Prämiensparverträge: Massenhaft falsche Berechnungen – Beschwerde bei BaFin kann schützen

Die Bundesregierung und BaFin sollen falsche Zinsberechnung 'ausgesessen' haben. Massen von Verbrauchern wären betroffen. Die Grünen stellten kürzlich eine "kleine Anfrage" an die Bundesregierung. Bei systematischem Fehlverhalten kann BaFin eingreifen.
Titelbild
Die Grünen rechnen mit massenhaft falschen Zinsberechnungen für Verbraucher. In einer "kleinen Anfrage" konfrontieren sie die Bundesregierung, wieso nicht schon längst etwas gegen den Missstand getan wurde.Foto: iStock
Von 7. November 2019

Die Grünen befürchten, dass die Masse der Verbraucher in der Vergangenheit zu wenig Guthabenzinsen erhalten habe. Hierzu stellten sie kürzlich eine „kleine Anfrage“ an die Bundesregierung.

Jüngste Auslöser waren ein Medienbericht von ard und ein Urteil des Oberlandgerichts Celle. Im Urteilsfall forderte die Kreissparkasse Verden 300.000 Euro zu viel Sollzinsen von einem Landwirt. Weil die meisten Zinsforderungen verjährt waren, bekam er nur 28.000 Euro erstattet. Den umgekehrten Fall, also dass Verbrauchern zu wenig Zinsen gutgeschrieben werden, halten die Grünen ebenfalls in großem Umfang für wahrscheinlich.

Die Verbraucherzentrale Sachsen hätte bislang 2.600 Fälle geprüft, von denen nahezu jede Zinsberechnung falsch war. In einem Fall wäre sogar ein Zinsschaden von 36.000 Euro entstanden. Die fehlerhafte Zinsberechnung kann sich aus zu geringer Zinsberechnung oder aus unwirksamen Zinsanpassungsklauseln ergeben.

Bundesregierung und BaFin haben falsche Zinsberechnung ‚ausgesessen‘

Die Anfrage der Grünen wirft implizit zwischen den Zeilen die Frage auf, wieso jahrelang nichts passiert sei, wo doch spätestens seit 2015 das Problem bekannt war.

Anstatt dass die Bundesregierung hier pro aktiv vorgeht und den Gründen für falsch berechnete Zinsen auf die Spur kommt, sitzt sie das Thema lieber aus“, so Grünen-Politiker Stefan Schmidt.

Zwar wurde das Thema in Sitzungen besprochen. Die BaFin forderte die betroffenen Banken auch auf, die Missstände zu beheben. Und ab 2016 stellte die BaFin auch eigene Ermittlungsmaßnahmen an.

Aber Maßnahmen des kollektiven Verbraucherschutzes wurden nicht aufgegriffen. Entsprechende Anhaltspunkte für eine größere Anzahl fehlerhafter Zinsberechnungen hätten nicht vorgelegen. Auf Basis der zwischenzeitlich ergangenen Medienberichte und Gerichtsurteile könne dies allerdings anders aussehen.

Was ist wann passiert?

So gab es in 2017 eine Marktuntersuchung der Bundesregierung, die über Missstände bei der Berechnung der Zinsen berichtete. Unter anderem wurde Folgendes beanstandet:

  • Der variable Zins war nicht an den Referenzzins gekoppelt.
  • Es gab keinen festen Überprüfungszeitpunkt für die Zinsanpassung.
  • Es fehlten Angaben zu einer Grenze, ab der der Vertragszins angepasst werden kann.
  • Banken konnten den Zins nach eigenem Ermessen senken.

Darüber hinaus schrieb der Verein LIQUIKON am 24.1.2016 einen offenen Brief an die BaFin. Darin warf er der BaFin vor, fehlerhafte Zinsberechnungen durch Banken zu ignorieren. Der Verein bietet „Hilfe für Banken-und Sparkassengeschädigte“ an.

Des weiteren übermittelte der Marktwächter Finanzen der BaFin im November 2015 eine Sonderuntersuchung zu dem Thema „Transparenz bei der Werbung für Dispositionskredite im Internet“. Hier sah die Bundesregierung die Landesbehörden zuständig. Falsche Zinsanpassungsklauseln sprachen die Marktwächter erst im September 2018 an. Hinter dem Marktwächter Finanzen stehen die Verbraucherzentralen.

Trotz der Vorkommnisse sah die Bundesregierung in einer Anfrage in 2017 keinen Handlungsbedarf bei der Stärkung der Aufsicht über Zinsberechnungen. Damals lautete die Antwort: Verbraucher mögen sich bitte an Sachverständige und Verbraucherzentralen richten.

Systematisches Fehlverhalten: BaFin kann eingreifen

Wie die BaFin selbst schreibt, kann sie durch Beschwerden „wichtige Erkenntnisse zu Mängeln erhalten, die möglicherweise für die Aufsicht (…) bedeutsam sind.“ Sie kann zwar den konkreten Einzelfall nicht rechtsverbindlich klären, also zum Beispiel ausstehende Zinsforderungen zur Auszahlung veranlassen.

Aber sie kann Maßnahmen des kollektiven Verbraucherschutzes ergreifen, wenn sich „Anhaltspunkte für systematisches Fehlverhalten zum Nachteil einer Vielzahl von Kunden ergeben“. Ob das der Fall ist, mache sie vor allem an einer Auswertung von Beschwerden seitens der Verbraucher fest. Diese entsprachen in der Vergangenheit nicht annähernd den Anfragen an die Verbraucherzentralen.

Wie beschwert man sich?

Eine Beschwerde ist rechtlich gesehen eine Petition. Die Beschwerde muss per Post, Fax oder E-Mail bei der BaFin eingehen. Die Adressen erhalten Sie hier. Die Beschwerde muss Folgendes enthalten:

  • Ihren Namen und Ihre Anschrift
  • Name und Anschrift der Sparkasse
  • Art der Geschäftsverbindung wie Depot, Girokonto, Sparvertrag
  • Konto- beziehungsweise Kundennummer
  • Sachverhalt und Grund des Anliegens
  • Ihre Unterschrift.

Hilfreich können Kopien der Unterlagen sein wie Verträge, Abrechnungen und Schriftwechsel mit der Bank. (mit Material von dpa)



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion