Kommt der digitale Reisepass? EU-Bürger können Meinung sagen

Die offizielle Konsultation der EU-Kommission zum Thema digitaler Reisepass hat begonnen.
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Eine Frau mit Reisepass. Die EU will Reisedokumente künftig digitalisieren.Foto: iStock
Von 17. April 2023


Bis zum 28. Juni dieses Jahres läuft eine öffentliche Konsultation, mit der die EU-Kommission die Meinung der EU-Bürger wissen will. Gesucht sind Meldungen zu dem Gesetz, das für die Digitalisierung aller Reisedokumente dienen soll. Im Herbst 2023 soll es fertiggestellt sein.

Das Feedback will die EU-Kommission bei der Entwicklung und Erarbeitung dieser Initiative berücksichtigen. Alle eingehenden Rückmeldungen werden nach Ablauf der Konsultation in einem Bericht zusammengefasst.

Bisher 2.800 Rückmeldungen

Bisher verzeichnet das Portal rund 2.800 Rückmeldungen, wovon die meisten von EU-Bürgern aus Deutschland (66 Prozent) kommen. Mit der Konsultation will die EU-Kommission laut eigener Aussage den Bürgern ermöglichen, die Sicherheit und den Schutz der Binnen- und Außengrenzen der EU zu gewährleisten. Zudem sollen dadurch personenbezogene Daten und ihre Grundrechte gewährleistet werden.

Die Konsultation richtet sich an Bürger, die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft und andere Interessenträger in der Europäischen Union. Die Gesamtlaufzeit beträgt zwölf Wochen.

Vom 8. September bis zum 6. Oktober 2022 lief zuvor die erste Sondierung zu jenem Vorhaben. Die Teilnehmerzahl war mit 359 eingegangenen gültigen Rückmeldungen sehr gering. Dabei kamen 57 Prozent der Stimmen aus der Slowakei. Lediglich 13 Deutsche (4 Prozent) beteiligten sich an der Abstimmung zur Sondierung.

Als Grund gibt die EU an, dass digitale Reisedokumente leichter ausgestellt werden könnten als physische Reisedokumente. Die EU sehe darin eine Vereinfachung der Grenzkontrollen und des internationalen Reiseverkehrs, berichtet die „Frankfurter Rundschau“. Täglich reisen nach EU-Angaben mehr als 3,5 Millionen Menschen über die Binnengrenzen.

EU-Kommission: Herkömmliche Pässe sind problematisch

Nach Ansicht der EU-Kommission ist die ausschließliche Verwendung physischer Dokumente (Papier- oder Kartendokumente) für eine effiziente Grenzübertrittskontrolle problematisch. Dies würde den internationalen Reiseverkehr behindern. Das vermutlich zunehmende Passagieraufkommen in der nahen Zukunft verschärfe dieses Problem zusätzlich.

Im politischen Kontext zur „EU-Strategie für eine Sicherheitsunion“ will die EU-Kommission ihre bestehenden Arbeiten zu den Sicherheitsstandards für EU-Aufenthalts- und -Reisedokumente fortführen. Damit soll unter anderem die Bekämpfung von Dokumentenbetrug verbessert werden. Die Digitalisierung der Reisedokumente spielt dabei eine zentrale Rolle.

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Sollen wir bald auf den Personalausweis im Geldbeutel verzichten? Die EU sieht vor, dass wir diesen künftig auf dem Mobiltelefon vorzeigen können. Foto: iStock

80 Prozent aller Bürger sollen eID nutzen

Die EU-Kommission hat eine klare Vorstellung für den digitalen Wandel in Europa bis 2030. Der europäische Weg in die digitale Dekade (digitaler Kompass) sieht unter anderem vor, dass künftig 80 Prozent der Bürger einen elektronischen Identitätsnachweis (eID) nutzen sollen. Das fällt unter den Kernpunkt der Digitalisierung öffentlicher Dienste.

Nach Einschätzung der Kommission wird sich die EU-Initiative positiv auf die Wirtschaft auswirken. Denn die Verwendung digitaler Dokumente und ein vereinfachtes Überschreiten der Luft-, Land- und Seegrenzen können es ermöglichen, zügiger über See- und Flughäfen sowie andere Grenzübergangsstellen ein- und auszureisen.

Hier der Link zur Konsultation „Digitalisierung von Reisedokumenten“. Unter der Rubrik „Ihre Meinung zählt“ kann sich jeder zu Strategien und Initiativen der EU-Kommission äußern.

ID-Daten bei Unternehmen begehrt

Datenschützer warnen vor einer Reihe möglicher Gefahren für die Bürger. Vorteile biete der Entwurf derzeit primär Big Tech, berichtete „Der Standard“. Es sei vorgesehen, allen Menschen eine eindeutige digitale Kennung zuzuweisen. Des Weiteren sollen sich beliebige Privatunternehmen als Serviceprovider registrieren können. Thomas Lohninger von der Grundrechtsorganisation Epicenter Works sagte dazu bereits im vergangenen Jahr: „Staatlich verifizierte Identitätsdaten sind der heilige Gral für Unternehmen.“

Schon längst sammeln Facebook, Google und Co. Daten, um personalisierte Werbung verkaufen zu können. Meistens fehlt den Konzernen allerdings die Möglichkeit, die User eindeutig mit Klarnamen zu identifizieren. Eine Hürde, die laut Lohninger mit der Einführung dem digitalen Ausweis wegfallen könnte.

Andere Kritiker befürchten, dass digitale Signaturen und Identifizierungen, QR-Codes und Ähnliches vielleicht bald schon zur Voraussetzung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben werden. Im kommunistischen China beispielsweise werden Menschen mit einem digitalen Sozialkreditsystem kontrolliert, in ihrem Verhalten bewertet, abgestraft oder belohnt. Ein digitaler Reisepass könnte ähnliche Wirkweisen nach Europa bringen.

Guérot: Recht auf analoges Leben

Ein Schritt in diese Richtung vollzog etwa Frankreich im Februar 2022. Die Regierung beschloss, die Impfpässe von vier Millionen Erwachsenen vor dem eigentlichen Ablauf für ungültig zu erklären. Als Grund wurde angegeben: Diejenigen hatten vier Monate nach ihrer zweiten Impfung noch keine Booster-Impfung.

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung forderte die deutsche Politikprofessorin Ulrike Guérot von der Universität Bonn bereits die dringende Verankerung des „Rechts auf ein analoges Leben“ in der UN-Charta. Guérot spricht das Thema vor dem Hintergrund Kanadas an.

Im vergangenen Jahr war in der Debatte, dass die Einwohner Québecs, der größten kanadischen Provinz, eine digitale Identität bekommen sollten – mittels Gesichtsauthentifizierung, berichtete „Le Journal de Québec“. Das Projekt steht unter Führung des neuen Ministeriums für Cybersicherheit und Digitalisierung.



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