Beethoven: Forscher lüften Geheimnis um sein Leben und seinen Tod

Eine neue Studie gibt Einblick in die Krankheiten des Komponisten Ludwig van Beethoven, seiner möglichen Todesursache – und die Existenz eines unehelichen Kindes.
Ludwig van Beethoven
Das Beethovendenkmal auf dem Münsterplatz in Bonn.Foto: iStock
Von 29. März 2023

Ludwig van Beethoven gilt als einer der bekanntesten deutschen Komponisten, der die Wiener Klassik prägte wie kein anderer Musiker. Viele seiner Werke wie die 5. Sinfonie, die Mondscheinsonate oder die Ode an die Freude begeistern noch heute – über 250 Jahre später – Menschen überall auf der Welt. Die Liste seiner Werke ist lang, genauso wie die seiner Leiden.

„Das beste, um an dein Übel nicht zu denken, ist Beschäftigung“, soll der Komponist einst gesagt haben. Dass mit seiner Gesundheit etwas nicht stimmte, wusste er schon einige Jahre seines Lebens.

Bisher war bekannt, dass Beethoven 1802 einen Brief an seine Brüder verfasste. Darin bat er sie, dass ein Arzt nach seinem Tod seine Krankheiten untersuche und das Ergebnis schließlich publik gemacht werden solle. Bis heute herrscht jedoch Unklarheit über den Gesundheitszustand und die Todesursache des Bonner Komponisten, da die Aufzeichnungen des Arztes nie gefunden wurden.

Um mehr über seine Krankheiten und die Todesursache herauszufinden, führte nun ein internationales Forschungsteam genetische Untersuchungen durch. Dabei stießen die Forscher nicht nur auf eine mögliche Todesursache, sondern auch auf ein Merkmal, das Fragen zu Beethovens Abstammung aufwirft.

Haarfeine Angelegenheit

Im Rahmen ihrer Forschung untersuchten Genetiker die DNA von fünf Haarsträhnen. Diese sollen alle von Beethoven stammen und während seiner letzten sieben Lebensjahre gesammelt worden sein. Tatsächlich stammen alle fünf Haarsträhnen von einer einzigen Person. Die genetischen Daten dieser Person weisen zudem auf eine Herkunft hin, die mit der historisch gut erforschten Herkunft Beethovens übereinstimmt. Auf dieser Grundlage kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass diese fünf Locken „mit ziemlicher Sicherheit authentisch“ sind.

Das Hauptziel der Studie war vor allem, neue Erkenntnisse über Beethovens Gesundheitsprobleme zu erlangen. Dazu zählte sein bekannter und immerwährend fortschreitender Hörverlust, der in einem Alter von etwa 25 bis 29 Jahren einsetzte. Bis 1818 verschlimmerte sich dieser so weit, dass der Komponist de facto taub war. Weiterhin untersuchte das Team mögliche genetische Ursachen für Beethovens chronische Magen-Darm-Beschwerden und die schwere Lebererkrankung, die 1827 zu seinem Tod geführt haben soll.

Schon in seinen Bonner Jahren litt der Komponist unter „elenden“ Magen-Darm-Beschwerden, die sich in Wien fortsetzten und verschlimmerten. Im Sommer 1821 erlitt Beethoven das erste Mal eine Gelbsucht, an der er mindestens ein weiteres Mal in seinem Leben erkrankte. Die gilt seit Langem als die wahrscheinlichste Ursache für seinen Tod im Alter von 56 Jahren.

Tödlicher Mix: Hepatitis-B und Alkohol

Tatsächlich konnten die Forscher jedoch keine genetischen Ursachen für Beethovens Taubheit oder seines Magen-Darm-Problems feststellen. „Obwohl keine eindeutige genetische Ursache für Beethovens Schwerhörigkeit identifiziert werden konnte, kann man eine solche auch nicht völlig ausschließen“, so Axel Schmidt vom Universitätsklinikum Bonn. Eine mögliche Gluten- und Laktoseintoleranz schlossen die Forscher als Ursache für die Magen-Darm-Probleme aus.

Stattdessen entdeckten sie jedoch eine Reihe von bedeutenden genetischen Risikofaktoren für eine Lebererkrankung und den Hinweis auf eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus. An Letzterer erkrankte der Komponist nur wenige Monate vor seinem Tod.

