Studie enthüllt Verflechtung zwischen Pharmaindustrie und Gesundheitswesen

Amerikanische Forscher dokumentieren Wege für potenzielle Einflussnahme im Gesundheitswesen. Um das öffentliche Vertrauen zu erhalten, sei daher eine bessere Aufsicht der Pharmaindustrie erforderlich. Dazu könne auch die Offenlegung von Produktionskosten und Verkaufspreisen der Corona-Impfstoffe beitragen, so die Autoren einer weiteren Studie.
Die Pharmaindustrie verdient am Gesundheitswesen und beeinflusst es dazu nicht unwesentlich.
Die Pharmaindustrie verdient am Gesundheitswesen und beeinflusst es dazu nicht unwesentlich. (Symbolbild)Foto: iStock
Von 24. Januar 2022

Die Pharmaindustrie unterhält ein umfangreiches Netzwerk finanzieller und nicht-finanzieller Verbindungen zu allen wichtigen Akteuren und Aktivitäten im Gesundheitswesen. Dies geht aus einer im Fachjournal BMJ veröffentlichten, peer-reviewten Studie hervor.

Dieses Netzwerk scheint größtenteils unreguliert und undurchsichtig zu sein, weshalb Forscher um Dr. Susan Chimonas vom Memorial Sloan Kettering Krebszentrum in New York eine verstärkte Aufsicht und Transparenz fordern. Dies sei notwendig, „um die Patientenversorgung vor kommerziellem Einfluss zu schützen und das öffentliche Vertrauen in das Gesundheitswesen zu bewahren“.

Verbindung zwischen Pharmaindustrie und Gesundheitswesen häufig unklar

Die Pharmaindustrie ist ein wichtiger Partner bei der Förderung der Gesundheitsversorgung, insbesondere bei der Entwicklung neuer Tests und Behandlungen. Dennoch besteht ihr Hauptziel darin, den Aktionären finanzielle Erträge zu sichern, so die Forscher in einer Pressemitteilung.

In einem einflussreichen Bericht aus dem Jahr 2009 beschrieb das Institute of Medicine ein vielschichtiges Ökosystem im Gesundheitswesen, das von der Industrie beeinflusst wird. Die meisten Studien über Interessenkonflikte im Zusammenhang mit pharmazeutischen, medizintechnischen und biotechnologischen Unternehmen konzentrierten sich jedoch auf eine einzelne Partei (z. B. Angehörige der Gesundheitsberufe, Krankenhäuser oder Fachzeitschriften) oder eine einzelne Tätigkeit (z. B. Forschung, Ausbildung oder klinische Versorgung). Das volle Ausmaß der Verbindungen der Industrie im gesamten Ökosystem des Gesundheitswesens ist daher noch unklar.

Um diese Lücke zu schließen, machte sich ein Team von US-Forschern daran, alle bekannten Verbindungen zwischen der Pharmaindustrie und dem Ökosystem der Gesundheitsversorgung zu ermitteln.

37 Länder, 538 Artikel, alle Bereiche

Sie durchsuchten die medizinische Fachliteratur nach Belegen für Verbindungen im Ökosystem der Gesundheitsversorgung. Entsprechend ihrer Vorbetrachtungen schlossen sie dabei sowohl Pharma-, Medizintechnik- und Biotechnologieunternehmen ein, aber auch andere Parteien wie Krankenhäuser, verschreibende Ärzte und Berufsverbände sowie Aktivitäten einschließlich Forschung, Ausbildung von Gesundheitsfachkräften und Entwicklung von Leitlinien.

Die Daten aus 538 Artikeln aus 37 Ländern wurden zusammen mit den Beiträgen von Experten verwendet, um eine Karte zu erstellen, auf der diese Verbindungen dargestellt sind. Diese Verbindungen wurden dann überprüft, katalogisiert und charakterisiert, um die Art der Verbindungen zur Industrie (finanziell, nicht finanziell), die geltenden Richtlinien zu Interessenkonflikten und öffentlich zugängliche Datenquellen zu ermitteln.

