 auf der Bundespressekonferenz vorgestellt. „Ein milder Winter macht noch keinen Frühling“, lautete der zusammenfassende Titel ihres Papiers.

Demnach rechnet der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gegenüber seiner eigenen Vorausschau vom November 2022 für das laufende Jahr mit „leicht aufgehellten“ Aussichten für Deutschland und die EU.

Bruttoinlandsprodukt steigt „leicht“ bis „moderat“

Beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde es voraussichtlich ein „leichtes Wachstum“ von 0,2 Prozent im Lauf des Jahres 2023 in Deutschland geben. 2024 gehen die Experten von einem „moderaten“ 1,3-prozentigen BIP-Wachstum aus.

Diese Werte liegen leicht unter den Schätzungen für den EU-Raum, dessen BIP 2023 wahrscheinlich um 0,9 Prozent und 2024 um rund 1,5 Prozent wachsen könnte (Videomitschnitt von der Bundespressekonferenz auf „Phoenix.de“)

Der Sachverständigenrat rechnet für das gesamte Jahr 2023 mit einer preisbereinigten Inflationsrate in Deutschland von 6,6 Prozent, gemessen am Verbraucherpreisindex (VPI). 2024 soll sie nur noch bei 3,0 Prozent liegen. Im Kalenderjahr 2022 sei noch ein Wert von 6,9 gemessen worden.

Im EU-Raum zeichne sich ein ähnlicher, sogar leicht stärkerer Trend ab: Die Verbraucherpreissteigerung von 8,4 Prozent im Jahr 2022 werde 2023 auf 5,9 Prozent sinken, 2024 mit 2,9 Prozent sogar leicht unter die Drei-Prozent-Marke.

Niedrigere Energiepreise, Inflation auf hohem Niveau

Diese insgesamt leicht verbesserten Werte führten die Experten auf mehrere Faktoren zurück. So sei China von seiner No-COVID-Politik abgerückt, und die Energiepreise seien im internationalen Großhandel gesunken. Aktuell werde beispielsweise Erdgas auf einem Preisniveau gehandelt, das zuletzt im Mai 2021 erreicht worden sei, betonte die Finanzmarktökonomin Prof. Ulrike Malmendier. Das sei jedoch kein Garant für eine niedrige Inflation. Das Problem sei „noch nicht ganz gelöst“, räumte sie ein.

Die Volkswirtschaftslehrerin Prof. Veronika Grimm pflichtete ihr bei: Noch immer drohten geopolitische Spannungen, insbesondere zwischen den USA und China. Die EU könnte im Fall von eigenen Sanktionen gegen China leiden. Die Unsicherheit über die Lage sei „weiter hoch“.

Auch wegen des Ukraine-Krieges und dem mangelnden Energieangebot aus Russland sei die Energiekrise noch „längst nicht vorbei“, die Gefahr erneuter Preissprünge oder einer Gasmangellage im Winter 2023/24 noch nicht gebannt. Besonders die deutsche Industrie habe mit ihrer Energieeinsparung von 15 Prozent geholfen, im „milden Winter“ 2022/23 Schlimmeres zu verhindern, betonte Grimm.

Prof. Dr. Dr. h.c. Monika Schnitzer, die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

„Widerstandsfähige“ Wirtschaft, bessere Exportaussichten

Ähnliches Lob kam auch von der Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Dr. Monika Schnitzer, der Vorsitzenden des Sachverständigenrates: Die deutsche Wirtschaft habe sich trotz der Belastungen der vergangenen Jahre als „widerstandsfähig“ erwiesen. Die deutschen Exporte dürften ihrer Expertise nach auch deshalb wieder „an Fahrt gewinnen“.

Andererseits hätten vor allem die Verbraucher mit hohen Strompreisen und einer weiterhin hohen Inflation zu kämpfen, gab Schnitzer zu bedenken. Dies dämpfe noch immer die Konsumnachfrage der Menschen, obwohl in Deutschland eine steigende Erwerbstätigkeit und eine niedrige Sparquote zu beobachten sei und die Politik mit „unterstützenden Maßnahmen“ dagegen halte.

Kosten politischer Maßnahmen werden 2024 stark fallen

Der Sozioökonom Prof. Achim Truger geht davon aus, dass solche Maßnahmen auch den Bundeshaushalt 2023 weiter belasten werden – wenn auch nicht mehr so stark wie bisher. Die Gaspreisbremse werde seiner Schätzung nach im Haushaltsjahr noch einmal mit 15 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Erst 2024 werde dieser Wert voraussichtlich auf nur noch 0,5 Milliarden sinken.

Ähnlich sehe es mit den Ausgaben für die Strompreisbremse aus: 2023 könnte sie den Steuerzahler noch 13 Milliarden Euro kosten, 2024 wohl nur noch 0,8 Milliarden. Insgesamt aber habe insbesondere die Gaspreisbremse „deutlich geringere“ Ausgaben verursacht als gedacht.

