SARS-CoV-2 „hochgradig an Menschen angepasst“ – Studie findet keinen tierischen Wirt

Australische Wissenschaftler haben die Fähigkeit von SARS-CoV-2 untersucht, heimische und exotische Tiere zu infizieren. Die stärkste Bindung zeigte das Virus jedoch zum Menschen, was einen tierischen Ursprung – egal ob aus der Natur oder einem Labor – erneut infrage stellt.
SARS-CoV-2 ist besser an den Menschen angepasst als an Fledermäuse oder Schuppentiere.
SARS-CoV-2 ist besser an den Menschen angepasst als an Fledermäuse oder Schuppentiere.Foto: iStock
Von 10. Juli 2021

Der Ursprung von SARS-CoV-2, dem neuartigen Coronavirus, das zur Corona-Krise geführt hat, ist nach wie vor umstritten. Australische Forscher haben nun herausgefunden, dass das Virus ideal an die Infektion menschlicher Zellen angepasst ist. – Besser als an die Infektion von Fledermäusen oder Schuppentieren. Dies wirft erneut Fragen nach dem Ursprung des Virus auf.

Die Untersuchung sollte eigentlich dazu beitragen, etwaige tierische Zwischenwirte zu identifizieren, die bei der Übertragung des Fledermausvirus auf den Menschen eine Rolle gespielt haben könnten. Ziel war es, die Risiken zu verstehen, die von der Anfälligkeit von Haustieren wie Katzen und Hunden sowie von Nutztieren wie Kühen, Schafen, Schweinen und Pferden ausgehen.

Überraschenderweise zeigten die Ergebnisse, dass SARS-CoV-2 an ACE2 auf menschlichen Zellen stärker bindet als an jede der zwölf getesteten Tierarten – einschließlich Fledermäusen und Schuppentieren. Wenn, wie offiziell behauptet, eine der Tierarten der Ursprung wäre, würde man erwarten, dass sie die stärkste Bindung an das Virus zeigt, so die Forscher.

Zwischenwirt in der Übertragung auf Menschen „noch nicht gefunden“

In ihrer Arbeit beschreiben die Wissenschaftler, wie sie mithilfe von Computermodellen die Fähigkeit von SARS-CoV-2 vorhersagten, Menschen und Tiere zu infizieren. Die Ergebnisse, ursprünglich auf dem ArXiv-Preprint-Server veröffentlicht, wurden nun von Experten begutachtet und Ende Juni in „Nature“ publiziert (pdf).

Die Wissenschaftler der australischen Universitäten Flinders und La Trobe begannen mit Genomdaten von zwölf heimischen und exotischen Tierarten. Daraus erstellten sie „in mühevoller Kleinarbeit“ Computermodelle der wichtigsten ACE2-Proteinrezeptoren für jede Spezies. Anhand dieser Modelle berechneten Sie anschließend die Stärke der Bindung des SARS-CoV-2-Spike-Proteins an den ACE2-Rezeptor jeder Spezies.

„Der Mensch zeigte die stärkste Spike-Bindung. Das stimmt mit der hohen Anfälligkeit für das Virus überein. Es ist aber sehr überraschend, wenn ein Tier die anfängliche Quelle der Infektion beim Menschen“ gewesen sein soll, sagte Dr. David Winkler, Professor für Biochemie an der La Trobe University in Melbourne.

Sein Co-Autor, Medizinprofessor und Direktor der Endokrinologie an der Flinders University in Adelaide, Dr. Nikolai Petrovsky, ergänzte: „Die Computermodellierung ergab, dass die Fähigkeit des Virus, an das Fledermaus-ACE2-Protein zu binden, im Vergleich zu seiner Fähigkeit, an menschliche Zellen zu binden, schlecht ist. Dies spricht dagegen, dass das Virus direkt von Fledermäusen auf den Menschen übertragen werden kann.“ Weiter sagte er:

Wenn das Virus eine natürliche Quelle hat, kann es nur über eine Zwischenart auf den Menschen gekommen sein, die noch nicht gefunden wurde.“

Schuppentier-Coronavirus nicht Vorfahre von SARS-CoV-2

Die Computermodelle des Teams zeigten, dass SARS-CoV-2 „auch relativ stark“ an ACE2 von Schuppentieren binden kann. Dies gelte insbesondere für eine seltene exotische Ameisenfresserart. Sie kommt in einigen Teilen Südostasiens vor und werde gelegentlich als Nahrungsmittel oder traditionelle Medizin verwendet.

