James-Webb-Teleskop findet Dutzende Objekte, die nicht existieren dürften

Im Orionnebel schweben nicht ein oder zwei, sondern gleich 42 wortwörtlich bahnbrechende Paare Himmelskörper. Zu klein für Sterne und zu viele für Planeten sprengen die sogenannten JuMBOs den Rahmen der bekannten Physik.
Junge Planeten schweben paarweise durch den Orionnebel
Der Nebel im Sternbild Orion.Foto: NASA
Von 17. Oktober 2023

„Es ist ein Ergebnis, das höchst unerwartet ist und die derzeitigen Theorien zur Bildung von Sternen und Planeten infrage stellt.“ Mit diesen Worten beschreiben Samuel G. Pearson und Mark J. McCaughrean, Astronomen der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA), ihre jüngsten Beobachtungen und Forschungen.

Eigentlich dürfte das, was sie mithilfe des James-Webb-Teleskops im Orionnebel und im Trapez gesehen haben, gar nicht existieren. Zumindest dann nicht, wenn man von dem bisherigen – und offenbar begrenzten – Wissen zur Entstehung von Himmelsobjekten ausgeht.

Scheinbar physikfeindliche JuMBOs im Orionnebel

Konkret haben die Forscher im Orionnebel, ein etwa 1.340 Lichtjahre entfernter „Sternenkindergarten“, frei driftende Jupitermassen-Binärobjekte, auch „JuMBOs“ genannt, entdeckt.

Wie „LiveScience“ berichtet, sind der Entdeckung mit dem James-Webb-Teleskop Beobachtungen mit bodengestützten Instrumenten vorausgegangen. Dabei seien Pearson und McCaughrean auf „andere mysteriöse Objekte“ aufmerksam geworden. Mithilfe von Infrarotaufnahmen des JWT gelang ihnen schließlich die Identifizierung.

So ergab die Analyse der Forscher, dass es sich bei den seltsamen Paaren um Gasriesen handelt. Diese seien etwa eine Million Jahre alt, etwas kleiner als Jupiter und umkreisen ihre Partner im Abstand von bis zu 390 Astronomischen Einheiten, sprich, dem 390-fachen Abstand zwischen Erde und Sonne. Zugleich herrschen in ihren hauptsächlich aus Kohlenmonoxid, Methan und Dampf bestehenden Hüllen Temperaturen von etwa 700 Grad Celsius.

Weder Planeten noch Sterne?

Der Orionnebel selbst ist für seine stürmischen Gaswolken bekannt, die zur Bildung von Sternen beitragen. Die neu entdeckten und einander umkreisenden Himmelskörper seien jedoch zu klein, um selbst Sterne zu sein.

Indes spricht ihr paarweises Auftreten aber auch dagegen, dass sie „ausgestoßene Planeten“ sind. Also Planeten, die ihr ursprüngliches Sonnensystem verlassen haben. Bei einem oder zwei Funden wäre dies denkbar, so die Forscher. Gleich 42 Paare seien unwahrscheinlich. Oder um es mit ihren Worten auszudrücken: Die JuMBOs im Orionnebel dürften gar nicht existieren, dennoch sind sie irgendwie entstanden.

„Wie Paare junger Planeten gleichzeitig ausgestoßen werden können und gebunden bleiben, wenn auch nur schwach [und] bei relativ großen Abständen, bleibt ziemlich unklar“, schreiben die Forscher in ihrer Studie.

Fünfmal kleiner als alle bisher bekannten Protosterne

Die Entdeckung der beiden Astronomen verschiebt noch eine weitere Grenze: Bislang ist man davon ausgegangen, dass Himmelsobjekte mindestens drei Jupitermassen benötigen, um eventuell Sterne zu werden. Dies ist in der sogenannten anfänglichen Massenfunktion von Sternen und anderen sternartigen Objekten beschrieben.

Kleinere und leichtere Objekte könnten demnach nur an einen anderen Stern gebunden entstehen, so wie unsere die Sonne umkreisende Erde. Eine der wichtigsten offenen Fragen in der Stern- und Planetenforschung ist jedoch, ob es eine solche untere Grenze tatsächlich gibt. Denn nur weil Astronomen derartige Objekte nicht sehen, heißt es nicht, dass es sie nicht gibt.

So sind Sterne alles andere als frühreif und es kann mehrere Dutzend Millionen Jahre dauern, bis aus einer ausreichend massereichen Staubwolke ein zunächst sanft glühender Protostern – die Vorstufe eines Sterns – entsteht. Von einem hell strahlenden Stern ist er damit jedoch noch weit entfernt. Für Objekte mit einer Masse unter 13 Jupitermassen kommt hinzu, dass in ihnen nicht einmal Deuterium, eine Form des Wasserstoffs, fusionieren kann.

Trotz erschwerter Beobachtungsbedingungen ist es in der Vergangenheit gelungen, Protosterne bis zu drei Jupitermassen zu finden, sodass diese als bisherige Untergrenze gelten. Speziell das James-Webb-Teleskop erweitert das Sichtfeld von Forschern in den Infrarotbereich und ermöglichte Pearson und McCaughrean die Entdeckung von 540 möglichen Protosternen bis zu lediglich 0,6 Jupitermassen. Wovon überraschenderweise neun Prozent in Doppelsternsystemen zu finden sind.

Einerseits schließen die Forscher daraus, dass es keine scharfe oder möglicherweise gar keine Untergrenze der Massenfunktion gibt. Andererseits schließen die Forscher ihre Studie mit einer nicht minder bahnbrechenden Überlegung:

„Das Ensemble von Objekten […] könnte aus einer Mischung der beiden ‚klassischen‘ Szenarien [ausgestoßene Planeten und Protosterne] entstehen, auch wenn beide mit erheblichen Vorbehalten behaftet sind. Vielleicht ist aber auch ein neuer, ganz anderer Entstehungsmechanismus erforderlich, etwa die Fragmentierung einer sternlosen Scheibe.“

Die noch nicht peer-reviewte Studie sowie die Beschreibung ihrer Beobachtungen samt Bildern erschien Anfang Oktober 2023 auf „arXiv“.

Aus über 700 Einzelbildern zusammengesetzte und eingefärbte Aufnahme des Trapezes im Orionnebel. Foto: Pearson, McCaughrean (2023), CC BY-NC-ND 4.0 DEED



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