„Beethovens Konversationshefte, die er im letzten Jahrzehnt seines Lebens benutzte, legen die Vermutung nahe, dass er sehr regelmäßig Alkohol konsumierte. Die genauen Mengen einzuschätzen, bleibt aber schwierig. Auch wenn die meisten seiner Zeitgenossen behaupten, sein Alkoholkonsum sei für Wiener Verhältnisse des frühen 19. Jahrhunderts mäßig gewesen, gibt es auch Quellen, in denen sich andere Aussagen dazu finden. Unserer Einschätzung nach dürfte es sich immer noch um Alkoholmengen gehandelt haben, von denen man heute weiß, dass sie für die Leber schädlich sind“, erklärt Tristan Begg von der Universität Cambridge und Hauptautor der Studie.

Laut den Forschern könnte die Hepatitis-B-Infektion auch eine Mitursache für die schwere Lebererkrankung des Komponisten gewesen sein. Zusammen mit dem Alkoholkonsum und seiner genetischen Veranlagung zum fortschreitenden Leberversagen könnte diese zum Tod geführt haben. Wie sich Beethoven mit dem Hepatitis-B-Virus infizierte und wie lange diese Infektion bestand, ist nicht bekannt.

Doch keine Bleivergiftung

Während ihrer Studie entdeckte das Forschungsteam zudem, dass einst zwei Haarproben fälschlicherweise dem Bonner Komponisten zugeschrieben wurden. Eine von ihnen ist die berühmte „Hiller-Locke“, benannt nach dem 15-jährigen Musiker Ferdinand Hiller. Dieser soll angeblich die besagte Locke kurz nach dem Tod von Beethoven abgeschnitten haben.

Anhand früherer Analysen dieser Locke wurde die Theorie aufgestellt, dass Beethoven an einer Bleivergiftung gelitten haben soll. Diese soll schließlich zu seinen gesundheitlichen Beschwerden – einschließlich des Hörverlusts – geführt haben. Tatsächlich fußt diese Annahme auf einem Betrug.

„Wir wissen jetzt, dass die Hiller-Locke von einer Frau und nicht von Beethoven stammt. Es trifft also keine der früheren Analysen, die ausschließlich auf dieser Haarprobe basieren, auf Beethoven zu. Künftige Studien zur Untersuchung auf Blei, Opiate und Quecksilber müssen auf authentischen Proben basieren“, erklärt William Meredith, Co-Autor der Studie. Eine der fünf echten Locken gab Beethoven selbst im April 1826 dem Pianisten Anton Halm mit den Worten „Das ist mein Haar!“.

Die am besten erhaltene DNA entnahmen die Forscher jedoch aus der „Stumpff-Locke“. Ein Vergleich der DNA-Daten zeigte, dass Menschen aus dem heutigen Nordrhein-Westfalen genetisch die größte Übereinstimmung ergeben – dies deckt sich auch mit Beethovens bekannter Herkunft und der seiner Vorfahren.

Ein uneheliches Kind

In einem weiteren Teil der Studie verglichen die Forscher die DNA von Beethoven mit der seiner noch heute lebenden Verwandten in Belgien. Interessanterweise fanden sich jedoch bei keinem von ihnen eine Übereinstimmung mit dem Erbgut des Komponisten.

Laut genealogischen Studien sollen jedoch einige derer einen gemeinsamen väterlichen Vorfahren mit Beethoven aus den späten 1500er- und frühen 1600er-Jahren haben, wofür es aber keine genetischen Beweise gibt.

Das Forschungsteam kam zu dem Schluss, dass dies wahrscheinlich das Ergebnis von mindestens einem außerehelichen Kind in Beethovens direkter väterlicher Linie war. „Durch die Kombination von DNA-Daten und Archivdokumenten konnten wir eine Diskrepanz zwischen Ludwig van Beethovens rechtlicher und biologischer Genealogie feststellen“, so Maarten Larmuseau von der Universität Leuven.

Die Studie legt nahe, dass dieses Ereignis in der direkten väterlichen Linie zwischen der Zeugung von Hendrik van Beethoven in Kampenhout, Belgien, um 1572 und der Zeugung von Ludwig van Beethoven sieben Generationen später im Jahr 1770 in Bonn stattgefunden hat.

Bereits früher gab es Zweifel, dass Johann van Beethoven der Vater von Ludwig gewesen sein soll, da es keinen derartigen Taufeintrag gab. „Ob Beethoven selbst ein Kuckuckskind war oder sein Vater, Großvater oder Ur-Urgroßvater das Kind einer außerehelichen Beziehung, können wir allerdings nicht sagen“, so der Genetiker Johannes Krause.

Die Studie erschien am 22. März 2023 im Fachblatt „Current Biology“.



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