Godwins Gesetz als Weisheit der Zeit: Papst Franziskus verteufelt den „Populismus“ mit Hitler-Vergleichen

Papst Franziskus hat das jüngste Treffen der Generationen in Rom dazu genutzt, den jüngsten Dialogband „Die Weisheit der Zeit“ vorzustellen. In diesem Zusammenhang warnte er vor dem „Populismus“, der „Hass“ in die Gemeinschaften trage. Auch vor Vergleichen mit dem Aufstieg Hitlers schreckte er dabei nicht zurück.
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Der Papst am 25. August 2018 in Dublin, Irland.Foto: Jeff J Mitchell/Getty Images
Von 6. November 2018

„Die Weisheit der Zeit” lautet der Titel des kürzlich in italienischer Sprache erschienenen Sammelbandes, der Gespräche mit Papst Franziskus dokumentiert. Ob dies schon rein PR-technisch eine weise Entscheidung war, muss sich erst noch erweisen. Denn nicht nur auf ausgewiesene Kulturpessimisten, die die heutige Zeit per se nicht für besonders reich an Weisheit halten, könnte dieser Titel von vornherein wenig einladend wirken.

Auch glaubenstreuen Katholiken könnte der entscheidende Drang fehlen, das Werk, dessen Autor Pater Antonio Spadaro, Chefredakteur der jesuitischen Zeitschrift „Civiltá Cattolica“ ist, zu erwerben. Immerhin ist die „Weisheit der Zeit“ dem Wesen der katholischen Lehre zufolge eigentlich eine vernachlässigbare Größe, misst man sie an der Weisheit der Ewigkeit, die darzustellen eigentlich dem ursprünglichen Mission Statement der Kirche entspräche.

Schließt man von der Präsentationsveranstaltung, die das Oberhaupt der Katholischen Kirche letzte Woche im Päpstlichen Patristischen Institut Augustinianum in Rom abgehalten hat, auf den Inhalt des Buches, könnte jedoch auch tatsächlich der Eindruck entstehen, die Essenz der zeitgebundenen Weisheit, um die es darin geht, sei denkbar schlicht. Im Wesentlichen würde diese dann auf zwei Erkenntnisse hinauslaufen: Die erste davon wäre, dass es die faktische Definitionsmacht sei, die entscheide, was richtig und was falsch sei. Die zweite wäre eine Abwandlung von „Godwins Gesetz“ dahingehend, dass derjenige, der es schafft, in einer öffentlichen Debatte den ersten Hitler-Vergleich anzubringen, diese gewinnt.

War Hitler nicht Hoffnungsträger der Eliten?

Wie die Wochenzeitung „Famiglia Cristiana“ berichtet, ist es der „Populismus“, den der Papst mittlerweile zu seinem Feindbild erhoben hat. Ohne diesen zu definieren oder konkrete Namen zu nennen, hat Franziskus im Rahmen des Treffens der Generationen, das er zur Buchvorstellung nutzte und dem auch unter anderem Regisseur Martin Scorsese beiwohnte, harsche Worte gegen diesen verloren.

Die Nachrichtenagentur CNA Deutsch zitiert die Antwort des Papstes auf eine Publikumsfrage. Darin erklärte er, junge Menschen müssten „wissen […], wie der Populismus wächst“, und hielt sie dazu an, die Machtergreifung Hitlers im Deutschland der 1930er Jahre zu studieren. „Sie sollen wissen, wie der Populismus beginnt“, so Franziskus. Was die Bezeichnung Hitlers als „Populisten“ anbelangt, ist es zwar richtig, dass sich die Hitlerbewegung strategisch um eine Massenbasis bemühte. Allerdings standen zumindest am Anfang vor allem Eliten hinter der NSDAP – insbesondere Offiziere aus den Streitkräften, die nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ihren Einfluss verloren hatten und diesen wiedererlangen wollten. Insofern ist diese Zuordnung durchaus nicht unproblematisch.

„Man kann nicht leben, wenn man Hass sät“, dozierte Franziskus weiter. „Denken wir an die Geschichte der Religionen, an die protestantische Reformation, daran, wie wir auf beiden Seiten Hass säten. Mit der Zeit wurde uns bewusst, dass das nicht der Weg sein kann und nun säen wir Gesten der Freundschaft und nicht des Hasses.“

Auch Hitler habe, so der Papst, mit der „Reinheit der Rasse“ begonnen. Heute sei man „mitten im dritten Weltkrieg“, und selbst die Religion werde „deformiert, um noch besser hassen zu können“.

„Hass“ säe man „durch üble Reden, wie mit Messern, […] das ist töten. Es bedeutet, den Ruf des anderen zu töten, den Frieden und die Eintracht in den Familien, im Viertel, auf dem Arbeitsplatz zu töten.“

„Reinheit der Rasse“ ist keine Agenda der sogenannten Populisten

Franziskus weiter: „ein biblisches Gebot ist, den Flüchtlingen zu helfen, denn ‚du selbst warst ein  Fremder in Ägypten‘. Und denken wir daran: Europa wurde von Flüchtlingen gemacht. Werden wir uns bewusst, dass in unguten Zeiten der Vergangenheit, andere Länder die europäischen Flüchtlinge aufgenommen haben.“

Die Frage, inwieweit es nicht auch ein Ausdruck von „Hass“ und Rufmord wäre, Andersdenkenden ohne nennenswertes Tatsachensubstrat einfach eine massenmörderische Gesinnung zu unterstellen und auf diese Weise die Spaltungen in Familien, im Viertel und auf dem Arbeitsplatz anzufachen, wurde nicht gestellt.

