US-Studie: TikTok fördert Gewalt gegen Frauen
Soziale Medien wie Facebook, Twitter, Instagram oder TikTok genießen einen umstrittenen Ruf. Viele Menschen nutzen und lieben diese Apps, weil sie Momente teilen, mit Freunden und Familie in Kontakt sein oder sich zu gleich gesinnten Gemeinschaften zusammenschließen können.
Ein nicht minder großer Teil der Bevölkerung lehnt sie wegen potenzieller Gefahren ab. So kann die seelische und körperliche Gesundheit durch aufgestellte Schönheitsideale geschädigt oder Daten der Nutzer gesammelt und digitale Zwillinge erstellt werden.
Eine weitere große Gefahr sind die Algorithmen, die dafür gemacht sind, Nutzern die Inhalte zu liefern, die sie interessieren. Diese einseitige Auswahl kann schließlich die Radikalisierung von Meinungen und damit der Nutzer fördern. Forscher der Universität Portsmouth (USA) konnten kürzlich genau diesen besorgniserregenden Effekt bei TikTok nachweisen und machen somit auf eine speziell frauenfeindliche Gruppe auf der drittbeliebtesten Social-Media-Plattform Deutschlands aufmerksam.
Rasant wachsende Gemeinde
Bei dieser Gruppe handele es sich um Männer, die Beiträge zu Frauenfeindlichkeit, Sexismus und Gewalt gegen Frauen auf TikTok verbreiten. Zu den Anhängern derartiger Überzeugungen gehören sogenannte „Incels“ („involuntary celibate men“), also Männer, die unfreiwillig im Zölibat leben.
Oftmals sind keine oder negativ verlaufene Beziehungen mit Frauen und Unzufriedenheit mit sich selbst, weil Mann selbst nicht dem Ideal entspreche, der Auslöser ihres Hasses. Dies bringen sie schließlich mit Aussagen wie „Frauen sind der Abschaum der Erde“ oder „Alle Frauen sind Schlampen“ zum Ausdruck.
Den Anfang zur Gruppierung der Incels nahm vermutlich der Amoklauf des US-Amerikaners Elliot Rodger im Jahr 2014. Aus Rache erschoss der 22-Jährige in der Universität von Santa Barbara sechs Menschen und verletzte 14 weitere schwer. Vor seiner Tat nahm der Schütze ein Video mit der Botschaft „Wenn ich euch nicht haben kann, Mädels, dann zerstöre ich euch“ auf und verteilte dieses in den sozialen Medien. Seither feiern Incels immer wieder den Amerikaner für seine Tat und stimmen seiner Geisteshaltung zu.
Dass derartige Vorfälle nicht nur in den USA stattfinden, zeigen auch die Beispiele der Attentäter von Halle und Hanau. So sollen Ermittler bei ihnen Verbindungen zur Incel-Gemeinschaft gefunden haben.
Allgemein scheint in Deutschland die Gewaltbereitschaft junger Männer gegenüber Frauen zu wachsen, wie eine diesjährige Umfrage zeigt. So gab ein Drittel der knapp 1.000 befragten Männern zwischen 18 und 39 Jahren an, dass sie Gewalt gegenüber Frauen anwenden (würden) und dies in Ordnung fänden.
„Weit verbreiteter Irrglaube“
Bislang gingen viele Wissenschaftler davon aus, dass vor allem spezielle Foren den Nährboden für die aufsteigende Frauenfeindlichkeit bilden. Nun haben Forscher um Anda Solea von der Universität Portsmouth gezeigt, dass auch soziale Medien – speziell TikTok – dieses Potenzial haben. In ihrer Studie untersuchte die Forscherin zwei bekannte Incel-Accounts mit ihren 52 Videos und 1.657 Kommentaren.
„Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass es sich bei Incels um eine Untergrundgemeinschaft handelt, die nicht auf beliebten Plattformen wie TikTok agieren. Unsere Studie zeigt, dass die Incel-Ideologie auf TikTok populär ist und gedeiht“, so Solea von der Fakultät für Kriminologie und Strafrechtspflege.
Dass Menschen mit extremistischen Überzeugungen seit Jahrzehnten das Internet nutzen, um Ideologien zu verbreiten, die Hass und Gewalt schüren, ist schon seit längerer Zeit bekannt. Doch besonders mit ihrer steigenden Beliebtheit förderten die sozialen Medien die Verbreitung dieses Gedankenguts, so die Forscher. Von allen antifeministischen Männergruppen werden jedoch die Incels am meisten mit Gewalt in Verbindung gebracht.
„Incels sind der Ansicht, dass sie aufgrund der gesellschaftlichen Hierarchien, die auf Aussehen, Geld und Status basieren und in denen Frauen die Macht haben, keine romantischen Beziehungen eingehen können. Sie werden mit Hassreden und Gewalt gegen Frauen in Verbindung gebracht, was sie zu einem zunehmenden Sicherheitsproblem macht“, erklärt Solea.
Incels benutzen TikTok gezielt
Bislang nahmen Forscher an, dass Mainstream-Plattformen wie TikTok wegen ihrer strengeren Moderationspolitik und Richtlinien frei von der Incel-Ideologie sind. Dies scheint die Gruppe jedoch zu umgehen, wie die Forscher in ihrer Studie zeigen.
„Ihre cleveren und subtilen Ansätze zielen zunächst darauf ab, ein breiteres Publikum anzusprechen, einschließlich derjenigen, die mit den Feinheiten der Incel-Ideologie nicht vertraut sind“, erklärt Dr. Lisa Sugiura, Professorin für Cyberkriminalität an der Universität Portsmouth.
Um nicht entdeckt zu werden, aber trotzdem ihre extremistischen Ansichten zu verbreiten, nutzen Incels auf TikTok drei wesentliche Punkte:
- Pseudowissenschaft: Mit gefälschten oder falsch interpretierten Diagrammen, Umfragen und Informationen, soll „die wahre Natur der Frauen aufgedeckt werden“. Diese Daten werden oft wissenschaftlich dargestellt, um ihnen Legitimität zu verleihen.
- Emotionale Appelle: Es werden beliebte Videos oder Bilder anderer Medien verwendet, die die Erniedrigung und das Leiden unattraktiver Männer durch Frauen darstellen sollen. So stellen sich die Anhänger dieser Gruppe als Opfer dar und versuchen, Mitgefühl zu wecken.
- Gezielte Sprache und Begriffe: Ihre Inhalte sind so formuliert, dass sie die sprachliche Kontrolle von TikTok passieren, aber offensichtlich genug sind, um extremistische Inhalte zu verbreiten.
Mit diesen Ansätzen schaffen es die Incels also, nicht nur unter dem Radar zu agieren, sondern auch immer mehr Mitglieder zu gewinnen. Eine Analyse der Kommentare zeigte zudem, dass jegliche Anfeindungen und Gewaltgedanken schließlich von ihnen als normal dargestellt werden. Sie rechtfertigen dies durch Schuldzuweisung an die Frauen und an das Strafrechtssystem.
„Da TikTok an Popularität gewinnt, müssen wir mehr tun, um die wachsende Aktivität von Incels auf solchen Plattformen zu verstehen“, schließt Sugiura.
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