Die Ergebnisse zeigen ein umfangreiches Netzwerk von Verbindungen der Pharmaindustrie zu allen wichtigen Aktivitäten und Parteien im Ökosystem des Gesundheitswesens. Zudem sind diese oft unreguliert und intransparent.

Zu den wichtigsten Aktivitäten gehören Forschung, Ausbildung im Gesundheitswesen, Entwicklung von Leitlinien, Auswahl von Arzneimitteln (verschreibungspflichtige Medikamente, die von einer Krankenkasse übernommen oder von einer Gesundheitseinrichtung vorrätig gehalten werden) und klinische Versorgung.

Zu den Beteiligten gehören gemeinnützige Einrichtungen (z. B. Stiftungen und Interessengruppen), die Angehörigen der Gesundheitsberufe, die Marktversorgungskette (z. B. Kostenträger, Einkaufs- und Vertriebsstellen) und die Regierung.

Verflechtungen der Pharmaindustrie mit den verschiedenen Akteuren im Gesundheitssystem. Zum Vergrößern ins Bild klicken, öffnet in neuem Tab. Foto: Chimonas et al. (2021), British Medical Journal, doi.org/10.1136/bmj-2021-066576; Creative Commons BY-NC 4.0

In weiteren Grafiken der Studie wird zudem ersichtlich, dass sich finanzielle Interessen (grün) auf Regierungen und diverse Organisationen, einschließlich im Bildungsbereich, konzentrieren. Im Gegensatz dazu umfassen die nicht-finanziellen Interessen (blau) alle Akteure und häufen sich insbesondere beim „Endverbraucher“ – bei Ärzten und Patienten.

Finanzielle (grün) und nicht-finanzielle (blau) Verbindungen der Pharmaindustrie mit den verschiedenen Akteuren im Gesundheitssystem: Foto: Chimonas et al. (2021), British Medical Journal, doi.org/10.1136/bmj-2021-066576; Creative Commons BY-NC 4.0

Pharmaindustrie zahlt für Umgehen von Vorschriften

Die Forscher beschreiben weiter, wie beispielsweise Opioidhersteller verschreibenden Ärzten, Patienten, öffentlichen Amtsträgern, Interessenverbänden und anderen Akteuren des Gesundheitswesens Finanzmittel und andere Mittel zur Verfügung stellten. Diese üben wiederum Druck auf Regulierungsbehörden und Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens aus, um opioidbezogene Richtlinien und Vorschriften aufzuheben oder zu untergraben.

Gleichzeitig warnen Dr. Chimonas und Kollegen, dass viele andere Beispiele für Schäden durch von der Industrie geförderte Produkte noch unerforscht sind. Die Ergebnisse zeigen, dass alle Arten von Parteien finanzielle Verbindungen zu Pharmaunternehmen haben. Lediglich Kostenträger und Vertriebsagenten haben keine zusätzlichen nicht-finanziellen Verbindungen.

Außerdem zeigen die Wissenschaftler, dass es für einige finanzielle und einige wenige nicht-finanzielle Verbindungen Richtlinien für Interessenkonflikte gibt. Allerdings beschreiben oder quantifizieren öffentlich verfügbare Datenquellen diese Verbindungen nur selten.

Die Forscher räumen ein, dass sich ihre Ergebnisse auf bekannte oder dokumentierte Branchenbeziehungen beschränken. Demzufolge könnten einige Daten möglicherweise nicht erfasst worden sein. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass sie durch ihre Strategie der systematischen, doppelten Suche und des Feedbacks eines internationalen Expertengremiums häufige oder wichtige Verbindungen übersehen haben.

Die Schlussfolgerung der Forscher: „Im Ökosystem des Gesundheitswesens existiert ein umfangreiches Netzwerk von Verbindungen der Pharmaindustrie zu Aktivitäten und Parteien. Es fehlt an Richtlinien für Interessenkonflikte und öffentlich zugängliche Daten. Dies deutet darauf hin, dass eine verstärkte Aufsicht und Transparenz erforderlich sind, um Patienten vor kommerziellem Einfluss zu schützen und das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewährleisten.“

Forscher fordern Offenlegung der Kosten für COVID-19-Impfstoffe

Auch die aktuelle Lage während der Corona-Pandemie scheint von dieser Problematik betroffen zu sein. So plädiert eine Forschergruppe um Prof. Dr. Donald Light in ihrer Studie für weltweit erschwingliche Preise für COVID-19-Impfstoffe. Dies sei den Forschern zufolge allerdings erst dann möglich, wenn Regierungen den Impfstoffherstellern nicht mehr erlauben, ihre Herstellungskosten geheim zu halten. Die Forscher veröffentlichten ihre ebenfalls peer-reviewte Studie im Journal of the Royal Society of Medicine.

