Globale Studie zur (Über)Sterblichkeit in der Corona-Pandemie

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In Deutschland starben 2020 mehr Menschen als im Vorjahr. Eine dramatische Übersterblichkeit wie in anderen Ländern gab es jedoch nicht.Foto: Thomas Frey/dpa/dpa
Epoch Times4. August 2021

Durch den Aufbau der aktuell größten Sammlung weltweiter Sterbedaten hat ein deutsch-israelisches Forscherteam die Übersterblichkeit in der COVID-19-Pandemie über 103 Länder in vergleichbarer Form aufbereitet. Diese Arbeit lasse „ein Bild der Lage unabhängig von der Corona-Teststrategie und -kapazität, den gemeldeten Infektionszahlen oder auch der Berichtspolitik eines Landes zu“, so die Forscher in einer Pressemitteilung der Uni Tübingen.

In ihrer in „eLife“ veröffentlichten peer-reviewten Studie berichten Dr. Dmitry Kobak vom Forschungsinstitut für Augenheilkunde der Universität Tübingen und Ariel Karlinsky von der Hebräischen Universität Jerusalem von extremen Unterschieden. Während die Todeszahlen in einigen lateinamerikanischen Ländern in der Pandemie um mehr als die Hälfte stiegen, starben in Australien und Neuseeland sogar weniger Menschen als in vergleichbaren Zeiträumen vor der Pandemie.

Übersterblichkeit in Deutschland?

Der Studie zufolge lag die Übersterblichkeit in Deutschland in der Pandemie bisher bei rund 40.000 Verstorbenen. „Das sind viel weniger als die 90.000 offiziell gemeldeten Toten durch [an und mit] COVID-19“, sagt Kobak. Wahrscheinlich seien die Sterbezahlen bei anderen Atemwegserkrankungen während der Wintermonate gesunken. Etwas weniger als die Hälfte der zusätzlichen Todesfälle sei durch die Altersstruktur bedingt. Der Rest ließe sich auf besondere Bedingungen zurückführen.

Neben COVID-19 – und den Maßnahmen – darf man dabei jedoch auch die gestiegene Selbstmordrate und Hitzewellen im Sommer nicht vergessen. Auch der Schalttag, Ostern und die Zeitumstellung wirken sich auf die Sterblichkeit aus. Hinzu kommen natürliche Schwankungen, denn im Jahr 2019 starben in Deutschland unterdurchschnittlich viele Menschen.

Bei 50 zusätzlichen Toten pro 100.000 Einwohnern habe Deutschland in der Pandemie eine geringere Übersterblichkeit erfahren als umliegende europäische Länder. Während im Westen (Niederlande, Frankreich) und im Süden (Schweiz, Österreich) etwa 100 pro 100.000 Menschen mehr starben als erwartet, stieg der Wert im Osten (Tschechien, Polen) auf über 300 zusätzliche Todesfälle. Im Norden, in Dänemark, lag die „Übersterblichkeit“ bei etwa minus einem Prozent. Ob es derartige Unterschiede auch innerhalb Deutschlands gab, ist aus den Daten nicht ersichtlich.

In Schweden – dem Land ohne Lockdown – lag die Übersterblichkeit mit etwa 90 zusätzlichen Toten zwar über der deutschen, aber unter der von Frankreich oder Österreich.

Öffentlich verfügbare Datensammlung

„Sterbedaten sind unabhängig von zahlreichen anderen Aspekten und dadurch sehr aussagekräftig“, sagte Karlinsky über die Arbeit. „Bis jetzt gab es jedoch keine globale, aktuell gehaltene Sammlung dieser Zahlen.“ Um diese Lücke zu füllen, habe er und Dr. Kobak wöchentliche, monatliche und vierteljährliche Sterbedaten aus 103 Ländern und Regionen gesammelt. Anschließend ermittelten sie daraus die Sterblichkeitsraten der einzelnen Länder während der COVID-19-Pandemie. Außerdem haben sie die Daten im World Mortality Dataset öffentlich verfügbar gemacht.

„Uns hat interessiert, ob eine Übersterblichkeit durch die Pandemie zu verzeichnen war. Und wenn ja, in welchem Umfang – und ob die Zahlen über die Länder hinweg vergleichbar waren“, so Karlinsky. Die Analysen ergaben, dass in einigen der Länder – vor allem Peru, Ekuador, Bolivien und Mexiko – die Übersterblichkeit bei mehr als 50 Prozent der zu erwartenden jährlichen Sterblichkeit lag. Mehr als 400 zusätzliche Tote pro 100.000 Einwohner gab es in Peru (+590), Bulgarien (+460), Nordmazedonien (+420) und Serbien (+400).

Gleichzeitig lag die Sterblichkeit in Ländern wie Australien (−2,5 Prozent), Neuseeland (−5,4 Prozent), Uruguay (−6,3 Prozent) und der Mongolei (ca. −11 Prozent) während der Pandemie unter dem üblichen Level. Die stärkste Untersterblichkeit zeigte sich auf den Seychellen mit minus 20 Prozent. Dort starben 170 pro 100.000 Menschen weniger. In Europa starben in Norwegen (−3,7 Prozent) und Dänemark ohne Grönland (ca. −1 Prozent) weniger Menschen als aufgrund der Vorjahre zu erwarten war. Auf Grönland staben etwa drei Prozent weniger als erwartet.

Die Autoren stellten außerdem fest, dass viele Länder genaue COVID-19-Sterbedaten übermittelten. Andere hingegen – darunter Nicaragua, Weißrussland, Ägypten und Usbekistan – meldeten nach Erkenntnissen der Forscher vermutlich „weniger als ein Zehntel der tatsächlichen Pandemietoten.“

Kein Endergebnis: „Daten können sich noch verändern“

„Insgesamt erhalten wir durch unsere Ergebnisse ein umfassendes Bild der Folgen der COVID-19-Pandemie. Wir hoffen, dass wir so ein besseres Verständnis der Pandemie erlangen und sich der Erfolg verschiedener Eindämmungsmaßnahmen besser erfassen lässt“, sagt Dr. Kobak. Der Datenbestand solle auch anderen Forschern helfen, ihre Fragen zur Pandemie zu beantworten. Aus diesem Grund soll der World Mortality Dataset weiter ausgebaut und laufend aktualisiert werden.

Nach Angaben von Dr. Kobak, liefert auch die Studie kein Endergebnis. „Dieses kann es erst nach dem Ende der Pandemie geben, weil die Daten ständig weiter einlaufen und sich bis beispielsweise Oktober noch etwas verändern kann.“

Die Sterblichkeit könne von vielen Faktoren beeinflusst werden wie großen Hitzewellen, aber eben auch Vorsichtsmaßnahmen während einer Pandemie. Für alle westeuropäischen Länder einschließlich Deutschland liegen Daten für den Zeitraum März 2020 bis Juni 2021 vor. Von März 2020 bis Ende 2020 liegen Daten für fast alle untersuchten Länder vor. (ts)

(Mit Material der Universität Tübingen und dpa)



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