Saat-Monopole: Globalisierung bedroht Pflanzen- und Lebensmittelvielfalt
Weitgehend unbemerkt von den meisten Menschen haben sich unsere Lebensmittel in den letzten Jahrzehnten stark verändert. In vielen Ländern vermitteln prall gefüllte Supermarktregale eine Illusion des Überflusses, kontrolliert von einer Handvoll mächtiger globaler Monopole, die die Lebensmittelproduktion mit einem Trick für sich beanspruchen.
Schuld ist die Globalisierung, die sich nicht nur auf politische oder wirtschaftliche Vorhaben beschränkt. Sie umfasst auch Bemühungen, die Landwirtschaft zu beeinflussen und den Lebensmittelkonsum weltweit zu homogenisieren. Dies und das Patentrecht wirken sich unmittelbar auf die Vielfalt der Lebensmittel in unseren Läden sowie auf unseren Äckern aus – und auf ihren Nährwert.
Essen bis zum Aussterben
Dan Saladino, langjähriger Lebensmitteljournalist der BBC, untersuchte, warum sich der Umfang unserer Ernährung drastisch verringert hat, obwohl in reichen Ländern wie den Vereinigten Staaten Lebensmittel im Überfluss vorhanden sind. Laut seinem im Jahr 2022 veröffentlichten Buch „Eating to Extinction: The World’s Rarest Foods and Why We Need to Save Them“ (Die seltensten Lebensmittel der Welt und warum wir sie retten müssen) führt die abnehmende Vielfalt zum Aussterben einiger Nahrungspflanzenarten.
„In den letzten Jahrzehnten hat die Globalisierung das, was wir essen, homogenisiert, und zwar rücksichtslos“, schreibt er. „Von den rund sechstausend verschiedenen Pflanzen, die der Mensch einst verzehrte, sind heute nur noch neun wichtige Grundnahrungsmittel. Nur drei davon – Reis, Weizen und Mais – liefern heute fünfzig Prozent aller Kalorien.“
Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) liegt der Anteil sogar eher bei 60 Prozent. Die FAO schätzt außerdem, dass 15 Nutzpflanzen 90 Prozent der weltweit aufgenommenen Nahrungsenergie liefern.
Monopole beherrschen den globalen Lebensmittelmarkt
Diese schwindende Vielfalt ist laut Saladino auf die Art und Weise zurückzuführen, wie unsere Lebensmittel unter der strengen Kontrolle einiger weniger Großunternehmen produziert werden: „Die Quelle eines Großteils der weltweiten Nahrungsmittel – Saatgut – befindet sich größtenteils in der Hand von nur vier Unternehmen.“ Weiter schrieb er:
„Fünfundneunzig Prozent der in den Vereinigten Staaten konsumierten Milch stammt von einer einzigen Kuhrasse [der Holstein-Kuh]. Die Hälfte des weltweit produzierten Käses wird mit Bakterien oder Enzymen eines einzigen Unternehmens hergestellt. Und jedes vierte Bier, das auf der Welt getrunken wird, ist das Produkt einer einzigen Brauerei.“
Saladino erklärte gegenüber Epoch Times, dass die Pflanzenvielfalt erhaltenswert sei, weil sie „das Erbe von Tausenden von Jahren der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion“ darstelle.
„Wir alle müssen die Bedeutung der [Lebensmittel-]Vielfalt anerkennen – für unsere zukünftige Ernährungssicherheit, für die Widerstandsfähigkeit, für die Gesundheit und weil sie Teil dessen ist, was uns zu Menschen macht“, sagte er.
Die „Big 4“ und 75 Prozent Artenschwund
Wie die „Deutsche Welle“ im Jahr 2021 berichtete, wurden in den 1990er-Jahren Gesetze zum Schutz biotechnisch veränderter Pflanzen erlassen. Infolgedessen kontrollierten heute jedoch nur vier Konzerne mehr als die Hälfte des weltweiten Saatguts: Bayer (mit Monsanto), Corteva (Fusion aus DuPont und Dow), ChemChina (einschließlich Novartis und AstraZeneca) und Limagrain. Die Autorin des Artikels Charli Shield nannte sie „schwindelerregende Monopole [die] die globale Lebensmittelversorgung dominieren“. Sie fasst zusammen, dass „immer mehr Lebensmittel auf immer weniger genetische Vielfalt angewiesen sind.“
Professor Philip Howard von der Michigan State University beobachtete die Entwicklung dieser Monopole über einen längeren Zeitraum. Im Jahr 2018 schrieb er, dass die „Big 4“ – Bayer, Corteva, ChemChina und BASF – mehr als 60 Prozent des weltweiten Saatgutabsatzes kontrollieren. Wobei Limagrain und BASF etwa gleiche Marktanteile haben und „über drei Ecken“ mit allen den anderen „Big 4“ verbunden.
