Zu viel Bio ist schlecht fürs Klima: Umstellung auf 100 % Öko-Landbau lässt Emissionen enorm steigen
Eine Umstellung auf 100 Prozent „Bio“-Landbau in Großbritannien würde zu einem deutlichen Anstieg der Treibhausgasemissionen führen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, die jüngst im renommierten Wissenschaftsmagazin Nature Communications veröffentlicht wurde.
Durch eine solche Umstellung der Produktion würden bis zu 40 Prozent weniger Lebensmittel im Land erzeugt. Würden die Briten nicht gleichzeitig ihre Ernährung grundlegend ändern, müssten erheblich mehr Nahrungsmittel importiert werden. Das wiederum würde zu einem Nettoanstieg der Treibhausgasemissionen von 21 Prozent führen.
„Die direkten Treibhausgasemissionen werden durch den ökologischen Landbau verringert“, so die Autoren. „Wenn wir die verstärkte Landnutzung im Ausland zum Ausgleich von Versorgungsengpässen im Inland berücksichten, sind die Nettoemissionen höher. […] Eine verbesserte Kohlenstoffbindung im Ökolandbau kann nur einen kleinen Teil der höheren Emissionen in Übersee ausgleichen.“
Weniger Nahrungsmittel pro Fläche
Die Wissenschaftler stellen in ihrer Untersuchung fest: Obwohl der ökologische Landbau in der Regel weniger Treibhausgasemissionen je erzeugtes Produkt verursacht – bis zu 20 Prozent weniger für Kulturpflanzen und etwa 4 Prozent für Nutztiere – produziert er deutlich weniger Nahrungsmittel per Flächeneinheit.
Auf diesen Umstand hatten zuletzt auch schon andere Studien, wie die im Januar veröffentlichte Studie über die Auswirkungen der Landnutzungsänderung für das Klima sowie eine Untersuchung von Eva-Marie Meemken und Matin Qaim aus Göttingen, hingewiesen.
Dr. Adrian Williams, einer der Autoren und Referent für Agrarumweltsysteme an der Cranfield University, sagte: „Wir prognostizieren einen Rückgang der gesamten Lebensmittelproduktion in Großbritannien von 40 Prozent im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft unter vollständig biologischem Anbau […]. Dies ist auf geringere Erträge je Flächeneinheit zurückzuführen, da die Erträge durch die geringere Stickstoffzufuhr begrenzt sind. Diese stammen im biologischen Anbau hauptsächlich von Hülsenfrüchten innerhalb der Fruchtfolge oder aus Gülle und Mist von Rindern.“
100 Prozent Bio braucht fünfmal mehr Fläche
Die Forscher schätzen, dass die Landfläche, die zur Bio-Versorgung von Großbritannien nötig ist, um das Fünffache zunehmen würde. Dieses zusätzliche Land wäre wahrscheinlich von suboptimaler Qualität und daher nicht so produktiv wie höherwertiges Ackerland in Großbritannien.
Obwohl die Ressourcennutzung unter biologischem Management verbessert werden kann, müssen die potenziellen Auswirkungen auf die Landnutzung berücksichtigt werden. Unter einem 100-prozentigen ökologischen Szenario in Großbritannien wäre eine Nettoreduzierung der Treibhausgase nur erreichbar, wenn gleichzeitig die ökologischen Erträge erheblich gesteigert oder die nationalen Ernährungsgewohnheiten grundlegend geändert würden“, so Mitautor Dr. Laurence Smith, Dozent für Agrarökologie an der Royal Agricultural University.
Die Kohlenstoffbindungsraten, bei denen das atmosphärische Kohlendioxid von den Pflanzen aufgenommen und im Boden gespeichert wird, sind im ökologischen Landbau höher. Dies ist auf den stärkeren Einsatz von Gülle und längeren Fruchtfolgen zurückzuführen, erläutert Smith. Dies ist jedoch auf das erste oder zweite Jahrzehnt nach der Umstellung auf ökologischen Landbau beschränkt. Danach hat der Boden einen stabilen Zustand erreicht.
Mindestens 21 Prozent höhere Nettoemissionen
Insgesamt wurde bei der Modellierung des 100-prozentigen ökologischen Landbaus festgestellt, dass die stärkere Bindung von CO2 nur einen kleinen Teil der höheren Emissionen aus der Landnutzung in Übersee ausgleicht.
Die Studie kam zu dem Schluss: Die Netto-Treibhausgasemissionen bei einer Produktionsmethode mit 100-prozentigem biologischem Landbau könnten im Vergleich zu herkömmlichen Anbau um 21 Prozent steigen. Dahinter steht die Annahme, dass nur die Hälfte des zusätzlichen Überseelandes aus Grünland umgewandelt wird. Bei höheren Umwandlungsraten wären auch die Emissionen noch höher.
Der dritte Autor, Guy Kirk, Professor für Bodensysteme an der Cranfield University, sagte abschließend: „Obwohl die biologische Landwirtschaft zweifelsohne Vorteile für die Umwelt mit sich bringt, darunter die Speicherung von Kohlenstoff im Boden, die Verringerung der Pestizide und die Verbesserung der Artenvielfalt, müssen wir diese Vorteile den Folgen der Produktionsausweitung in anderen Regionen gegenüberstellen.“ (dlv/ts)
Die PDF zur Studie finden Sie hier (Englisch): The greenhouse gas impacts of converting food production in England and Wales to organic methods
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