Meinungsmache und Fehlinformationen: Studie nimmt Corona-Journalismus unter die Lupe

In der Corona-Krise spielten die Medien eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung von Informationen. Eine neue Studie zeigt, dass die Mainstream-Medien dieser Aufgabe nicht gerecht wurden. Einige typische Fehler.
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Nicht alles, was in den Medien während der Corona-Krise berichtet wurde, fiel unter Qualitätsjournalismus.Foto: iStock
Von 22. März 2023

Lockdown, Maskenpflicht, COVID-Impfung. Die Corona-Krise hat unser Leben auf den Kopf gestellt. Auch Journalisten standen vor einer Herausforderung. Eine Studie von Timo Rieg, die als Peer-Review auf ResearchGate am 10. März unter dem Titel „Qualitätsdefizite im Corona-Journalismus: Eine kommentierte Fallsammlung“ als überarbeitete Fassung erschienen ist, hat sich mit der Frage beschäftigt, wie gut der Journalismus in Deutschland die Krise begleitet hat.

Die Ergebnisse sind ernüchternd und decken erhebliche Mängel auf. Dabei ging der Publizist ausschließlich auf große Mainstream-Medien ein; alternative Medien oder Blogger bezog er in seine Betrachtung nicht ein.

In der Studie geht es nicht um vereinzelte Patzer, sondern um Behauptungen, Meinungen oder unvollständige Beiträge, die ohne Recherchen und Hintergrundinformationen von den Hauptmedien übernommen wurden und dem Leser ein relativ anderes Bild übermittelten.

Was Rieg damit meint, erklärt er anhand des in der „Berliner Zeitung“ am 25. März 2020 erschienen Berichts „Historisches Hilfspaket: 156 Milliarden gegen die Corona-Krise“. Hier wurde allerhand aus der Kulisse berichtet, über Standing Ovations für das Gesundheitspersonal und die Erregung einer grünen Abgeordneten über zu geringen physischen Abstand zwischen zwei AfD-Abgeordneten bis hin zu Altmeisters hastig eingenommenem Mittagessen aus der hygienischen Pappschachtel.

„Aber was nun genau mit dem Geld geschehen soll, woher es kommt, was bei dieser Prioritätensetzung künftig nicht mehr wie geplant möglich sein wird, ob irgendein Abgeordneter noch etwas Erhellendes beizutragen hatte (oder wegen der guten Regierungsarbeit die Legislative nur noch eine Formsache ist) – wir erfahren nichts dazu“, kritisiert der Autor der Studie. Stattdessen heißt es in dem Beitrag: „Die Reden unterscheiden sich auch sonst nur wenig. Wie auch, es ist in dieser Situation alternativlos, die Wirtschaft mit Krediten und Zuschüssen zu unterstützen und die Bürger – soweit es geht – in ihren Existenzen zu sichern.“

Mit einer derart vorgefassten Meinung könne ein mündiger Leser sich kein eigenes Bild machen.

Fehlende Einordnung von Corona-Zahlen

Ein klassisches Beispiel für fehlende Standards in der Corona-Berichterstattung ist der Umgang mit Zahlen zu Todesfällen, Infizierten – pardon, positiv Getesteten – und COVID-Erkrankten. Wenn diese nicht in Relation zu anderen Angaben gesetzt werden, ist keine Orientierung möglich.

Auch die Reportagen aus Intensivstationen zeigten ein einseitiges Bild. „Personal in Schutzausrüstung wurden als Corona-Katastrophenfall wahrgenommen, obwohl es auf Infektionsstationen Alltag ist“, so Rieg.

Ebenso seien die Bilder von Militärfahrzeugen, die im italienischen Bergamo Särge abtransportierten, prägend für die Pandemiewahrnehmung rund um den Globus gegangen, obwohl es nur um 60 Tote in einer Großstadt ging, schildert der Autor. Wie viele Tote normalerweise an einem Tag dort starben, wie schnell das lokale Bestattungswesen an seine Grenzen kommt, insbesondere wenn es durch politische Vorgaben und eigene Quarantänefälle nicht so arbeiten kann wie üblich, von alledem erfuhr der Leser in den Berichten nichts.

