Unter 0,5 oder 1,4 oder 3 Prozent: Verwirrende Zahlen zur Coronasterblichkeit

Ende Februar meldete Statista für Deutschland eine Coronasterblichkeit von 3,02 Prozent, das deutsche Ärzteblatt von 1,4 Prozent und P.A. Ioannidis von der Stanford Universität sprach von unter einem halben Prozent. Die Unstatistik des Monats erklärt, wie diese Unterschiede zustande kommen und worauf man stattdessen achten sollte.
Titelbild
Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen empfiehlt auf nationaler Ebene auf absolute Todeszahlen zu achten - und darauf, wie die Corona-Todesfälle definiert sind. Internationale Vergleiche seien eher interessante Zahlenspielereien denn seriöse Statistiken.Foto: Thomas Frey/dpa/dpa
Epoch Times2. März 2021

Im Jahr 2020 sind mehr Menschen gestorben als in den Jahren zuvor (Epoch Times berichtete). Sicherlich hat auch die COVID-19-Pandemie ihren Teil dazu beigetragen, aber wie hoch ist die Coronasterblichkeit wirklich? „Leider“, so schreibt das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen in der Februar-Unstatistik, „tragen die dazu publizierten Zahlen fast mehr zur Verwirrung als zur Aufklärung des Pandemiegeschehens bei.“

Wie unterschiedlich die Zahlen sind, zeigt ein Blick in die vergangene Woche. Das RWI fasst zusammen: „Das Internetportal „Statista“ […] meldet am 23. Februar für Deutschland eine Mortalitätsrate von 3,02 Prozent. Das „Deutsche Ärzteblatt“ dagegen konstatiert eine Rate von 1,4 Prozent, und der bekannte Statistiker P.A. Ioannidis von der US-amerikanischen Stanford Universität beziffert die Corona-Mortalität gar ganz allgemein auf weniger als ein halbes Prozent.“

Coronasterblichkeit = Verstorbene / Lebende?

Ein Teil dieser Verwirrung liege in der Natur der Daten begründet, erklären die Autoren der Unstatistik um RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer. „Zunächst gibt es bei Raten immer einen Zähler und einen Nenner. Im Falle der Corona-Pandemie sind beide Komponenten alles andere als einfach zu messen.“ Weiter heißt es:

Dass etwa der Zähler eigentlich die an Corona und nicht die mit Corona verstorbenen Menschen zählen sollte, ist zwar allgemein akzeptiert, aber nicht durchgehend implementiert.“

So berichtet der „Spiegel“ über Obduktionen in einem Hamburger Krankenhaus, die zeigten, dass selbst bei hochbetagten Patienten rund sieben Prozent der mit Corona Verstorbenen an anderen Ursachen als an Corona verstorben seien. Neben diesen Sterbefällen gehen jedoch auch positiv getestete Personen, die gewaltsam sterben, etwa durch ein Verbrechen oder einen Autounfall, in die Statistik der Corona-Todesfälle ein.

Schwerer wiegt, so das RWI, „dass der Zähler der Mortalitätsrate, wie die Statistiker sagen, eine ‚Flussgröße‘, der Nenner dagegen eine Bestandsgröße ist.“ Dies bringe gewisse technische Probleme mit sich: Die innerhalb eines bestimmten Zeitraums Verstorbenen geteilt durch eine bestimmte Anzahl Menschen an einem bestimmen Tag. – Aber in welchem Zeitraum? Welche Menschen und an welchem Tag? Alle Menschen eines Landes insgesamt, die mit dem Coronavirus Infizierten oder die an Corona tatsächlich auch Erkrankten?

Es gibt deutlich weniger Erkrankte als Infizierte

Nur im ersten Fall dürfe man streng genommen von Mortalität sprechen, andernfalls sei es eine Letalität. Das Auseinanderhalten der beiden letzten Gruppen – Infizierte und Erkrankte – ist dabei ebenfalls nicht einfach. Nur etwa jeder dritte von dem Coronavirus befallene Mensch entwickelt laut RWI auch einschlägige Symptome. Bei den anderen halte das körpereigene Immunsystem den Eindringling in Schach.