Die milliardenschwere Finanzierung durch Steuerzahler und Regierungen in Ländern wie den USA und der Europäischen Union war so umfangreich, dass die Impfstoffhersteller wenig eigene Investitionen tätigen mussten. Ausgenommen seien die mit der Herstellung verbunden Kosten, die man nun über die Gewinne refinanzieren müsse.

„Entgegen der Ethik von Impfstoffen als öffentliches Gesundheitsgut haben die Unternehmen die Herstellungskosten für sich behalten. Zudem haben nur wenige unabhängige Studien diese im Detail untersucht„, sagte Donald Light, Hauptautor der Studie und Professor für vergleichende Gesundheitspolitik an der Rowan University School of Osteopathic Medicine (USA), in einer Pressemitteilung.

Verkaufspreise bis zu 20 Mal höher als Herstellungskosten

Auf der Grundlage früherer Studien errechnen die Autoren, dass die Nettoherstellungskosten für 100 Millionen versandfertige Dosen von COVID-19-Impfstoffen zwischen umgerechnet 0,48 und 0,87 Euro pro Stück liegen dürften.

Eine kürzlich durchgeführte Studie über die Kosten für [Vektor-basierte] Covid-19-Impfstoffe schätzt diese wesentlich niedriger ein. Eine weitere detaillierte Studie über mRNA-Impfstoffe schätzt die Stückkosten auf 2,85 US-Dollar [2,52 €] für Moderna und 1,18 US-Dollar [1,04 €] für Pfizer“.

„Wenn man bedenkt, dass diese Kostenschätzungen die Nachhaltigkeit der Einrichtungen, Produktionslinien, Ausrüstung und des gesamten Herstellungspersonals einschließen, sollten die Impfstoffpreise mit einer bescheidenen Gewinnspanne nur geringfügig über den Produktionskosten liegen“, erklärte Prof. Light weiter.

Die den Ländern in Rechnung gestellten Preise liegen jedoch zwischen 2,15 und 5,25 US-Dollar [1,90 bis 4,65 €] für den Impfstoff von AstraZeneca und zwischen 14,70 und 25,50 US-Dollar [13,02 bis 22,58 €] für die Impfstoffe von Moderna und Pfizer“.

Das würde zu dem passen, was Bill Gates über seine Investitionen in die Medizinforschung gesagt hatte. In einem Interview mit CNBC erklärte er im Januar 2019, „Wir haben das Gefühl, dass die Rendite mehr als 20:1 beträgt“. Also dass jeder Euro, den er investiert, ihm zwanzig Euro Gewinn bringe. Der Microsoft-Gründer hat bereits etwa zehn Milliarden Euro in die Impfstoffentwicklung und ähnliche Bereiche investiert.

Unabhängig davon erwarte Prof. Light, dass die Pharmaindustrie „ein Vielfaches [der aktuellen Preise] verlangen werden, wenn sie […] die Pandemie für beendet erklären. Diese höheren Preise werden trotz der Rabatte und der Preisstaffelung für Länder mit mittlerem und niedrigerem Einkommen die weltweite Pandemie wahrscheinlich verlängern.“

„Die Regierungen müssen aufhören, Partner in der Geheimhaltung zu sein“, schließ Prof. Light. „Als Käufer sollten [die Länder] öffentliche, überprüfbare Berichte über die Nettokosten nach direkten und indirekten Subventionen der Steuerzahler verlangen, um global erschwingliche Kosten-plus-Preise für diese globalen öffentlichen Gesundheitsgüter festzulegen.“

(Mit Material des British Medical Journals und der Königlichen Gesellschaft für Medizin)



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