Eis in der Antarktis um 5.000 Quadratkilometer gewachsen

Entgegen allen Warnungen wächst das Eis der Antarktis stetig. Während große Abbrüche vor allem für große regionale Eisverluste sorgen, lässt das stete Schieben der Gletscher nicht nur die Gesamtfläche wachsen.
Die Antarktis umfasst die um den Südpol liegenden Land- und Meeresgebiete.
Die Antarktis umfasst die um den Südpol liegenden Land- und Meeresgebiete.Foto: Yonhap News Agency/epa/dpa
Von 20. Juli 2023

Im Jahre 2007 prognostizierte Al Gore, dass im Jahre 2015 das arktische Meereis im Sommerminimum verschwunden sein wird. Das Eis am Nordpol hielt sich nicht daran – und ist seither stabil. Am Südpol, in der Antarktis, ist das Eis bereits seit 1979 mehr oder weniger stabil und konnte in den letzten Jahren sogar zulegen. Zwischen 2009 und 2019 vergrößerte sich das südpolare Schelfeis um über 5.000 Quadratkilometer, wie eine Studie jüngst feststellte. Das entspricht einer Vereisung der doppelten Fläche des Saarlandes.

So stellten Forscher um Dr. Julia R. Andreasen, Wissenschaftlerin an der Fakultät für Boden, Wasser und Klima der Universität von Minnesota, während ihre Untersuchung fest, dass häufig Daten herangezogen werden, die zeigten „dass Schelfeis kollabiert, dünner wird und sich zurückzieht“. Allerdings gebe es nur wenige Messungen der antarktisweiten Veränderungen der Eisfläche.

Ein Eisschelf ist die ins Meer ragende und auf dem Wasser schwimmende Fortsetzung eines Gletschers weiter landeinwärts. Bricht davon ein Stück ab, bezeichnet man diesen Vorgang als Kalben und das Bruchstück fortan als Eisberg.

Das Eis der Antarktis schrumpft nur stellenweise

Wie Dr. Andreasen mit Kollegen von der Universität Leeds, Großbritannien, in ihrer Studie schreiben, ist die Aussage vom Rückgang des Eises durchaus korrekt. Denn auf der Antarktischen Halbinsel gingen in den letzten zehn Jahren 6.693 Quadratkilometer (km²) Eis verloren. In der Westantarktis betrugen die Flächenverluste 5.563 km². Unerwähnt bleibt indes oft, dass auf den großen Ross-, Ronne- und Filchner-Schelfeisen zusammen 14.028 km² Eis hinzukamen.

Insgesamt identifizierten die Forscher bei 18 meist kleinen Schelfeisen einen Rückzug der Kalbungslinien, beziehungsweise der Eiskanten. Dem gegenüber stehen 16 eher größere Schelfeise mit einem mehrheitlich deutlichen Flächenwachstum.

Eisverluste (rot) und -gewinne (blau) der Antarktis zwischen 2009 und 2019. Foto: Andreasen et al. (2021), (cc by 4.0)

Der größte Rückgang wurde auf dem Larsen-C-Schelfeis beobachtet, wo 5.917 km² Eis während eines einzelnen Kalbungsereignisses im Jahr 2017 verloren gingen.

Der größte Flächenzuwachs wurde auf dem Ronne-Schelfeis in der Ostantarktis beobachtet, wo ein allmählicher Vorstoß binnen zehn Jahren zu einem Flächenzuwachs von 5.889 km² führte. In Summe ist die Fläche des antarktischen Schelfeises damit seit 2009 um 5.305 km² gewachsen.

Darüber hinaus habe die Beobachtung gezeigt, dass die antarktischen Schelfe in den letzten zehn Jahren 661 Gigatonnen Eismasse hinzugewonnen haben. Diese widerspreche dem stationären Ansatz, der laut Andreasen et al. „für denselben Zeitraum einen erheblichen Eisverlust schätzen würde“. Darauf aufbauend verweisen die Forscher auf die Wichtigkeit von längerfristigen Beobachtungen des Kalbungsflusses, um Veränderungen zu messen.

Die Studie erschien Mitte Mai in der Fachzeitschrift „The Cryosphere“.

Abrupter Rückgang, stetes Wachstum

Im Anhang der Studie führen die Forscher außerdem die Veränderungen aller 34 ausgewerteten Schelfeise einzeln auf. Dabei zeigt sich – unabhängig von der geografischen Lage – ein bewährtes Muster: Während Rückgänge meist große Eisflächen betreffen, geschehen sie jedoch regional und keineswegs regelmäßig. Mit anderen Worten kalbt ein Eisberg von seinem Gletscher, sinkt die Eisfläche binnen eines Jahres beachtlich. In Medien wird dies allzu häufig dem Klimawandel zugeschrieben sowie vor einem weiteren Schmelzen und den Folgen gewarnt.

Von der Öffentlichkeit unbemerkt vollzieht sich das Wachstum der Eisflächen: überregional, jährlich, konstant – und zwar an nahezu allen beobachteten Schelfen. Am deutlichsten wird dies am Mertzgletscher im australischen Teil des südpolaren Eiskontinents.

Obwohl der Gletscher im Beobachtungszeitraum jährlich um etwa 50 bis 100 km² gewachsen ist, schrumpfte seine Gesamtfläche aufgrund eines einzigen Kalbens im Jahr 2010 beachtlich. Von knapp 5.600 Quadratkilometern Eisfläche brachen dabei über 2.400 km² nach einer Kollision mit einem anderen Eisberg ab. Die „Welt“ schrieb von einer „Jahrhundertkollision“. Bei stetem Wachstum dauert es indes nur ein Viertel- bis halbes Jahrhundert, bis die Eisfläche wieder ihren Stand von Anfang 2010 erreicht.

Ein einziges Kalben sorgt für große Eisverluste, während das Wachstum langsam aber stetig passiert. Foto: Andreasen et al. (2021), (cc by 4.0)



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