„Wo nur Ausschnitte berichtet werden, kann kein Gesamtbild entstehen – wie im Gleichnis von der punktuellen Betrachtung eines Elefanten“, kommentiert Rieg. Und auch wer beispielsweise behaupte, Deutschland sei „verhältnismäßig gut“ durch die Corona-Pandemie gekommen, müsse zunächst benennen, was dafür gemessen wurde und welche Bewertungsskala dann an dieses Messergebnis angelegt wird.

Wortschöpfungen und Meinungsmache ersticken Kritik an Corona-Politik

Quer durch die Medienlandschaft haben sich in der Corona-Krise die Schlagwörter „Corona-Leugner“ oder „Verschwörungstheorie“ etabliert. Damit wurde jeder Kritiker der Corona-Politik belegt, der keine inhaltliche Auseinandersetzung verdient, bemängelt Rieg weiter.

Einzelstimmen aus der Politik wurden als ganze Wahrheit aufgebauscht, anstatt Meinungsvielfalt – ein wichtiger Teil der Pressefreiheit – zu fördern. Diese wurde im Keim erstickt. Wenn Meinungen, Tatsachen und „gefühlte Fakten“ zudem durcheinander geworfen werden, könne eine Verständigung nicht gelingen.

„Im Sinne eines demokratischen Prozesses müssen alle Stimmen Raum finden – und Zustimmung wie Widerspruch erfahren. Meinungen, die keinen Widerspruch vertragen, sind Dogmen“, stellt der Autor der Studie klar.

Dabei verweist er auf das Ungleichgewicht in ARD- und ZDF-Talkshows zum Thema Corona. Eine Analyse der Corona-Talkshow-Besetzungen vom 26. Februar bis 4. Mai 2020, die bei „Planet-Interview“ erschienen ist, ergab für Markus Lanz, Maybrit Illner, Frank Plasberg („Hart aber Fair“), Anne Will und Sandra Maischberger bei insgesamt 59 Sendungen 97 Auftritte von Politikern, wovon 77 Auftritte auf Regierungsparteien und 20 auf die Opposition (SPD 42, CDU/CSU 35, FDP 10, Bündnis 90/Die Grünen 8, Die Linke 2, AFD 0) entfallen. Die Sendung „Hart aber Fair“ verzichtet in acht Corona-Sendungen vollständig auf Politiker der Oppositionsparteien im Bundestag.

Medienforscher sind gefragt

Insgesamt zeigt die Studie, dass es im Corona-Journalismus großen Verbesserungsbedarf gibt. Die Medien müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein und sicherstellen, dass sie die Bevölkerung umfassend und korrekt informieren. Das bedeutet auch, dass sie sich ihrer eigenen Schwächen bewusst sein müssen und ihre Arbeit regelmäßig selbstkritisch hinterfragen sollten.

Mit seiner 128-seitigen Studie, die bislang über 5.200 Mal aufgerufen wurde, erhofft sich der Publizist nun eine Debatte von Medienforschern und Kommunikationswissenschaftlern.  Für ein Interview der Epoch Times stand Rieg leider nicht zur Verfügung.

Bei aller Kritik ist es wichtig zu betonen, dass es auch in der Corona-Berichterstattung viele positive Beispiele gibt. Viele Journalisten haben in den letzten Monaten unter schwierigen Bedingungen ausgezeichnete Arbeit geleistet und die Bevölkerung umfassend und korrekt informiert. Diese Arbeit sollte gewürdigt werden. Sie zeigt, dass es möglich ist, auch in schwierigen Zeiten qualitativ hochwertigen Journalismus zu betreiben.

 



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