Windenergie: Nabu warnt Überlastung in Nord- und Ostsee

Ja, aber - im Prinzip unterstützt der Naturschutzbund den Ausbau der Windenergie auf See. Doch was die Politik als Klima-Offensive verkauft, ist für die Umweltschützer eine Zwickmühle. Der Nabu-Experte Kim Detloff fordert Augenmaß.
Titelbild
Windkraftanlagen im Offshore Windpark „Nordsee-Ost“.Foto: Daniel Reinhardt/dpa/dpa
Epoch Times19. Oktober 2019

Beim Ausbau der Windkraft auf Nord- und Ostsee drohen die Risiken für die Umwelt nach Ansicht des Naturschutzbunds (Nabu) in den Hintergrund zu geraten.

„Ich habe das Gefühl, die Windindustrie und Teile der Politik möchten einen Freifahrtschein haben“, sagte der Nabu-Meeresschutzexperte Kim Detloff der Deutschen Presse-Agentur. Angesichts neuer Ausbauziele sei die Gefahr groß, dass jetzt Schnelligkeit vor Qualität gehe und Windparks an der falschen Stelle gebaut werden. „Die Energiewende ist kein Konjunkturprogramm für klamme Werften und Küstenländer.“

Die norddeutschen Bundesländer und der Bund hatten Anfang Oktober angekündigt, dass die installierte Leistung der Offshore-Windenergie von derzeit rund 7 Gigawatt bis 2030 auf bis zu 20 Gigawatt steigen soll. Der Nabu hat sich zusammen mit anderen Umweltverbänden hinter dieses Ziel gestellt, allerdings nur im Rahmen der ökologischen Tragfähigkeit.

Vor allem Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Olaf Lies erhöhte das Tempo: Seinen Angaben zufolge könnten 2023 die Ausschreibungen für die zusätzlich anvisierte Leistung beginnen und 2027 der Bau der Anlagen starten. Perspektivisch sei sogar ein Potenzial von 50 Gigawatt in der deutschen Nordsee denkbar, sagte der SPD-Politiker. Schließlich seien Erneuerbare Energien auch ein Wirtschaftsmotor.

Detloff fehlt angesichts solcher Ankündigungen das Augenmaß: „Manchmal wünsche ich mir, dass unter anderem Herrn Lies in Niedersachsen mal jemand auf die Füße tritt und sagt: Sie sind Umweltminister und nicht mehr Wirtschaftsminister.“ Wie viele Windkraftanlagen Nord- und Ostsee vertragen können, lasse sich heute noch nicht sagen. Das werde aktuell untersucht, sagte Detloff. Bei Szenarien von 50 Gigawatt oder noch mehr habe man jedoch „Industrieparks, aber keine gesunde Natur mehr vor der Haustür“.

Seitens der Politik wird der Offshore-Ausbau als wichtiger Baustein für den Klimaschutz gesehen. „Wir machen das, damit wir die Energiewende umsetzen können und Klimaschutzziele erreichen“, sagte Lies. Die Bundesregierung will den Ökostrom-Anteil in Deutschland von bisher knapp 40 Prozent bis zum Jahr 2030 auf 65 Prozent erhöhen. Darüber hinaus schaffe die Offshore-Windkraft Wertschöpfung und Arbeitsplätze an den Küsten.

Detloff warnte aber davor, Klimaschutz und Artenschutz gegeneinander auszuspielen. Schutzgebiete für einzelne Arten seien durch die Windkraft auf dem Meer bereits unbrauchbar geworden. In der Deutschen Bucht zum Beispiel seien dadurch zwei Drittel eines Vogelschutzgebiets beeinträchtigt.

„Wahrscheinlich ist es naiv zu denken, dass die Natur nicht auch einen Preis zahlen muss für den Klimaschutz“, räumte der Nabu-Experte ein. „Aber wir müssen die Auswirkungen minimieren.“

Nord- und Ostsee gehe es schon heute schlecht. Daher müsse man hinterfragen, wie viel Belastung die See insgesamt vertrage. „Wenn die Energiewende uns am wichtigsten ist, dann müssen bitte im Gegenzug andere Nutzungen, die Fischerei, die Schifffahrt und der Rohstoffabbau zurückstehen und stärker reguliert werden, um die Natur nicht zu überlasten“, forderte Detloff. (dpa)



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