Autonome Waffensysteme: Experten warnen vor Kontrollverlust
Forscher haben im Bundestag vor einem Kontrollverlust und einem neuen Wettrüsten durch die zunehmende Automatisierung von Waffen gewarnt.
Bis zu autonomen Waffensystemen (AWS), die selbstständig, lernend und ohne Kontrolle von Menschen agieren, ist es jedoch noch ein weiterer Weg, wie ein Bericht deutlich macht, den Wissenschaftler und Politiker im Ausschuss für Technikfolgenabschätzung diskutierten. Mehrere Experten sprachen sich dafür aus, Bemühungen für internationale Übereinkünfte zur Begrenzung der neuen Techniken voranzubringen.
„Robotische Waffensysteme, die ohne menschliches Zutun Ziele auswählen und bekämpfen können, waren vor nicht allzu langer Zeit ausschließlich in der Domäne der Science-Fiction beheimatet“, hieß es in dem Bericht. „Die enormen technologischen Fortschritte, die in den letzten Jahren in den Bereichen der Robotik und der künstlichen Intelligenz (KI) erzielt wurden, haben diese Vorstellung autonom agierender Waffen nun an die Schwelle zur konkreten Umsetzung gerückt.“
Der Forscher Frank Flemisch vom Fraunhofer-Institut für Kommunikation führte ein Video vor, auf dem von amerikanischen F-18-Kampfflugzeugen Drohnen abgesetzt werden, die Ziele wie ein Schwarm großer Hornissen bekämpfen – und auch einen vergleichbaren Klang verbreiten. Er bezeichnete autonom agierende Waffensysteme als disruptive Technik. Er verwies auf Warnungen, dass die Büchse der Pandora zu schnell geöffnet werden könnte. Zugleich befürchte die Bundeswehr, von der Technologie möglicher Gegner überwältigt zu werden. Für den Bereich von Cyber-Angriffen sei durchdekliniert worden, ob man nur defensiv arbeiten könne. Allerdings sei festgestellt worden, dass man dann sehr schnell „mit dem Rücken zu Wand“ stehe – und bei autonomen Waffensystemen sei die Lage vergleichbar.
Gründe für den Einsatz könne die schnellere Reaktionszeit von Maschinen ohne Fernsteuerung sein oder auch die Einsparung von Personal, sagte Jürgen Altmann, Physiker und Friedensforscher an der TU Dortmund. Schwärme aus möglicherweise Tausenden Drohnen könnten zudem eine Verteidigung „sättigen“, also überfordern. „Hauptakteure sind die USA, Russland und China, die sich gegenseitig intensiv beobachten“, sagte er. Die Weltgemeinschaft stehe vor folgender Frage: „Was hat Priorität, die eigentliche militärische Stärke oder die internationale Sicherheit.“
„Autonome Waffensysteme im strengen Sinne des Wortes, also bewaffnete unbemannte Plattformen, die fähig sind, im Kampfeinsatz in einer komplexen, dynamischen Umgebung ohne jegliche menschliche Kontrolle zielgerichtet zu agieren, gibt es noch nicht“, heißt es in dem Bericht. „Allerdings sind in verschiedenen Waffengattungen bereits bewaffnete unbemannte Systeme einsatzreif, die über einen relativ weitreichenden Grad an Automatisierung bzw. Autonomie verfügen und deshalb als Vorläufer von AWS klassifiziert werden können.“
Johanna Polle vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) warnte vor menschlichem Kontrollverlust. Es drohe ein neues Wettrüsten und eine zunehmende Beschleunigung der Kriegsführung ohne Bedenkzeit für Entscheidungen.
Anja Dahlmann, Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), beleuchtete den Stand von Regulierungsbemühungen und die Bedeutung, die der Mensch bei der Zielauswahl haben sollte. „Wie setzen wir menschliche Kontrolle in einem Verbotsvertrag oder Gebotsvertrag um?“, fragte sie. Russland lehnt jede Regulierung ab, auch die USA stehen dem kritisch gegenüber, wie sie sagte. Großbritannien und Frankreich seien gegen eine Regulierung. Für ein Verbot seien Österreich als einziges EU-Land sowie Staaten aus Afrika und Lateinamerika, die auf absehbare Zeit keine eigenen Systeme entwickeln würden. China arbeite mit einer komischen Definition und arbeite gleichzeitig an den neuen Waffensystemen.
Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr München machte die Komplexität im automatisierten Verbund moderner Waffensysteme vom Aufklärungsflugzeug bis zur Rakete, die dann von einem Schiff abgefeuert werde, deutlich. Es gebe deswegen nicht ein bestimmtes, einzelnes Waffensystem, das man verbieten könne. Vielmehr gehe es um die Bestimmung des Verhältnisses von Mensch und Maschine im Militär. „Die Devise kann nicht lauten: ban killer robots, außer als Slogan“, warnte er. Ziel der Regulierung müsse es sein, den Menschen weiter sinnvoll am Einsatz von Waffen zu beteiligen. „Rüstungskontrolle dient der nationalen Sicherheit“, sagte er. (dpa)
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