Neue Seidenstraße: Fällt Chinas KP-Regime die eigene Verschuldungsstrategie auf den Kopf?

Länder durch aggressives Aufdrängen von Schulden in die „Neue Seidenstraße“ zu locken, war lange eine erfolgreiche Strategie für das KP-Regime in China. Nach Corona könnte das böse Erwachen folgen: Die Bonität vieler dieser Staaten ist in erschreckendem Zustand.
Von 28. Juli 2020

Fällt Chinas KP-Regime die eigene langjährige Verschuldungsstrategie auf den Kopf, mithilfe derer man Schwellen- und Entwicklungsländern für das eigene Projekt der „Neuen Seidenstraße“ geködert hatte? Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hält dies durchaus für möglich, wie aus einer aktuellen Studie hervorgeht.

Demnach könnte die Führung in Peking mit erheblichen Zahlungsausfällen konfrontiert sein, nachdem die Corona-Krise die Bonität vieler Schuldnerländer erheblich verschlechtert hat.

Chinas Finanzierungspolitik ist wenig transparent

In einem am Sonntag (26.7.) publizierten Kurzbericht kommen Forscher des bekannten Instituts zu der Einschätzung, dass das Regime in Peking nicht nur aus den USA Gegenwind erfährt, sondern auch in Europa die Stimmung vielerorts am Kippen sei. Debatten wie jene um ein europäisches Investmentscreening oder eine neue Industriepolitik spiegelten „die Ängste vor der zunehmend als aggressiv empfundenen chinesischen Außenwirtschaftspolitik wider“, heißt es in dem Dokument.

Nun komme auch Sorge um einen möglichen billigen Aufkauf infolge der Corona-Krise angeschlagener Schlüsselunternehmen dazu. Mittlerweile sei die Wachsamkeit bezüglich der Taktik des Regimes gestiegen, eigenen Konzernen mithilfe üppiger Subventionen den Einstieg in fremde strategische Märkte zu erleichtern.

Was noch wenig transparent sei, so heißt es aus dem IW, sei die Schuldenproblematik, die China im eigenen Land zu bewältigen hat. Im Jahr 2018 sei die private Verschuldung der Haushalte bereits auf 160 Prozent des BIP geschätzt worden. Im Ausland sei der Kreditvergabeprozess noch undurchsichtiger, das Regime schweige sich über seine internationalen Finanzierungsprojekte aus, offizielle Datenquellen fehlten oder blieben unter Verschluss.

Man will bewusst die Kontrolle behalten und sich nicht in die Karten schauen lassen:

Im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften werden die externen Kredite alle durch staatlich geführte Banken vergeben. Somit fliegen diese Kredite unter dem Radar der Rating­agenturen. Diese Beschränkungen erschweren die Ortung länderübergreifender Kapitalflüsse.“

Für „Neue Seidenstraße“ schon ursprünglich 890 Milliarden USD eingeplant

Einer aktuellen Studie zufolge, auf die das IW Bezug nimmt, soll das Regime mit mehr als 1,5 Prozent des globalen Outputs an ausstehenden Kreditansprüchen innerhalb der letzten 20 Jahre zu einem der weltweit größten Kreditgeber geworden sein. Was Kredite in Schwellen- und Entwicklungsländer anbelangt, halte man sogar mehr Schuldentitel als die Regierungen des „Pariser Clubs“, in dem vor allem OECD-Länder über Maßnahmen zur Umschuldung ins Schlingern geratener Staaten beraten.

Ein erheblicher Teil der Ansprüche als Gläubiger, die Peking erworben hat, geht auf das große außenpolitische Prestigeprojekt des KP-Regimes zurück, die Belt and Road Initiative (BRI) oder „Neue Seidenstraße“. Dort will China nach dem ursprünglichen Konzept insgesamt 890 Milliarden US-Dollar investieren – im Vergleich dazu habe der Marshallplan für Nachkriegseuropa auf heutige Preise hochgerechnet nur 130 Milliarden in Anspruch genommen. Die Corona-Krise, die viele Planungen ins Stocken geraten ließ, könnte durchaus die Notwendigkeit entstehen lassen, die Summe nach oben anzupassen.

