Auf anderem Level – Inflation im Supermarkt deutlich höher

Durch Corona, Ukraine-Krieg, Lieferschwierigkeiten, steigende Herstellungskosten und andere makroökonomische Entwicklungen erleben wir derzeit eine außergewöhnliche Inflation. Besonders drastisch sind die Preiserhöhungen in den Supermärkten. Wir machen den Praxistest.
Supermarkt
Gemüse in einem deutschen Supermarkt. Viele Preise stiegen hier in den vergangenen Monaten teils deutlich an.Foto: iStock
Von 19. Februar 2023


Erwartungsvoll stecke ich ein 50-Cent-Stück in den Einkaufswagen vor dem Supermarkt. Dieser Einkauf wird anders verlaufen – ich bin vorbereitet. Dieses Mal möchte ich herausfinden, wie sich die Warenpreise im Zuge der Inflation in den vergangenen Monaten tatsächlich entwickelt haben.

Viele Leute haben das Gefühl, dass gerade beim Einkaufen von Lebensmitteln die derzeit hohe Inflation am stärksten zu spüren ist. Im Supermarkt ist man regelmäßig damit konfrontiert. Mein Test soll zeigen, ob die offiziellen Angaben stimmen. Ist Milch wirklich nur 30 Prozent teurer geworden? Wie sieht es bei anderen Produkten aus?

Die offizielle Statistik spricht von einer klaren Preissteigerung bei Nahrungs- und Genussmitteln, Getränken und Tabakwaren. Im Durchschnitt lagen die Preise Anfang des Jahres 2023 hier um 16,2 Prozent über denen von Januar 2022. Besonders verteuerten sich demnach die Produkte im Großhandel mit Milch, Milcherzeugnissen, Eiern, Speiseölen und Nahrungsfetten – mit einem Plus von 30,3 Prozent. Fleisch- und Fleischerzeugnisse legten um 21,0 Prozent zu, Zucker, Süß- und Backwaren um 20,1 Prozent. Bei Obst, Gemüse und Kartoffeln sollen es 15,6 Prozent sein.

Im Vorfeld versuchte ich mit drei großen Supermarktketten Kontakt aufzunehmen, um Informationen über die Preisentwicklung zu erhalten – und blieb erfolglos. Lediglich mit einem Filialleiter war ein kurzes Gespräch möglich. Er reagierte auf die Anfrage ablehnend.

Unterstützend reagierte hingegen Bonial, ein Marketingunternehmen für namhafte Einzelhändler. Ich erhielt Vergleichsdaten einer Marktanalyse. Diese verglich über Millionen von Datenpunkten tausende Produkte bei Supermärkten, Discountern und Getränkemärkten – ebenso ihre Preise. Bonial hatte dabei bezüglich Marke, Beschreibung, Größe und so weiter tausende exakte Übereinstimmungen gefunden, um einen validen Vergleich zu ermöglichen.

Dabei hänge die Preisentwicklung sehr eng mit den Rabattaktionen der Händler in dem Vergleichszeitraum zusammen, teilte mir eine Sprecherin des Marketingunternehmens mit. Für sieben konkrete Produkte erhielt ich die Durchschnittspreise von Februar 2022 und Februar 2023. So gewappnet mache ich mich auf den Weg zu Aldi.

Hochbetrieb am Samstagvormittag

Mein leerer Einkaufswagen rollt durch den Eingang des neuen Aldi-Gebäudes. Erst vor gut einem Jahr eröffnete diese Filiale. Kurz nach dem Betreten steht man in der Obst- und Gemüseabteilung. Das dominierende Geräusch ist das Piepsen des Warenscanners an der Kasse. Sofort staut es sich. Es ist Samstagvormittag. Die Leute drücken sich aneinander vorbei. Gelegentlich schreit ein Kind. Als wäre es nicht schon voll genug, mischt in dem Getümmel auch das Personal eifrig mit. Klar, die Regale wollen für die Kunden auch regelmäßig nachgefüllt werden, damit keine zu großen Lücken entstehen. Plötzlich ist ein eigenartiges Rascheln, wie viele kleine Glöckchen zu hören. Was ist das? Es wird lauter. Ein Blick in Richtung der Geräuschquelle verrät mir, dass es eine Person in einem Faschingskostüm ist.

Dann geht mein Gedanke wieder zurück zur Aufgabe: Die Suche nach den sieben Produkten zum Preis-Check. Das Erste ist Kaffee Dallmayr. Hier soll es eine deutliche Preissenkung von gut 40 Prozent gegeben haben. Diese Marke ist nicht im Sortiment, ähnliche Kaffeeprodukte bestätigen mit ihrem Preisniveau hier diese Angabe.

Auch das nächste Produkt ist nicht im Sortiment. Bei der Toblerone Schokolade sprach Bonial von einem Anstieg um 20 Prozent innerhalb eines Jahres.