Im Januar 2023 ergänzte Howard: „Zwischen 2018 und 2022 hat sich der Trend innerhalb der Agrochemie- und Saatgutunternehmen ungehindert fortgesetzt. [Sie] haben ihre Macht durch taktische Übernahmen und Fusionen ausgebaut. Die Megafusion von Sinochem und ChemChina im Jahr 2021 […] – zwei riesigen Firmen im Besitz der chinesischen Regierung – führte zur Bildung des weltweit größten Chemiekonglomerats und des drittgrößten Saatgutunternehmens. Letzteres firmiert unter dem Namen eines zuvor übernommenem Schweizer Unternehmens, Syngenta.
Diese Entwicklung blieb auch von der FAO nicht unbemerkt. Angesichts des offensichtlichen Trends fragte sie „Was geschieht mit der biologischen Vielfalt?“ Ihre Antwort:
„Die Ausweitung der industriellen Patentierung und anderer Systeme des geistigen Eigentums auf lebende Organismen hat zu einem weit verbreiteten Anbau und einer Aufzucht von weniger Sorten und Rassen geführt. Dies führt zu einem einheitlicheren, weniger vielfältigen, aber wettbewerbsfähigeren Weltmarkt.“
Im Jahr 2019 ergänzte die Organisation in ihrem Statusbericht zur weltweiten Artenvielfalt für Lebensmittel und Landwirtschaft: „Die biologische Vielfalt macht Produktionssysteme und Lebensgrundlagen widerstandsfähiger gegenüber Schocks und Belastungen, einschließlich der Auswirkungen des Klimawandels“. Die FAO schätzt jedoch auch, dass bereits zwischen den Jahren 1900 und 2000 drei von vier Nutzpflanzenarten verloren gegangen sind. Wenn sich die Entwicklung fortsetzen würde, gefährde dies die weltweite Ernährungssicherheit.
Patente schaffen Monopole auf Pflanzen und Tiere
Der in München ansässige und international aktive Verein „Keine Patente auf Saatgut“ sieht die Ursache in eben jenen Patenten. Dort spricht man zudem bereits nur noch von den „Großen 3“: Bayer (Monsanto), DowDuPont (Corteva) und Syngenta (ChemChina), die zusammen 60 Prozent des Marktes beherrschen.
Die Gruppe um Dr. Christoph Then erklärte, dass, obwohl das Europäische Patentamt 2017 die Erteilung von Patenten auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere eingestellt hat, Unternehmen nun Schlupflöcher nutzen, um zufällig erzeugte (und nicht gentechnisch veränderte) Pflanzenmutationen zu patentieren.
So stellen sie an mehreren Stellen fest, dass Patente auf die Nutzung natürlich vorkommender Gene, auf Saatgut, auf Pflanzen und auf deren Ernte ein erhebliches Risiko für die Zukunft der Ökosysteme, die globale Ernährungssicherheit und die regionale Ernährungssouveränität darstellen. Werden Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere erteilt, können die Patentinhaber zudem andere Züchter davon ausschließen, sie zu nutzen.
In einigen Fällen, so die Kurzfilmserie „Rich Appetites“, können Saatgutgesetze Kleinbauern sogar verbieten, einen Teil der eigenen Ernte aufzubewahren, um es später als Saatgut zu verwenden. So heißt es im zweiten von bislang fünf Filmen: „Die Kontrolle des Saatguts durch Unternehmen verletzt die Rechte der Landwirte gemäß internationaler Konventionen und gefährdet die Lebensgrundlagen der Menschen, indem sie den Hunger vergrößert und kulturelle Traditionen untergräbt.“
Gut gemeint, schlecht umgesetzt
AGRA Watch und die Allianz für Lebensmittelsouveränität in Afrika (AFSA), die „Rich Appetites“ produzierten, untersuchten ebenfalls die Art und Weise, wie die Nahrungsmittelproduktion unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit kontrolliert wird. So heißt es in der Serie weiter:
„Milliardäre und Philanthropen [wie die Bill und Melinda Gates Stiftung oder die Rockefeller Stiftung] treiben die industrielle Landwirtschaft nach US-Vorbild rund um den Globus voran – auch in Afrika. Die industrielle Landwirtschaft ist die Hauptursache für den Verlust der Artenvielfalt weltweit, löst den Hunger nicht und schadet den Kleinbauern und dem Planeten.“
Obwohl westlich geführte Wohltätigkeitsorganisationen es vielleicht gut meinen, hat ihr Beharren auf der Durchsetzung dieses Ansatzes in der Landwirtschaft mehr Schaden als Nutzen angerichtet, so AGRA Watch und AFSA.
So behauptet auch die Gates-Stiftung, dass die Industrialisierung den Bauern und den Armen zugutekomme. Die Unterstützung afrikanischer Bauerngruppen durch die Stiftung beruht beispielsweise auf ihrem Engagement für die „Umwandlung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in eine nachhaltige, integrative Grundlage wirtschaftlicher Chancen“, heißt es auf ihrer Website.
