„Von Kartoffeln und Kanaken“: Lehrerin provoziert mit Buch über Integration

Eine Lehrerin schreibt ein Buch über das Scheitern von Integration im Schulalltag. Ihr Bericht ist provokant - aber trifft auf Zustimmung.
Titelbild
Julia Wöllenstein ist Lehrerin und Autorin des Buches «Von Kartoffeln und Kanaken».Foto: Dennis Blechner/dpa
Epoch Times18. April 2019

Sie befürwortet ein Kopftuchverbot an Schulen, kritisiert einen „Söhnchenkult“ muslimischer Familien und spricht von „falscher Toleranz“: Die Kasseler Lehrerin Julia Wöllenstein hat schon vor Erscheinen ihres Buches „Von Kartoffeln und Kanaken“ für Schlagzeilen gesorgt.

Seit Mittwoch ist es nun erhältlich und zeigt: Zur Galionsfigur für rechte Kritik an verfehlter Integrationspolitik taugt die 43-Jährige nicht. Politisch setzt sie sich bewusst zwischen alle Stühle.

Wöllenstein ist Lehrerin an einer Gesamtschule. Nur 3 von 20 Schülern ihrer Hauptschulklasse hätten keinen Migrationshintergrund, sagt sie. Die dreifache Mutter ist in keiner Partei oder Gewerkschaft. „Eigentlich bin ich ein unpolitischer Mensch.“ Doch nach einer ZDF-Reportage über ihren Berufsalltag kam ein Münchner Verlag auf sie zu. So entstand das Buch mit dem Titel „Von Kartoffeln und Kanaken. Warum Integration im Klassenzimmer scheitert. Eine Lehrerin stellt klare Forderungen“.

Der Titel ist eine Anspielung auf Berichte, wonach sich Spieler der Fußballnationalmannschaft mit und ohne Migrationshintergrund sich gegenseitig als „Kartoffeln“ und „Kanaken“ verspottet hätten. Für Wöllenstein berührt das eine wichtige Frage: „Wann ist man wirklich integriert: Wenn man sich als „Kartoffeln“ und „Kanaken“ beschimpft oder wenn man bei „Idiot“ und „Blödmann“ ist?“ Ihre Meinung: Solche Begriffe ziehen immer Trennlinien.

Im Buch beschreibt die 43-Jährige eigene Erlebnisse, wie sie sagt: muslimische Familien, die ihre Söhne zu kleinen Paschas erziehen und jeden Versuch einer Verhaltenskorrektur untergraben; Kinder, die im Ramadan Mitschüler auffordern, Brot und Getränke wegzupacken; die „Dauerschleife Hurensohn“, durch die Streitereien bei Beleidigung der Mutter automatisch eskalieren. Wöllenstein betont:

In Schul-Einzugsgebieten mit besonderen Herausforderungen, in denen wir vermehrt Familien mit Migrationshintergrund und bildungsferne Familien finden, ist das unser Alltag.“

Der muslimische Glaube sei nicht Ziel ihrer Kritik. „Es geht um patriarchalische Strukturen, die nicht in ein demokratisches System passen“, sagt sie. Diese Strukturen fänden sich aber oft in muslimischen Familien. Von der Gesellschaft fordert sie, solchen Auswüchsen konsequent entgegenzutreten:

Ich stehe in der Mitte der Gesellschaft und glaube, dass uns falsche Toleranz nicht weiterbringt.“

Wöllenstein plädiert beispielsweise für ein Kopftuchverbot an Schulen. Wenn das Kopftuch schon in jungen Jahren angelegt werde, verändere sich die Wahrnehmung der Mädchen, und die eigene Unfreiheit werde zur Normalität. Die Zuwanderung stellt sie nicht infrage: „Wir brauchen diese Kinder dringend als Teil der Gesellschaft.“

Zentral ist für Wöllenstein eine Forderung: die Abschaffung des konfessionellen Religionsunterrichts. „Wollen wir in 20 Jahren wirklich da sein, dass jede religiöse Gruppierung ihren eigenen Religionsunterricht an Schulen hat?“, fragt Wöllenstein. Damit vertue man eine große Chance, Kinder über Religion ins Gespräch zu bringen. „Statt Religionsunterricht sollten wir ein Fach wie „Werte und Normen in meiner Klasse“ einführen.“

Auch beim Schulsystem plädiert Wöllenstein für Integration und Inklusion statt Separation – weg vom Unterstufengymnasium, hin zur integrierten Gesamtschule.

Denn das ist die einzige Schulform, in der Kinder bis zur neunten Klasse gemeinsam lernen.“

Bei der Bildungsgewerkschaft GEW stoßen solche Forderungen auf Zustimmung. „Alle Maßnahmen, die dazu führen, dass Chancengleichheit und Bildungsmöglichkeiten für alle unabhängig von Hautfarbe und Herkunft erhöht werden, sind der richtige Weg“, sagt Hessens GEW-Vorsitzende Maike Wiedwald. Wöllensteins Schilderungen über Integrationsprobleme wolle sie nicht widersprechen: Es könne durchaus sein, dass Lehrer das so wahrnehmen.

Das hessische Kultusministerium erklärt, dass Integration keine Aufgabe sei, die nur von Schulen übernommen werden sollte, sondern vielmehr auch von der Gesellschaft.

Frau Wöllenstein beschreibt in ihrem Buch einen gewissen Rückzug der Gesellschaft und der Eltern der Kinder aus der Integrations- und Erziehungsverantwortung“, sagt Ministeriumssprecher Philipp Bender.

Dabei sei Schule vorrangig ein Ort der Bildung und nur zweitrangig ein Ort der Erziehung. Diese sollte primär im Elternhaus stattfinden.

Dass und wie sich die Lehrerin äußert, ist laut Kultusministerium kein Problem. Es stehe Lehrkräften in Hessen frei, sich als Privatperson zu bildungspolitischen Themen zu äußern. „Diese Ansichten müssen keinesfalls immer deckungsgleich mit denen des Kultusministeriums beziehungsweise des Dienstherrn sein.“ (dpa)



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