Facebook kann über die Hälfte der Internetaktivitäten verfolgen – auch von Nicht-Nutzern

Eine neue Studie untersucht die Verfolgung von Internetnutzern durch Online-Plattformen wie Facebook. Mehr als die Hälfte der Internetaktivitäten können verfolgt werden. Dazu muss man sich nicht mal einloggen, selbst ein eigenes Facebook-Konto ist nicht nötig.
Facebook weiß, was Sie online tun - auch wenn Sie gar nicht angemeldet sind.
Ein Mann liest den Feed, Status-Update oder Nachrichten mit seinem Handy.Foto: iStock
Von 10. August 2022

Facebook verdient eine Menge Geld – mit Ihren Daten. Enthüllungen von massiven Datenweitergaben wie 2018 an Cambridge Analytica sind vielen bekannt. Doch wie stark verfolgt der Konzern Internetaktivitäten und in welchem Maß können Nutzer identifiziert und eingeordnet werden?

Sehr, lautet die wenig überraschende Antwort, dennoch enthält sie etwas Unerwartetes: Online-Plattformen wie Facebook können mehr als die Hälfte der Internetaktivität verfolgen, sogar unabhängig davon, ob Nutzer dort angemeldet sind oder überhaupt ein Nutzerkonto haben.

Als Grundlage für diese Berechnung nahmen Forscher der DIW Berlin gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universitäten Zürich, Lausanne und Yale Nutzerdaten von knapp 5.000 Menschen unter die Lupe.

Ihre Studie quantifiziert erstmals, wie groß der Anteil der beobachtbaren tatsächlichen Internetaktivität ist und auf welche Weise die gesammelten Daten genutzt werden können. Demnach könnten bis zu 52 Prozent der von den untersuchten Personen besuchten Seiten mit den technischen Möglichkeiten der Plattform nachvollzogen werden. Das entspricht etwa 40 Prozent der im Internet verbrachten Zeit.

Individuelle Konsumentenprofile

„Weil die Unternehmen kaum Auskünfte darüber geben, welche Algorithmen sie verwenden, kann niemand mit Sicherheit sagen, welche Daten wirklich gespeichert und genutzt werden“, erklärt Hannes Ullrich, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte des DIW Berlin.

Die beobachteten Internetverläufe würden sich aber eignen, um individuelle Konsumentenprofile zu erstellen. Für Online-Unternehmen ist es attraktiv, solche Profile zu erstellen, weil sie so zielgerichtet geschaltete Werbung an Anbieter von Produkten und Dienstleistungen verkaufen können.

Diese Praktiken sind nicht unbekannt. 2018 kam ans Licht, dass Facebook sogar unzulässig Daten von bis zu 87 Millionen Nutzern mit der britischen Datenanalysefirma Cambridge Analytica geteilt hatte. Bekannt wurde auch, dass neben 60 weiteren Unternehmen auch die chinesische Firma Huawei, eng verknüpft mit der Kommunistischen Partei Chinas, Daten von dem Konzern erhielt.

Datenschutzbestimmungen werden in China stark vernachlässigt, schon vor Jahren hat das chinesische Regime angefangen, eine weltweite DNA-Datenbank aufzubauen, oder experimentiert mit seinen Schulkindern. Auch im Rahmen der Corona-Krise hat China fleißig weiter Daten sammeln können.

Nicht nur Facebook-Nutzer betroffen

Die neue Studie zeigt jedoch auch, dass von der Beobachtung des Surfverhaltens nicht eingeloggte Benutzer ebenso betroffen sind. „Auch die Internet-Aktivität von Menschen, die selbst nicht auf den Plattformen angemeldet sind, kann beobachtet werden“, so Ullrich.

Um Konsumentenprofile zu erstellen, benutzen die Plattformen sogenannte Tracker, die zum Beispiel über Like-, Share- oder Login-Buttons automatisch geladen werden – unabhängig davon, ob die erfasste Person selbst bei der Plattform angemeldet ist oder ob dieser Button geklickt wird.

Theoretisch können Internetnutzer seit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dem Speichern von Trackern bei der allgegenwärtigen Cookie-Abfrage auf Webseiten widersprechen, bisherige Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass nur wenige von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und die meist lästigen Fenster schnell wegklicken, was einer Zustimmung gleichkommt. Doch auch der Klick auf „alles ablehnen“, sofern angeboten, lässt bestimmte (Werbe-)Cookies aus „berechtigtem Interesse“ zu.

Alter, Geschlecht und Bildungsniveau – ein Milliardengeschäft

„Durch den Vergleich mit Daten von angemeldeten Personen können auch über Nicht-Nutzer Konsumentenprofile angelegt werden, die die Plattformen oder Dritte für gezielte Werbung nutzen können.“ So könnte Facebook die von seinen Anwendern besuchten Seiten mit den bei Facebook hinterlegten Nutzerdaten verknüpfen und Rückschlüsse auf andere Besucher dieser Seiten ziehen.

Die Studie zeigt, dass mit dieser Methode demografische Eigenschaften wie Alter, Geschlecht oder das Bildungsniveau von Nicht-Nutzern der Plattformen mit bis zu 65-prozentiger Sicherheit korrekt eingeordnet werden können.

Der Umsatz von Meta, Facebooks Mutterkonzern, hat sich von 153 Millionen US-Dollar seit der Gründung von Facebook im Jahr 2007 rapide gesteigert. 2021 lag er bereits bei 117.929 Millionen – knapp 118 Milliarden – US-Dollar. Damit hat sich der Umsatz in 14 Jahren fast verachthundertfacht.

Aufsichtsbehörden unterbesetzt

„Die aktuell von der Europäischen Kommission geplanten Neuregelungen im Digital Markets Act und im Digital Services Act könnte Verstöße gegen Datenschutzrichtlinien stärker sanktionieren“, prognostiziert DIW-Forscher Ullrich. „Damit die Regeln aber auch umgesetzt werden können, braucht es eine angemessene personelle Ausstattung der Aufsichtsbehörden.“

Ob dies den Datenhunger von Facebook, Google, Amazon, TikTok und Co. aber in Zaum halten kann und helfen wird, weitere Gesetzesübertretungen zu verhindern, ist eher unwahrscheinlich.

Ulrich schlägt daher vor, unabhängige Datentreuhänder einzusetzen. Diese könnten mit expliziter Zustimmung der Nutzer Daten sammeln und diese nach transparenten Richtlinien an Werbetreibende weitergeben. So würden „für Internetnutzer durchaus auch nützliche gezielte Werbeschaltung mit dem erwünschten Datenschutz verbunden werden“.



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