Allein zwischen 2000 und 2018 sollen Kredite in einem Gesamtvolumen von 152 Milliarden US-Dollar der Regime-Banken Eximbank und China Development Bank an afrikanische Länder vergeben worden sein. Die Weltbank geht davon aus, dass China etwa zu 17 Prozent Gläubiger der gesamten öffentlichen Verschuldung Afrikas ist. Insgesamt soll das chinesische Kreditvolumen, das in Entwicklungs- und Schwellenländer geflossen ist, von 0,64 Milliarden US-Dollar im Jahr 2000 über 131 Milliarden im Jahr 2013 auf 215 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017 angewachsen sein – insgesamt etwa 1,5 Prozent des in dieser Zeit dynamisch gewachsenen chinesischen BIP.

Corona-Folgen noch nicht absehbar

Aber auch in Asien und Teilen Osteuropas ist China Gläubiger der öffentlichen Hand und hält einen zweistelligen Prozentsatz der öffentlichen Schulden. Das Engagement hatte eine klare Zielrichtung: In den betreffenden Ländern Fuß zu fassen, Abhängigkeiten zu schaffen und notfalls auch auf die geschaffene Infrastruktur wie Häfen, Flughäfen oder Güterbahnhöfe zugreifen zu können.

Dennoch gibt es ein Ausfallsrisiko und die Zusammensetzung des aktuellen Portfolios spricht nicht dafür, dass die Eigentums- oder Nutzungsvorbehalte allein ausreichen würden, um den gesamten Umfang möglicher nicht bedienter Verbindlichkeiten abdecken zu können.

Von den Ländern, in denen chinesische Regimebanken besonders hohe Forderungen gegenüber hauptsächlich öffentlichen Schuldnern halten, ist nur die Russische Föderation, die auf Platz 2 der Liste der größten Schuldner Chinas liegt, von den Ratingagenturen als stabil eingestuft.

Alle anderen wurden zuletzt heruntergestuft oder hatten bereits 2017 ein hohes Ausfallrisiko: Pakistan schuldete Peking damals als größter Schuldner mehr als 35 Milliarden Euro. Hinter Russland folgen Äthiopien, Malaysia, Kenia, Sri Lanka, Südafrika und Indonesien. In allen genannten Ländern sind die Folgen des Corona-Lockdowns noch nicht absehbar.

Pakistan ist jetzt schon bezüglich der Bonität als „hoch spekulativ“ eingestuft. Bei den meisten anderen Schuldnerländern sieht es nicht wesentlich besser aus.

Eingetrübte Binnenkonjunktur

Zudem seien die Schwellen- und Entwicklungsländer, an denen chinesische Gläubiger insgesamt 25 Prozent der Schuldtitel der öffentlichen Hand halten, allein im März im Zeichen der Corona-Krise mit einer Kapitalflucht ausländischer Investoren in Höhe von etwa 83 Milliarden US-Dollar heimgesucht worden. Wie viel davon und wann wieder zurückkehren wird, ist noch ungewiss. Mit Währungsabwertungen ist zu rechnen.

Das Regime steht zudem vor dem Phänomen einer eingetrübten heimischen Konjunktur und hoher Kosten für ein Konjunkturpaket, das die heimische Wirtschaft für den Wiederaufbau benötigt.

Kreditexpansion wird den Experten zufolge diesmal kein gangbarer Weg – Peking steht vor der Notwendigkeit, die eigenen Haushalte durch disziplinierte Fiskalpolitik in Ordnung zu bringen. Überraschungen infolge von Kreditausfällen und zutage tretender Überraschungen infolge fiskalischer Intransparenz können nicht ausgeschlossen werden.



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