Tatsächlich ist kein sogenannter „rechtspopulistischer“ Politiker in Europa oder anderen Teilen der westlichen Welt bekannt, dem tatsächlich die „Reinheit der Rasse“ auch nur im Entferntesten ein Anliegen wäre. Selbst der als „Rechtsaußen“ geltende AfD-Politiker Björn Höcke hat in dem Interviewband „Nie zweimal in denselben Fluss“ eine eindeutige Absage an ein „völkisches Reinheitsideal“ geäußert und Vorstellungen von „reinen Rassen“ als „Unfug“ bezeichnet.

Personen, Parteien und politische Vereinigungen, die tatsächlich Rassenideologien des 19. und 20. Jahrhunderts anhängen, können nirgendwo in Europa oder Nordamerika nennenswerte Bedeutung entfalten. Wo sich Einzelpersonen in dieser Weise äußern, werden diese ihrer Ämter enthoben, wie im Fall des britischen UKIP-Vorsitzenden Henry Bolton, der seine Freundin nach rassistischen Äußerungen im Zusammenhang mit der Hochzeit im britischen Königshaus Anfang des Jahres in Schutz genommen hatte. Auch der Trump-freundliche Teil der US-Rechten hat sich deutlich von der sogenannten Alt-Right distanziert, nachdem sich in unmissverständlicher Weise deren rassenideologische Orientierung gezeigt hatte.

Es geht um Vernunft und kulturelle Vereinbarkeiten

Wenn Papst Franziskus also erklärt, die sogenannten Populisten würden nationalsozialistischen Rassenvorstellungen anhängen, erfolgt dies entweder aus Unwissenheit oder wider besseres Wissen – was dann allerdings den Tatbestand des „falsch Zeugnis Reden wider deinen Nächsten“ erfüllen würde.

Grundsätzlich stellen auch Politiker der Rechten eine humanitäre Verpflichtung, Hilfebedürftigen zu helfen, nicht in Abrede. Allerdings werfen sie regelmäßig Fragen wie jene auf, ob diese Hilfeleistung unbedingt auf europäischem oder US-amerikanischem Boden stattfinden müsse. Zudem fragen sie nach möglichen kulturellen Unvereinbarkeiten und bestehen darauf, im Vorfeld zu prüfen, wen man in die eigenen Länder einwandern lasse.

Die „Kronen-Zeitung“ berichtete etwa jüngst unter Berufung auf Experten des Innenministeriums in Wien, es wären „andere“ Einwanderungswillige, die nun nach Europa gelangen wollten, „keine Familien mehr, und es sind kaum noch Frauen dabei“. 95 Prozent dieser Migranten, die da durchbrechen wollten, seien „junge Männer, fast alle mit Messer bewaffnet. Auf einen Grenzpolizisten wurde bereits eingestochen“.

In solchen Fällen die Christenpflicht zur Nächsten- und Feindesliebe mit dem naturrechtlichen Streben nach Selbstachtung und Selbsterhaltung abzuwägen, erscheint auch nicht wenigen streng gläubigen Christen als ein Gebot der Vernunft – die christlicher Lehre zufolge der Einsicht in den Glauben dient. Zudem geht es nicht zuletzt auch konform mit Schutzpflichten gegenüber der eigenen Familie, den eigenen Nachbarn, dem eigenen Lebensumfeld, das bekanntlich auch zu den „Nächsten“ gehört. Die Weisheit der Ewigkeit legt die Annahme nahe, dass diese Abwägung nicht immer einfach ist – und dass sie durchaus unterschiedliche Handlungsalternativen lässt, über die man reden muss.

Kann die „Weisheit der Zeit“ tatsächlich deren Test bestehen?

Die „Weisheit der Zeit“ scheint hingegen unterm Strich, wie es aussieht, darin zu bestehen, Andersdenkende ohne Rücksicht auf das, was diese tatsächlich gesagt haben, auf die maximal erreichbare Weise zu dämonisieren, um so gleichzeitig in eigener Sache Tugendsignale an Gleichgesinnte aussenden zu können. Der Sieg über den jeweiligen Strohmann, den man damit bekämpft, ist auf diese Weise sicher.

Dass dafür nun auch die Katholische Kirche unter Papst Franziskus auf diese Weise offenbar ihre philosophische Diskurstradition von Augustinus über Thomas von Aquin bis hin zu C. S. Lewis zu Gunsten zeitgenössischer Denkansätze über Bord wirft, die eher an Herbert Marcuse oder Eric Hobsbawm erinnern, dürfte nicht wenige befremden.



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