Dem Gegenüber steht die Zählweise des Robert Koch-Instituts, das alle labordiagnostischen Nachweise von SARS-CoV-2 unabhängig von klinischen Symptomen als COVID-19-Fälle wertet. Eine Erfassung der tatsächlich Erkrankten findet dabei nicht statt. (Epoch Times berichtete)

Auf diese Weise gingen dann auch Unfallopfer oder Gebärende, die beim Betreten des Krankenhauses standardmäßig auf Corona getestet werden, auch ohne krank zu sein in die Zahl der Coronakranken ein. „Damit geben die RKI-Daten für keine der fallbasierten Definitionen des Zählers verlässliche Zahlen ab“, schlussfolgert das RWI.

Zusätzlich müsse man zwischen „Fall-Verstorbenen-Anteil“ (Case Fatality Rate, CFR) und „Infizierten-Verstorbenen-Anteil“ (Infection Fatality Rate) unterscheiden. Erstere setzt die Verstorbenen in Bezug zu den bestätigten Fällen. Letztere berücksichtigt auch die Dunkelziffer der klinisch relevanten, aber nicht diagnostizierten Fälle. Bezüglich CFR findet zudem eine weitere Unterscheidung statt: Ob nur tatsächlich Erkrankte oder auch bestätigte Infektionen ohne Symptome eingehen. Das RWI warnt:

Im Medienalltag werden diese unterschiedlichen Berechnungsweisen jedoch oft in einen Topf geworfen, mit deutlichen Konsequenzen. Teilt man etwa im Extremfall die Zahl der Verstorbenen statt durch die Zahl der gemeldeten Erkrankten durch die Zahl der Infizierten, ob gemeldet oder nicht, sinkt die Mortalitätsrate auf ein Drittel des Wertes.“

Coronasterblichkeit hängt auch von Zeitspanne und Bevölkerung ab

Bei der Zahl der Verstorbenen kommt es, laut RWI, ferner auf die Zeitspanne an, über die man die Verstorbenen zählt: ein Tag, eine Woche, ein Monat, der komplette Zeitraum seit Beginn der Pandemie? Oder idealerweise die Zeitspanne zwischen Infektion und Entscheidung „Überleben ja oder nein“?

Je nach Auswahl der Größen können sich dabei „sehr unterschiedliche Raten“ ergeben. Beispiel des RWIs: „Das Statistische Bundesamt zum Beispiel zählt die Zahl der Verstorbenen seit Beginn der Pandemie, und teilt durch die Bevölkerung an einem bestimmten Tag. Auf diese Weise erhält man theoretisch, bei einer Zählweise über Jahre hinweg, sogar Mortalitätsraten von über 100 Prozent.“

Doch selbst „wenn man sich bei Zähler und Nenner auf eine einheitliche Vorgangsweise verständigen könnte, bliebe noch eine unterschiedliche Bevölkerungsstruktur, die etwa einen sinnvollen Vergleich über Länder hinweg sehr erschwert“, erläutern die RWI-Autoren.

So seien etwa US-Amerikaner im Durchschnitt sechs Jahre jünger als Deutsche, mit einem Anteil an über 80-Jährigen von knapp vier Prozent, verglichen mit fast sechs Prozent in der Bundesrepublik. Vor allem in dieser Altersklasse stelle Corona jedoch eine große Bedrohung dar. Ein direkter Vergleich der von „Statista“ gemeldeten US-Mortalitätsrate von 1,77 Prozent und den bundesdeutschen 3,02 Prozent wird damit deutlich erschwert.

Empfehlung des RWI: Darauf achten, wie Corona-Todesfälle definiert sind

„Für sinnvolle Vergleiche über Raum und Zeit hinweg braucht man also eine Standard-Altersstruktur“, schließt das RWI. Auf diese Weise habe P.A. Ioannidis ausgehend von den Coronatodesfällen auf dem Kreuzfahrtschiff „Diamond Princess“ und anderen Statistiken seine bekannte Mortalitätsrate von weniger als einem halben Prozent für die Standard-Bevölkerung extrapoliert. Aber auch hier bleibt offen, welche Standard-Bevölkerung man nimmt.

Das Fazit der Unstatistik-Autoren lautet daher:

„Auf nationaler Ebene auf die absoluten Todeszahlen achten (und darauf, wie die Corona-Todesfälle definiert sind), und internationale Vergleiche eher als interessante Zahlenspielereien denn als seriöse Statistiken verstehen.“ (ts)

(Mit Material des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen)



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