Wirtschaftsforscher: Ausbreitung des Coronavirus kann deutsche Wirtschaft beeinträchtigen

Eine vorübergehende Stilllegung von Fabriken in China kann die "globalen Wertschöpfungsketten" beeinträchtigen, erklärt Marcel Fratzscher, Präsident des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Deutsche Unternehmen importierten "mehr als die Hälfte des Wertes ihrer Exporte", rund 5.200 deutsche Unternehmen mit 1,1 Millionen Arbeitsplätze sind in China aktiv.
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Auch wenn sich die Situation nicht so besorgniserregend wie beim SARS-Virus entwickeln sollte, raten Wirtschaftsforscher zu Vorsicht. Denn China sei heute größer und weltwirtschaftlich stärker integriert. Eine Ausbreitung kann Folgen auf die Weltwirtschaft haben.Foto: AFP/AFP/GettyImages
Von 30. Januar 2020

Sollte sich der Coronavirus insbesondere in China weiter ausbreiten, rechnet Marcel Fratzscher, Präsident des DIW, mit wirtschaftlichen Folgen in drei Bereichen.

Bei weiterer Verbreitung: Wertschöpfungsketten, Investitionen und Kreditvergaben beeinträchtigt

Zum einen könnte eine vorübergehende Stilllegung von Fabriken die „globalen Wertschöpfungsketten“ beeinträchtigen. Deutsche Unternehmen importierten „mehr als die Hälfte des Wertes ihrer Exporte“. Für die Produktion nötige Vorleistungen aus China und anderen Ländern könnten nicht genügend importiert werden, sagt Fratzscher.

Laut Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, hätten chinesische Unternehmen bereits reagiert – zum Beispiel Dienstreisen durch Telefonkonferenzen ersetzt und Pläne entworfen, wie sie mit weniger Personal produzieren können.

Ob und inwiefern auch langfristig aufgebaute Lieferketten betroffen sind, ist derzeit noch nicht absehbar,“ sagt Wansleben.

Zweitens könnte sich die Investitionstätigkeit von Unternehmen und die Kreditvergabe seitens der Finanzinstitutionen reduzieren, so Fratzscher weiter. Denn der Coronavirus erzeuge erhöhte Unsicherheit. „Vor allem deutsche Unternehmen sind stark gegenüber China exponiert. Allein die vier großen deutschen Autobauer Audi, VW, Daimler und BMW erzielen mehr als ein Drittel ihrer Gewinne in China.“

Wansleben: Bei weiterer Verbreitung erhebliche Ausstrahlung auf Welthandel möglich

Martin Wansleben ergänzt, dass sich das Handelsvolumen China-Deutschland auf rund 200 Milliarden Euro pro Jahr belaufe. Rund 5.200 deutsche Unternehmen mit 1,1 Millionen Arbeitsplätze seien in China aktiv. Die Zahlen wurden nicht verifiziert.

Wansleben befürchtet im Fall einer weiteren Ausbreitung des Virus ebenfalls eine „erhebliche Ausstrahlung auf den Welthandel […] und nicht nur [auf] den bilateralen Handel zwischen China und Deutschland.“ Der Sars-Virus habe die chinesische Wirtschaftsleistung um mehr als 1 Prozent und die Weltwirtschaft um 0,6 Prozent nach unten getrieben. „An der Börse und beim Ölpreis gab es bereits erste Reaktionen nach unten“, so Wansleben weiter.

Tourismus-Branche könnte leiden

Fratzscher dritte Prognose ist, dass die Nachfrage der Konsumenten nach Konsumgüter und Reisen „deutlich sinken“ könnte. Dass auch deutsche Unternehmen betroffen sein könnten, mache der Flugstopp mit China in beide Richtungen deutlich. Bis zum 9. Februar sollen die Flüge ausgesetzt werden.

Wansleben zufolge treffe das von Peking ausgesprochene Pauschalreisen-Verbot den wichtigen „Deutschland-Tourismus“. In 2018 übernachteten nach Angaben der Deutschen Zentrale für Tourismus drei Millionen Reisende mit einem chinesischen Pass in deutschen Gastgewerben. Das Tourismusgewerbe erzielte mit chinesischen Touristen einen Jahresumsatz von sechs Milliarden Euro.

Vorsicht geboten – andere Situation als bei Sars-Virus

„Es ist noch deutlich zu früh, um eine seriöse Analyse über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus erstellen zu können“, so Fratzscher.

Wenn die Verbreitung in China und dem Rest der Welt eingeschränkt werden könne, würden sich die finanziellen Folgen auf einen „kurzfristigen Produktionsausfall“ in China beschränken.

Auch wenn sich die Lage nicht so „besorgniserregend“ wie während des Sars-Virus entwickeln sollte, rät Fratzscher dennoch zur Vorsicht.

Die chinesische Volkswirtschaft ist heute gut dreimal größer und sehr viel stärker in die Weltwirtschaft integriert als im Jahr 2003. Die negative Reaktion der Finanzmärkte zeigt, dass Wirtschaft und Investoren diese Sorgen und Risiken sehr ernst nehmen.“

Das Coronavirus breitet sich weiter aus. Die Weltgesundheitsorganisation will am Donnerstag erneut über die mögliche Ausrufung eines internationalen Gesundheitsnotfalles beraten.

(Mit Material von AFP)



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