Wie Wissenschaft durch Dürers Karte des Nordhimmels scheint

Der deutsche Renaissance-Maler Albrecht Dürer schuf als erster westlicher Mensch eine wissenschaftlich genaue Sternkarte – und zwar auf eine himmlisch-schöne Weise.
Fokus auf Karte des Nordhimmels
Die Karte des Nordhimmels mit Waage und Skorpion.Foto: Dan Kitwood/Getty Images
Von 9. November 2023

Die alten Griechen betrachteten die Sterne als überirdische Wesen, die am Nachthimmel zu Hause waren: Ein großer (und ein kleiner) Bär, ein Fisch, ein geflügeltes Pferd und sogar Herkules leuchten jede Nacht über der Erde. Künstler und Gelehrte in der Renaissance studierten, was die Antike über die Sternbilder entdeckt hatte, und machten es sich zu eigen, auch in Deutschland.

So war auch die Stadt Nürnberg im 15. Jahrhundert voller Entdeckungen in den Künsten und Wissenschaften, einschließlich Astronomie und Astrologie. Naturwissenschaftliche und technische Schulen, herausragende Künstlerwerkstätten, Handelsunternehmen und Verlage fanden Wege der Zusammenarbeit, um Wissen und technische Fertigkeiten zu erweitern und Werke von herausragender Schönheit zu schaffen.

Selbstportrait von Albrecht Dürer

Selbstbildnis von Albrecht Dürer (1471–1528). Öl auf Lindenholz, um 1500. Foto: Public domain

Revolution in Druckform

Die Chinesen stellten ihrerseits schon seit Hunderten von Jahren Karten her. Der Astronom Su Song fertigte im Jahr 1090 eine Holzschnittkarte für sein Buch „Xin Yixiang Fayao“ an. Im Westen waren dagegen die meisten Karten vor 1515 handgezeichnete Einzelexemplare und daher nur wenigen zugänglich. Dies änderte sich mit der Erfindung des Drucks in Europa.

Im Jahr 1471 gründete Regiomontanus, ein deutscher Mathematiker, Astronom und Astrologe, zusammen mit dem Humanisten und Kaufmann Bernard Walther die erste wissenschaftliche Druckerei. Hier wurde unter anderem das fünfbändige Gedicht „Astronomica“ des römischen Astrologen Marcus Manilius abgedruckt. Dank des viel schnelleren und billigeren Drucks florierte die Herstellung von Schriften und Büchern.

Karte von Su Song

Die Sternkarte von Su Song (1020–1101) aus seinem Buch „Xin Yi Xiang Fa Yao“. Foto: Public domain

So kam es, dass auch Johannes Stabius (um 1460–1522) ein Projekt zur Herstellung einer Sternenkarte startete. Der österreichische Mathematiker und Kartograph entwarf zunächst die Projektion der Karten. Anschließend nummerierte und zeichnete der deutsche Astronom Konrad Heinfogel jedes Sternbild für die Karte.

Dieses Projekt inspirierte den aufstrebenden deutschen Renaissance-Maler Albrecht Dürer dazu, sein Genie in das Projekt einzubringen. Dürer arbeitete mit dem Wissenschaftler und Kartenmacher zusammen, um die Bilder zu vervollständigen und eine Himmelskarte zu erstellen, die sowohl schön als auch wissenschaftlich korrekt ist.

Sternenkarte des Nordens

Dürer nannte seine Karte auf Lateinisch: „Imagines coeli septentrionales cum duodecim imaginibus zodiari“, was übersetzt „Die nördliche Himmelshalbkugel mit Bildern des Tierkreises“ bedeutet. Als Quadrat angelegt, strahlt Dürers Sternenkarte kreisförmig von innen nach außen. Gekrönt wird sie dabei von den Sternbildgöttern, die sich im zentralen Bereich bewegen.

Insgesamt enthält die Karte 48 Sternbilder, die auf der antiken Sternkarte des Ptolemäus basieren. Dürer war jedoch der Erste, der die Sterne auf der Grundlage wissenschaftlicher Koordinaten genau platzierte. Die Stücke der „Torte“ bildeten den Tierkreis um die Sterne. Jedes Tierkreiszeichen, das gegen den Uhrzeigersinn zu lesen ist, wurde als gezeichnete Figuren in antiker Manier dargestellt – wie nur Dürer es konnte.

Dürers Karte des Nordhimmels

Dürers Karte des Nordhimmels. Holzschnitt, 1515. Foto: Public domain

Obwohl Dürers Karte auf der von Ptolemäus basiert, lag diese ihm nicht persönlich vor. Stattdessen nutze er andere handgezeichnete Karten als Vorlage, wie beispielsweise jene von Conrad Heinfogel aus dem Jahr 1503. Bevor Dürer mit dem Zeichnen begann, studierte er die antike Literatur über Sternenkarten. Vier der griechischen Autoren platzierte Dürer zu ihren Ehren in den Ecken seiner Karte.

So ist oben links auf der Karte Aratus Cilix abgebildet, der im vierten Jahrhundert vor Christus das Gedicht „Phaenomena“ über die Sternbilder verfasste. In der rechten oberen Ecke steht Ptolemäus, der bereits in der Antike einen Sternkatalog veröffentlichte. Unten links ist das Abbild des römischen Astronomen Marcus Manilius aus dem ersten Jahrhundert nach Christus und unten rechts der persische Astronom al-Sufi. Al-Sufi lebte im 10. Jahrhundert nach Christus und schrieb das „Buch der Fixsterne“, ein in der Renaissance bekannter Sternkatalog.

Dürers Vermächtnis

Da die Karte in mehreren Exemplaren erhältlich war und Dürer ein hohes Ansehen genoss, hatte sie großen Einfluss in ganz Europa. Dieser zeigte sich insbesondere in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. So entwickelte der Deutsche Peter Apian eine mit einem Tragegriff versehene Planisphäre – ein Instrument mit einer Sternenkarte aus zwei drehbaren Scheiben. Außerdem kopierten zwei niederländische Kartographen die Karte von Dürer auf einen Himmelsglobus, ein rundes Objekt, das die genaue Position der Sterne anzeigt.

Eine drehbare Sternkarte, auch Planisphäre genannt, hergestellt von George Philip & Son, Ltd. (London) um 1900. Foto: H. Raab/Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0 Deed

Von all seinen Karten hat Dürer nur drei handkoloriert, von denen zwei bei einer Auktion im März 2011 für umgerechnet 550.000 Euro verkauft wurden. Neben der Karte des Nordhimmels erschuf Dürer auch eine ähnliche Sternkarte mit den südlichen Sternbildern.

Farbige Karte von Dürer

Eine der farbigen Karten von Dürer, die 2011 für eine halbe Million Euro verkauft wurde. Foto: Dan Kitwood/Getty Images

Der deutsche Maler und seine gelehrten Kollegen haben viel Liebe und Zeit investiert, um von den antiken Vorfahren zu lernen und ein Meisterwerk zu schaffen, das die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Kunst auf eine ganz neue Ebene brachte.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Science Shines in Dürer’s Map of the Northern Sky“ (redaktionelle Bearbeitung kms)



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