Schweizer Gefäßmediziner: „Wir haben das Virus von Anfang an falsch eingeschätzt“

Die Folgen von Thrombosen und Embolien wurden laut dem Schweizer Gefäßmediziner, Nils Kucher, unterschätzt. Er und sein Team der Universitätsklinik Zürich wollen nun in einer Studie beweisen, dass Thromboseprophylaxe die Sterblichkeit von COVID-19-Patienten senken kann.
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Viele an Covid-19-Erkrankte haben Thrombosen. Möglicherweise werden diese durch den Impfstoff ausgelöst.Foto: iStock
Von 17. Mai 2020

Obduktionen von Verstorbenen COVID-19-Infizierten am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zeigten häufig starke Thrombosen und Embolien. Der Gefäßmediziner und Direktor der Klinik für Angiologie der Universitätsklinik Zürich, Nils Kucher, sieht in dieser Studie seine Vermutungen bestätigt. Seiner Ansicht nach hat man die Gefahr von Blutgerinnungsstörungen in Folge einer COVID-19-Infektion in der Vergangenheit unterschätzt.

Dr. Kucher ist überzeugt, dass es durch die Verhinderung von Thrombosen und Embolien weniger Todesfälle durch das neuartige Virus geben würde. Dies will er und sein Team im Universitätsklinik Zürich nun in einer großangelegten Studie mit dem Thrombosehemmer Heparin beweisen.

Virus anfangs falsch eingeschätzt

Anfangs ist man beim Krankheitsbild von COVID-19 von einer klassischen Lungenentzündung ausgegangen. Tatsächlich scheint es sich bei COVID-19 aber um eine Gefäßerkrankung zu handeln.

Laut Dr. Kucher ist es ohne Computertomografien schwer zwischen Lungenentzündungen und einer Gefäßerkrankung, wie einer Lungenembolie, zu unterscheiden. Die Symptome seien sehr ähnlich und können in beiden Fällen Atemnot, Fieber und Brustschmerzen beinhalten.

Bereits im Januar veröffentlichten chinesische Forscher Studien, dass das Virus über ACE2-Rezeptoren an menschliche Zellen bindet. Diese kommen in hoher Konzentration in der Lunge vor, wodurch er die Infektion der Lunge auslöst. Allerdings befinden sich ACE2-Rezeptoren auch in anderen Organen, aber vor allem in Gefäßen und den dort angesiedelten Endothelzellen. Das Virus schädigt dadurch kleinere und größere Blutgefäße und es kommt zu Gerinnungsstörungen.

„Das konnten wir in Zürich unter dem Elektronenmikroskop nachweisen. Und das ist etwas Neues, das kennen wir bisher von keinem anderen Virus“, sagt Dr. Kucher.

Wenig Computertomografien und fehlende Überwachung der ambulanten Patienten

Eine in Mailand durchgeführte Studie zeigte, dass nur 30 von 338 Patienten eine Computertomografie erhalten haben. Davon hatte jeder Dritte eine Lungenembolie.

In der Mailänder Studie stammten die meisten Computertomografien (CT) vom ersten Tag der stationären Behandlung der Patienten. Daraus schließt Dr. Kucher, dass die meisten Patienten die Embolie bereits von zuhause mitbrachten und nicht nur wegen dem durch SARS-CoV-2 ausgelösten Infekt, sondern bereits wegen den Symptomen der Lungenembolie das Krankenhaus aufsuchten.

Die Studie beschäftigt sich nur mit stationär aufgenommenen Patienten. Jedoch werden im Allgemeinen viele COVID-19-Erkrankte nicht im Krankenhaus behalten, sondern nach Hause in Quarantäne geschickt. Laut Dr. Kucher gäbe es oftmals keine systematische Überwachung der ambulanten Patienten. Ihnen werde oftmals nur gesagt, sie sollen sich „selbst melden, wenn es ihnen schlecht geht. Dies bleibe, laut dem Mediziner, nicht ohne Folgen.

Auf Anfragen fand Dr. Kucher heraus, dass am 20. April 2020 in allen großen Krankenhäusern in der Schweiz 206 Menschen gestorben waren. Laut den offiziellen Meldezahlen waren an diesem Tag jedoch insgesamt 1500 Personen mit einer nachgewiesenen COVID-Infektion gestorben. Er erklärt:

Mein Fazit also: Der Großteil der Menschen stirbt zuhause oder im Heim. Und das zeigt, dass wir das Virus gar nicht verstanden haben.“

Dr. Kucher ist der Ansicht, dass weniger Intensivstationen vorbereitet werden müssten, sondern man Patienten besser untersuchen und ihre Blutwerte berücksichtigen müsse.

Studie zu Thromboseprophylaxe mit 1000 Teilnehmern geplant

Der Gefäßmediziner hält bei der zukünftigen COVID-19-Therapie eine Thrombosephrophylase für sinnvoll. Diese sollte bereits im Anfangsstadium bei milden Symptomen stattfinden.

Bislang werden Covid-19-Patienten vorbeugend keine blutverdünnenden Mittel verabreicht, da es keine gesicherten Daten gibt, ob diese wirklich schwere Verläufe der Krankheit mildern können. Dies soll sich mit einer großangelegten Studie nun ändern.

Die Untersuchung von 1000 COVID-19-Patienten ab 50 Jahren ist in einer randomisierten Studie geplant. Dabei werden die Hälfte der Patienten Heparin als blutverdünnendes Mittel bekommen. Dass es durch die Gabe von Heparin zu Blutungen als Nebenwirkung kommt, hält Dr. Kucher für unwahrscheinlich:

„Selbst bei sehr hohen Heparin-Infusionen kommt es selten zu Blutungen. Ganz im Gegenteil, es kommt immer wieder zu Thrombosen. Ich habe viel mehr Angst, dass die Dosis gar nicht ausreicht“, so die Einschätzung des Mediziners. Wann erste Ergebnisse der Studie zu erwarten sind, ist derzeit noch unklar.



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