12,5 Prozent teurer mit 13,49 Euro wurde im Februar 2023 das dritte Produkt – Paulaner Weißbier (20×0,5l Kasten). Ich finde jedoch nur einzelne Dosen im Regal. Stückpreis: 0,99 Euro, Pfand nicht mitgerechnet. Einzelprodukte sind immer teurer als mehrere zusammen.

Bis zu 157 Prozent Preisanstieg

Bei den übrigen vier Produkten habe ich mehr Glück. Müller Milch soll sich in den letzten 12 Monaten um knapp 60 Prozent auf durchschnittlich 0,86 Euro erhöht haben. Ich finde das Produkt jedoch für stolze 1,39 Euro im Kühlregal – ein Anstieg um 157 Prozent.

Bei Pflegeprodukten sieht es nicht viel besser aus. Ich schiebe meinen Wagen zu den Duschgels und suche selbiges von der Marke Duschdas. Die Marktanalyse berichtet hier von einem Anstieg um 57 Prozent auf 1,79 Euro. Ich entdecke es unten im Regal für einen ganzen Euro mehr: 2,79 Euro – ein Plus von 145 Prozent gegenüber Februar 2022.

Zurück zum Kühlregal, wo das Rauschen der Kühlanlage dominiert. Noch zwei Produkte auf der Testliste. Die H-Milch von Weihenstephan lag ebenfalls deutlich über dem Wert der Marktanalyse (1,20 Euro). Das Preisschild verlangt 1,79 Euro für den Liter. Auch bei der klassischen Kerrygold Butter staune ich nicht schlecht: 3,49 Euro würde der Scanner an der Kasse dafür berechnen. Laut Marktanalyse nur 2,19 Euro.

Hier die Liste in der Übersicht:

Kaffee Dallmayr

Feb. 2022: 8,49 €
Feb. 2023: 4,99 €
Aldi: Aktuell nicht im Sortiment. Ähnliche Produkte haben ähnliche Preise.

Toblerone Schokolade

Feb. 2022: 0,99 €
Feb. 2023: 1,19 €
Aldi: Aktuell nicht im Sortiment.

Paulaner Weißbier (20 x 0,5 l Kiste)

Feb. 2022: 11,99 €
Feb. 2023: 13,49 €
Aldi: Aktuell nur einzelne Dosen im Sortiment, 0,99 €/Dose + Pfand. 20 Dosen wären 19,80 €.

Müller Milch

Feb. 2022: 0,54 €
Feb. 2023: 0,86 €
Aldi: 1,39 €

Duschgel Duschdas

Feb. 2022: 1,14 €
Feb. 2023: 1,79 €
Aldi: 2,79 €

H-Milch Weihenstephan

Feb. 2022: 0,99 €
Feb. 2023: 1,20 €
Aldi: 1,79 €

Butter Kerrygold (250 g)

Feb. 2022: 1,69 €
Feb. 2023: 2,19 €
Aldi: 3,49 €

Supermarktpreis. Foto: mf/Epoch Times

75 Euro für eine Bananenkiste

Das deckt sich auch mit Erfahrungen aus meinem Bekanntenkreis. Eine alleinerziehende Mutter teilte mir vergangene Woche mit, wie sehr sie sich, fast schon geschockt, über die hohen Summen wundere, die sie heutzutage an der Kasse bezahlen müsse. Sie erinnere sich, dass „vor Corona“ Butter und Sonnenblumenöl noch je 89 Cent kosteten. Nun zahle sie für diese Produkte jeweils rund 2 Euro. „75 Euro habe ich letztens für eine Bananenkiste mit Lebensmitteln bezahlt, das ist Wahnsinn. Und das waren nur normale Sachen, keine Luxusartikel.“ Außer ganz selten mal eine Packung Lachs könne sie sich solche Waren eh nicht mehr leisten. Schon gar nicht mit kleinem Kind, stöhnte sie.

Der Einkauf zeigt, dass die Preise der untersuchten Produkte stark von den Analysen des Statistischen Bundesamtes und Bonial abweichen. Die Gründe dafür bleiben offen. Einer könnte sein: Hier im Südwesten Deutschlands ist die Industrie relativ stark. Viele Ortsansässige haben mehr Geld. Es ließe sich darüber spekulieren, ob hier die Supermärkte deswegen generell höhere Preise haben.

Mit diesen Zahlen und Erfahrungen im Kopf geht es zur Kasse. Es herrscht die für Samstag übliche allgemeine Hektik und längere Wartezeit. Das Personal bemüht sich um eine schnelle Abfertigung der Kunden. Heute habe ich nicht viel gekauft. Einen halben Rucksack voll, 11 kleine Waren. Trotzdem bezahle ich 21,69 Euro – früher rund 40 D-Mark. Dafür konnte man kurz vor der Währungsumstellung den Einkaufswagen halb vollmachen, erinnere ich mich. Nur eines ist letztlich nicht teurer geworden: der Einkaufswagen. Zurückgeschoben zu den anderen, springt mir das 50-Cent-Stück wieder entgegen.



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