Truger sieht auch für die Schuldensituation keinen Grund zur Sorge: 2023 werde das Haushaltsdefizit in Relation zum BIP wegen des zu erwartenden Wachstums weiter zurückgehen: Von 2,6 Prozent 2022 auf 1,6 Prozent im laufenden Jahr und nur noch 0,4 Prozent 2024. Die staatliche Schuldenstandsquote im Verhältnis zum BIP werde 2023 auf 65,3 Prozent sinken – gegenüber einem Vorjahreswert von 67,4 Prozent. 2024 könnten es nur noch 63,5 Prozent sein. Das wäre ein Wert nahe am Maastricht-Ziel. Der Ausblick für „die gesamtstaatlichen öffentlichen Finanzen“ habe sich jedenfalls „spürbar verbessert“.

Arbeitsmarkt und Lohnentwicklung

„Die Erwerbstätigkeit wird sich weiter steigern“, davon ist der Sozialpolitik-Experte Prof. Martin Werding überzeugt. Angesichts einer zu erwartenden Lohnsteigerung in Höhe von 5,9 Prozent für 2023 könne aber noch nicht von einer Reallohnsteigerung gesprochen werden. Erst ab 2024 werde bei einer neuerlichen Erwerbslohnerhöhung um durchschnittlich 4,5 Prozent den Bürgern real wieder etwas mehr Kaufkraft zur Verfügung stehen. Er gehe allerdings nicht von einer „Lohn-Preis-Spirale“ aus.

Nach Einschätzung von Prof. Achim Truger ist das Arbeitsangebot in Deutschland nicht mehr „so hoch wie früher“, als die Volkswirtschaft es noch nicht mit Corona- und Energiekrise zu tun hatte. Die Politik habe aber „schnell und gut reagiert“, zum Beispiel mit veränderten Regeln zum Kurzarbeitergeld.

Schwere Zeiten für Bauindustrie

Weniger optimistisch zeigte sich die Vorsitzende Prof. Schnitzer angesichts der Baukonjunktur in Deutschland. Investitionen am Bau würden wegen steigender Zinsen wahrscheinlich „stark zurückgehen“.

Auf eine „Kreditklemme“ deutet nach Auffassung von Prof. Malmendier allerdings aktuell nichts hin: „Die Liquidität scheint nicht das Problem zu sein“.

Finanzmarkt sollte stabil bleiben

Trotz der Ereignisse rund um die Silicon Valley Bank (SVB) und die Übernahme der Credit Suisse durch die Schweizer Großbank UBS sieht Prof. Malmendier „keine Gefährdung der Finanzmarktstabilität“. Die Situation sei eine ganz andere als 2008, als die Zahlungsunfähigkeit der amerikanischen Bank Lehman Brothers eine weltweite Krise ausgelöst hatte. Malmendier machte vor allem die „Psyche der Marktteilnehmer“ und die zuletzt stark angezogenen Leitzinsen als Problemverursacher der SVB aus. Ansonsten habe die Bank bis vor zwei Wochen noch „nicht schlecht“ dagestanden. Malmendier warnte davor, „die Ereignisse in den USA auf Deutschland und Europa übertragen zu wollen“.

Die Gremiumsvorsitzende Prof. Schnitzer bemühte sich ebenfalls, Ängste um den deutschen Finanzmarkt zu zerstreuen: Die Problematik hinter der Credit-Suisse-Übernahme sei von den Ereignissen in den USA zu trennen. Trotzdem sei die in den vergangenen Jahrzehnten gepflegte Überzeugung, Staatsanleihen aus den USA oder Deutschland seien „sehr sicher“, etwas, „was wir uns in der künftigen Regulierung vielleicht anschauen“ müssten.

Klimaziele nicht aus dem Blick verlieren

Die Wirtschaftstheoretikerin Prof. Veronika Grimm riet der deutschen Industrie, sich der „Transformation“ und dem Übergang in die „neue Normalität“ anzupassen. Insbesondere der Verzicht auf fossile Energieträger sei wichtig.

Ein eigener „Industriestrompreis“ sei nicht der richtige Ansatz. Sie favorisiere einen angepassten Emissionshandel. Damit sei man „mit Blick auf den Klimaschutz auf der sicheren Seite“. Prof. Schnitzer riet dazu, die „klimaschädlichen“ Subventionen auf den Prüfstand zu stellen – etwa beim Diesel oder den Pendlerpauschalen. Auch über eine Reform der Rente müsse man sprechen.

Den offiziellen Pressetext zur Konjunkturprognose vom 22. März 2023 finden Sie unter sachverstaendigenrat-wirtschaft.de. Dort auch als PDF.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion