Einstein hatte recht: Der Kopf altert schneller als die Füße

Die Relativitätstheorie von Albert Einstein besagt, dass schwere Objekte wie die Erde die Zeit durch Gravitation verzerren. Dank Atomuhr konnten Forscher diesen Effekt nun erstmals zwischen einzelnen Atomen nachweisen. Die Zeit verhalte sich dabei wie ein tanzender Stapel Pfannkuchen.
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Undatierte Aufnahme des legendären Physikers Dr. Albert Einstein.Foto: AP/dpa
Von 20. März 2022

Mit Hilfe einer der präzisesten Atomuhren der Welt haben Physiker gezeigt, dass die Zeit in unterschiedlichen Höhen unterschiedlich schnell laufen kann. Bereits ein Höhenunterschied von 0,2 Millimeter kann bewirken, dass die Zeit ein winziges bisschen langsamer läuft. Vereinfacht und überspitzt ausgedrückt: Der Kopf altert schneller als die Füße. Dieses Ergebnis bestätigt erneut die berühmte Relativitätstheorie von Albert Einstein. Sie besagt, dass massive Objekte wie unser Planet den Lauf der Zeit verzerren und verlangsamen können.

„Wir messen eine Veränderung im Ticken einer Uhr auf einer Ebene, die etwas größer ist als ein menschliches Haar“, sagt Tobias Bothwell, Physiker am National Institute of Standards and Technology (NIST).

1915 zeigte Einstein, dass alles, was Masse hat, das Gefüge der Raumzeit verzerrt – ein Effekt, den wir als Schwerkraft erleben. Man kann sich die Schwerkraft so vorstellen, dass sie den Fluss der Zeit bremst. Diese verblüffende Vorstellung führt dazu, dass Uhren, die der Erde näher sind, langsamer gehen als solche, die weiter von ihr entfernt sind. Das ist das Phänomen der sogenannten Zeitdilatation.

Forscher haben bereits gezeigt, dass hochpräzise Atomuhren, die in Flugzeugen mitfliegen, „deutlich“ schneller laufen als die Uhren auf der Erde, wie im Lehrbuch „Experimental Tests of the Nature of Time“ nachzulesen ist. Im Jahr 2010 stellten NIST-Wissenschaftler dann einen neuen Rekord auf, indem sie den Zeitablauf mit zwei Atomuhren auf Aluminiumbasis maßen. Diese standen übereinander und in etwa 33 Zentimeter Entfernung zueinander und bewiesen, dass die höhere Uhr etwas schneller lief, so Bothwell.

Höchste Präzision: Wie ein tanzender Stapel Pfannkuchen

In ihrem jüngsten Experiment verwendeten die Physiker Strontium-87, ein häufig in Atomuhren verwendetes Isotop. Jedes Atom schwingt hin und her und tickt wie das Pendel einer mikroskopischen Standuhr. Die Atome schwingen etwa 500 Billionen Mal pro Sekunde.

Die Strontiumatome waren dabei in Schichten angeordnet, ähnlich wie ein Stapel Pfannkuchen, so Bothwell. Indem sie einen Laser auf die Schichten richteten, konnten er und seine Kollegen messen, wie schnell die Atome in jeder Schicht tickten. „Wenn man von oben nach unten geht, sieht man, wie jede Schicht dank der Schwerkraft ein wenig anders tanzt“, sagte er. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature“.

Mithilfe der Atomschwingungen können die Physiker Sekundenbruchteile mit einer unglaublichen Genauigkeit von 19 Dezimalstellen messen. In dieser Größenordnung lag auch die gemessene Abweichung zwischen den Pfannkuchen. In Zahlen ist das 0,000ˑ000ˑ000ˑ000ˑ000ˑ000ˑ1 – und summiert sich auf etwa 0,014 Sekunden seit Entstehung der Erde vor 4,5 Milliarden Jahren. Obwohl die Unterschiede für den Menschen viel zu gering sind, um sie direkt wahrzunehmen, haben sie erhebliche Auswirkungen auf das Universum und Technologien wie GPS.

Dr. Mukund Vengalattore, ein nicht an der Studie beteiligter Atomphysiker der Cornell University, sagte dazu: „Diese Art von Uhrexperimenten kann Licht auf die Natur der Zeit selbst werfen“. Besonders interessant sei, dass ein und dasselbe Strontiumatom in zwei „Pfannkuchen“ gleichzeitig tanzen kann und es so zu einer Überlagerung von Zuständen kommt.

Wenn sich das Teilchen an beiden Orten gleichzeitig befindet, könnte das Team den Zeitverlauf aufgrund der unterschiedlichen Gravitationskraft messen. Dies sollte letztendlich zeigen, dass „an einem Ende des Teilchens die Zeit mit einer Geschwindigkeit läuft“, so Vengalattore. „Und am anderen Ende läuft sie mit einer anderen Geschwindigkeit.“

Einstein war seiner Zeit voraus

Diese unglaublich bizarre Möglichkeit trifft den Kern des Unterschieds zwischen der Quanten- und der klassischen Welt. Klassische Objekte wie Tennisbälle und Menschen können nicht in Überlagerungen existieren und sich an zwei Orten gleichzeitig befinden. Aber wo der Übergang zwischen Quanten- und klassischer Welt stattfindet, ist unklar. Durch Vergrößerung des Abstands zwischen den Pfannkuchen könnten die Forscher das Teilchen im Wesentlichen immer größer werden lassen. So könnte es möglich sein, festzustellen, wann es sich nicht mehr wie ein Quantenteilchen, sondern wie ein klassisches Teilchen verhält.

Mit derartigen Experimenten könnten Physiker einem lang ersehnten Traum näher kommen: Einer allumfassenden Wissenschaftstheorie, die Einsteins Relativitätstheorie, die das ganz Große beschreibt, mit der Quantenphysik, die das ganz Kleine beschreibt, vereint.

In der Zwischenzeit hat das aktuelle Experiment dem Team geholfen, Wege zur Herstellung von Atomuhren zu finden, die noch präziser sind, so Bothwell. Zukünftige Instrumente könnten dazu verwendet werden, winzige Unterschiede in der Masse der Erde unter ihnen zu messen. Dies würde sich als nützlich erweisen, um Magmaströme in Vulkanen, Veränderungen des Schmelzwassers in Gletschern oder die Bewegung der Platten unseres Planeten zu erkennen, fügte er hinzu.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 36, vom 19. März 2022.



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