„Unmögliches“ Ringsystem am Rande unseres Sonnensystems entdeckt

Astronomen haben ein neues Ringsystem um einen Zwergplaneten am Rande des Sonnensystems entdeckt. Seine Existenz ist eigentlich unmöglich und stellt die derzeitigen Theorien über die Entstehung von Ringsystemen infrage.
Das Ringsystem um Quaoar dürfte laut Theorie gar nicht existieren.
Künstlerische Darstellung von Quaoar und seinem Ringsystem.Foto: ESA (cc by-sa 3.0 igo)
Von 14. Februar 2023

„Man muss nicht Lichtjahre weit in das ferne Universum schauen, um Unerwartetes zu finden. Auch in unserem eigenen Sonnensystem gibt es viele Überraschungen“, fasst Astronomieprofessor Vik Dhillon die neusten Forschungsergebnisse zusammen. Gemeinsam mit anderen Forschern hat er etwas gefunden, das eigentlich gar nicht existieren dürfte: ein Ringsystem um Quaoar, einem Zwergplaneten jenseits von Neptun.

Dabei ist weder der Himmelskörper noch das zufällig entdeckte Ringsystem an sich außergewöhnlich. Überrascht war das Team aus fast 60 internationalen Forschern vom Abstand der Ringe um Quaoar, denn sie können – laut bisherigen Erkenntnissen – in diesem Abstand unmöglich existieren.

„Die Entdeckung kam ein wenig überraschend“, so der Professor der Universität Sheffield (England). „Wir wussten, dass die Möglichkeit bestand, sie zu finden, aber wir haben nicht wirklich nach ihnen gesucht.“

Ein Zufallsfund in Minutenschnelle

Ringsysteme um Planeten sind in der Astronomie zwar selten, existieren aber in unserem Sonnensystem gleich mehrfach. Die bekanntesten kreisen um Saturn und Jupiter, aber auch Uranus und Neptun tragen Ringe. Um Zwergplaneten sind die kosmischen Gesteinsgürtel deutlich seltener (zu finden). So entdeckten die Forscher um Prof. Dhillon erst das dritte derartige System.

Alle bisherigen Ringsysteme verbindet jedoch die Eigenschaft, dass sie sich im Bereich der sogenannten Roche-Grenze befinden. Jenseits dieses Abstands würden lose Gesteinsbrocken „binnen Jahrzehnten“ zusammenklumpen und kleine Monde bilden und dadurch verschwinden. – Das sind wortwörtlich astronomisch kleine Zeiträume. Das Ringsystem um den etwa 6,5 Milliarden Kilometer entfernten Quaoar befindet sich in fast der doppelten Entfernung, dürfte daher gar nicht existieren und stellt Forscher und Forschung vor Herausforderungen.

Einerseits sind die Ringe zu klein und zu schwach, um sie direkt auf einem Bild zu sehen. So waren sie auch nicht Ziel der Untersuchung, sondern eine zufällige Entdeckung. Während einer sogenannten Bedeckung – einer Art Sonnenfinsternis – beobachteten die Forscher, wie Quaoar das Licht eines fernen Sterns verdeckte. Aus der Auswertung dieser Daten lassen sich normalerweise Informationen über Form, Größe und Dichte von Himmelskörpern ableiten.

In diesem Fall – die Sternenfinsternis dauerte weniger als eine Minute – wurde der Schatten des Zwergplaneten jedoch von zwei Lichtabfällen begleitet. Einer unmittelbar vor, der andere unmittelbar nach dem Hauptschatten, was auf ein Ringsystem hinweist. Diese Beobachtung machten Forscher an mehreren Standorten weltweit, die diese kosmischen Gelegenheiten nutzen, um Quaoar zu erforschen.

Bislang unmöglich zu erklären

Andererseits bringt die Entdeckung der Ringe die Forscher in Erklärungsnot, wie diese Ringe jenseits aller bisherigen Theorien existieren können. „Es stellt ein Rätsel dar, das wir noch nicht verstehen und das unser Verständnis der Physik der Entstehung und Entwicklung dieser Ringe herausfordert“, sagte Estela Fernández-Valenzuela, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Florida Space Institute der Universität von Zentralflorida. Der große Abstand des Rings zum Zentralkörper von Quaoar, so Fernández-Valenzuela, macht es erforderlich, die Vorstellung der Roche-Grenze zu überdenken.

„Früher dachte man, es sei unmöglich, Ringe so weit draußen zu haben, also ist der Ring von Quaoar eine echte Herausforderung, um ihn theoretisch zu erklären“, ergänzte Prof. Dhillon gegenüber „Live Science“. „Ringe, die sich außerhalb der Roche-Grenze bilden, sind nicht dafür gedacht, stabil zu sein; sie sollten schnell zusammenwachsen und dabei das gesamte Ringmaterial verbrauchen. Mit dieser Entdeckung haben wir jedoch einen Ring nicht nur außerhalb der Roche-Grenze, sondern weit darüber hinaus“.

Alle bisherigen Ringsysteme lassen sich mit der Roche-Grenze erklären, für Quaoar muss diese Theorie nun erweitert und andere Mechanismen gefunden werden, die ein Zusammenklumpen verhindern. Eine mögliche Erklärung sei Eis, das verhindert, dass die Gesteinsbrocken bei einer Kollision aneinander kleben bleiben. Wenn die Teilchen nicht aneinander haften können, könne auch kein Mond entstehen. Eine Bestätigung dieser Theorie erfordere jedoch weitere Daten.

„Es war unerwartet, dieses neue Ringsystem in unserem Sonnensystem zu entdecken, und es war doppelt unerwartet, die Ringe so weit entfernt von Quaoar zu finden, was unsere bisherigen Vorstellungen über die Entstehung solcher Ringe infrage stellt“, so der Astronom abschließend. „Diese Entdeckung zeigt die erstaunliche Vielfalt der Dinge, die sich in unserem eigenen kosmischen Hinterhof befinden.“

Die Studie erschien am 8. Februar in der Fachzeitschrift „Nature“.



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