Unter allen getesteten Tieren zeigten Schuppentiere laut Prof. Winkler die höchste Spike-Bindungsenergie aller Tiere – deutlich höher als Fledermäuse, Affen und Schlangen.

Die Aussage einiger Wissenschaftler zu Beginn der Coronakrise, sie hätten SARS-CoV-2 in Schuppentieren gefunden, sei jedoch falsch, fügte Prof. Petrovsky hinzu. Diese Aussage beruhte auf einem Missverständnis. Die Behauptung wurde schnell zurückgezogen.

„Da das von [den Wissenschaftlern] beschriebene Schuppentier-Coronavirus weniger als 90 Prozent genetische Ähnlichkeit mit SARS-CoV-2 aufwies, konnte es nicht dessen Vorfahre sein“, erklärte Prof. Petrovsky.

Könnte durch Gentechnik entstanden sein

Die Arbeit von Prof. Winkler und Prof. Petrovsky sowie andere Studien haben jedoch gezeigt, dass der spezifische Teil des Schuppentier-Coronavirus-Spike-Proteins, der ACE2 bindet, fast identisch mit dem des SARS-CoV-2-Spike-Proteins war.

„Diese gemeinsame Nutzung des fast identischen Spike-Proteins erklärt mit ziemlicher Sicherheit, warum SARS-CoV-2 so gut an Schuppentier-ACE2 bindet“, sagte Prof. Petrovsky. Weiter erklärte er:

Die Ähnlichkeit der Spike-Proteine von Schuppentier und SARS-CoV-2 könnte durch einen Prozess konvergenter Evolution, genetische Rekombination zwischen den Viren oder durch Gentechnik entstanden sein.“

Derzeit gebe es jedoch keine Möglichkeit, zwischen diesen Möglichkeiten zu unterscheiden.

„Abgesehen von den faszinierenden Schuppentier-ACE2-Ergebnissen zeigte unsere Studie, dass das COVID-19-Virus sehr gut an die Infektion des Menschen angepasst ist“, schloss Prof. Petrovsky. „Wir haben auch abgeleitet, dass einige domestizierte Tiere wie Katzen, Hunde und Kühe wahrscheinlich auch für eine SARS-CoV-2-Infektion empfänglich sind“, fügte Prof. Winkler hinzu.

Ursprung von SARS-CoV-2 weiter ungeklärt

Für die äußerst wichtige und offene Frage, wie SARS-CoV-2 auf den Menschen kam, gebe es derzeit zwei Haupterklärungen:

Einerseits könnte das Virus von Fledermäusen über ein noch zu findendes Zwischentier auf den Menschen übergegangen sein. Der Fund dieses Tieres könnte die Theorie eines zoonotischen Ursprungs stärken.

Andererseits könne aber auch noch nicht ausgeschlossen werden, dass das Virus aus einem virologischen Labor stamme. Egal ob es dort versehentlich oder absichtlich freigesetzt würde.

Welche dieser Erklärungen richtig sei, erfordere eine gründliche wissenschaftliche, evidenzbasierte Untersuchung. Letztendlich bleibe es jedoch ein Rätsel, wie und wo sich SARS-CoV-2 anpasste, um ein so effektiver menschlicher Krankheitserreger zu werden, schlussfolgerten die Forscher. Finde man den – oder die – Ursprünge der Krankheit, könne dies jedoch dazu beitragen, die Menschheit vor zukünftigen Coronavirus-Pandemien zu schützen.

(Mit Material der Flinders University)



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