Seltsamer Gammastrahlen-„Herzschlag“ verbindet Stern, Gaswolke und Schwarzes Loch

In etwa 15.000 Lichtjahren Entfernung umkreist sich ein ungewöhnliches Paar. Die Partner: eine kosmische Gaswolke und ein Schwarzes Loch mit der 10- bis 20-fachen Sonnenmasse sowie ein geheimer Partner in 100 Lichtjahren Entfernung. Ihr gemeinsamer „Herzschlag“ stellt Forscher vor ein Rätsel.
Kosmischer Herzschlag verbindet Gaswolke und Schwarzes Loch
Der Mikroquasar SS 433 (Hintergrund) taumelt mit einer Periode von 162 Tagen. Die 100 Lichtjahre entfernte unscheinbare Gaswolke Fermi J1913+0515 (Vordergrund) pulsiert im selben Rhythmus, was eine direkte Verbindung nahelegt. Wie der Mikroquasar diesen 'Herzschlag' der Gaswolke genau antreibt, ist allerdings rätselhaft.Foto: DESY, Science Communication Lab
Von 19. August 2020

Forscher haben einen rätselhaften Gammastrahlen-„Herzschlag“ aus einer unscheinbaren kosmischen Gaswolke erspäht. Die Wolke im Sternbild Adler pulsiert im Takt eines taumelnden Schwarzen Lochs in der Nachbarschaft, was eine Verbindung unbekannter Art zwischen den beiden Objekten nahelegt. Wie das Schwarze Loch den Gamma-Herzschlag in der rund 100 Lichtjahre entfernten Gaswolke genau antreibt, ist jedoch unklar.

Die Wissenschaftler, darunter Forscher des Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) hatten mehr als zehn Jahre Messdaten des Gamma-Satelliten „Fermi“ der US-Raumfahrtbehörde NASA von der Beobachtung eines sogenannten Mikroquasars genau analysiert. Die Ergebnisse ihre Untersuchung veröffentlichten die Forscher Mitte August im Fachblatt „Nature Astronomy“.

Gammastrahlen-Herzschlag verbindet „sich verzehrendes“ Paar und Liebhaber

Das kosmische Paar mit der wenig romantischen Bezeichnung „SS 433“ liegt etwa 15.000 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt. Es besteht aus einem Riesenstern mit rund der 30-fachen Masse unserer Sonne und einem etwa halb so schweren Schwarzen Loch. Die beiden Objekte umkreisen einander alle 13 Tage, wobei das Schwarze Loch Materie von dem Stern absaugt.

„Dieses Material“, erläutert DESY-Forscher Jian Li, „sammelt sich auf einer Akkretionsscheibe, bevor es ins Schwarze Loch fällt. Ähnlich wie das Wasser im Strudel über dem Badewannenabfluss. Ein Teil der Materie fällt allerdings nicht in das Loch, sondern schießt in zwei gebündelten Strahlen mit hoher Geschwindigkeit nach oben und unten ins All.“

Die hohe Geschwindigkeit der Teilchen und die extrem starken Magnetfelder in den Jets erzeugen wiederum Röntgen- und Gammastrahlung, die irdische Teleskope sehen können. Diego F. Torres vom Institut für Weltraumforschung (IEEC-CSIC) in Barcelona ergänzt: „Die Akkretionsscheibe liegt nicht genau in der Ebene der Umlaufbahn der beiden Objekte. Sie […] taumelt, wie ein drehender Kreisel, der schief auf einen Tisch aufgesetzt wurde.“

Das Taumeln des Schwarzen Lochs hat eine Periode von 162 Tagen. Die genaue Analyse der „Fermi“-Daten offenbarte zudem eine zweite Gammastrahlenquelle. Trotz der Entfernung von etwa 100 Lichtjahren pulsiert diese im selbem „Herzschlag“. Die übereinstimmende Periode zeigt, dass dieser regelmäßige Gammastrahlen-„Herzschlag“ der Wolke von dem Mikroquasar angetrieben werden muss.

Die Forscher identifizierten den heimlichen Liebhaber von „SS 433“ an einem „Ort einer unscheinbaren Anreicherung von interstellarem Gas“ und gaben ihm die ähnlich unromantische Bezeichnung „Fermi J1913+0515“.

Beziehungsstatus: Es ist kompliziert

„Eine solche unzweifelhafte Verbindung rein über die Zeitmessung zu finden, rund 100 Lichtjahre vom Mikroquasar entfernt und noch nicht einmal in der Richtung der Jets, ist ebenso unerwartet wie erstaunlich“, sagte Li. „Wie das Schwarze Loch allerdings den Herzschlag der Gaswolke antreiben kann, ist uns nicht wirklich klar“. Eine direkte periodische Beleuchtung der Wolke durch einen der Jets gilt als unwahrscheinlich.

Eine mögliche Verbindung könnten schnelle Protonen aus den Jets oder der Nähe des Schwarzen Lochs sein. Derartige Protonen könnten auch aus einem Strom schneller Teilchen von der äußeren Kante der Akkretionsscheibe stammen. Treffen die Teilchen beispielsweise auf eine Gaswolke, können sie Gammastrahlung erzeugen und die Wolke aufleuchten lassen. Das würde auch den rätselhaften „Herzschlag“ erklären, so die Forscher.

„Von der Energie her könnte der Strom von der Scheibe so kräftig sein wie der von den Jets, und es wird angenommen, dass er zusammen mit dem Rest des Systems präzediert [taumelt]“, erläutert Torres.

Um den rätselhaften Gamma-„Herzschlag“ dieses einzigartigen Systems allerdings genau zu verstehen, seien jedoch weitere Beobachtungen nötig. „SS 433 verblüfft […] Beobachter bei allen Frequenzen sowie […] Theoretiker gleichermaßen“, sagte Li. „Und er wird auf jeden Fall über Jahre hinaus ein Testfeld für unsere Vorstellungen von der Erzeugung und Ausbreitung kosmischer Strahlung in der Nähe von Mikroquasaren bieten.“

(Mit Material des Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY))



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