Wir beginnen gerade erst, zu verstehen
Dan Saladino hat die Entwicklung der Philanthropen bis in die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg zurückverfolgt. In seinen Augen war das Bestreben, die Hungernden der Welt effizienter zu ernähren, der ursprüngliche Grund für die Bemühungen, Lebensmittel produktiver und einheitlicher zu machen. Die Agrarwissenschaftler jener Zeit fanden Wege, Reis und Weizen „in einem phänomenalen Ausmaß“ zu produzieren, schrieb er.
Obwohl dies ein nobler Versuch gewesen sei, „Millionen von Menschen vor dem Verhungern zu retten“, war es ein Kompromiss, der zu einem Verlust der Nahrungsmittelvielfalt führte. In einer E-Mail an Epoch Times schrieb Saladino:
„Wir können nicht mit einem Einheitsansatz an die Ernährung der Welt herangehen, der lediglich darauf basiert, mehr und mehr Kalorien zu produzieren. Die Wissenschaft fängt gerade erst an, uns die Komplexität und Raffinesse vieler traditioneller Lebensmittel- und Landwirtschaftssysteme vor Augen zu führen. Diese Forschung verdient, neben neuen Technologien, Investitionen. Wir haben bereits zu viele genetische Ressourcen, Kenntnisse und Fähigkeiten verloren, die uns helfen könnten, die Welt in Zukunft zu ernähren.“
Agrarökologische Artenvielfalt statt Monopole
Eine Rückkehr zu biodiversitätserhaltenden Anbaumethoden scheint unmöglich, solange industrielle Agrarriesen die Lebensmittelproduktion vom Saatgut bis zum Regal monopolisieren, doch es gibt Möglichkeiten. Eine wichtige Fürsprecherin der Saatgut- und Ernährungssouveränität von Kleinbauern ist Dr. Vandana Shiva, Gründerin der indischen Navdanya-Bewegung und Navdanya International mit Sitz in Italien.
„Die Abkehr von der durch multinationale Konzerne vorangetriebenen Globalisierung […] hin zu einer fortschreitenden Lokalisierung unserer Wirtschaft ist zu einem ökologischen und sozialen [Gebot geworden, das] für die Ernährungssouveränität unerlässlich ist“, schrieb sie im Oktober 2022.
Navdanya wendet sich gegen das, was sie „Biopiraterie“ nennt – die Patentierung von landwirtschaftlichem Wissen und Techniken. Gleichzeitig fördert und betreibt sie Forschung, Lobbyarbeit und Partnerschaften, um Kleinbauern dabei zu helfen, die Kontrolle darüber zu behalten, was und wie sie es produzieren.
Zwei weitere Gruppen, die sich für eine Veränderung der landwirtschaftlichen Praktiken einsetzen, sind die deutsche „Zukunftsstiftung Landwirtschaft“ und „Biovision“ aus der Schweiz. Gemeinsam veröffentlichten die Organisationen einen 182-seitigen Bericht über die Transformation des Lebensmittelsystems. Darin beschreiben die Autoren die zunehmenden weltweiten Bemühungen bezüglich der Umstellung der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion von einem homogenisierten industriellen System auf ein sogenanntes „agrarökologisches Modell“.
Mit diesem Modell könnten die Landwirte bis Mitte des 21. Jahrhunderts eine Weltbevölkerung von zehn Milliarden Menschen ernähren und gleichzeitig die biologische Vielfalt der Pflanzen erhalten und die Abhängigkeit von schädlichen industriellen Praktiken verringern, so die Autoren.
Lösungen: Davids gegen Goliaths
„Wir können die Beziehung der Jäger und Sammler zur Natur und zur biologischen Vielfalt nicht nachahmen“, beginnt Saladino seinen Schlussgedanken. „Aber wir können unser Bewusstsein für die Lebensmittel um uns herum, für die Landwirte und Lebensmittelproduzenten in unserem Teil der Welt und für die Pflanzen, Früchte und anderen Lebensmittel schärfen, die an die Orte angepasst sind, an denen wir leben. Eine einfache Möglichkeit, dies zu tun, besteht darin, im Einklang mit den Jahreszeiten zu leben und zu essen.“
„Technologie ist eine der Triebfedern der Globalisierung und der Homogenisierung von Lebensmitteln, aber Technologie kann uns auch dabei helfen, die Vielfalt zu erhalten“, stellt er fest. So beschreibt er die Begegnung mit einem Bauern im Südwesten Chinas, der gefährdete Reissorten rettet, indem er sie über WeChat direkt an Menschen in Chengdu und Peking verkauft.
„Durch eine App auf unseren Telefonen ist es für mehr von uns möglich, eine direkte Beziehung zu Landwirten und Lebensmittelproduzenten zu haben“, sagte er der Epoch Times. Und wer lokal einkauft, kocht mit Lebensmitteln, die gerade Saison haben.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: Countering the Threat of Global Food Homogenization (redaktionelle Bearbeitung ger)
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