„Staatshaftung“ für angepassten Corona-Impfstoff erst nach STIKO-Empfehlung

Spätestens in fünf Tagen wird die STIKO-Empfehlung für die angepasste BioNTech/Pfizer-Impfstoffvariante „XBB.1.5“ erwartet. Die KVBW warnt: Erst danach bestehen im Fall eines Impfschadens wieder Haftungsansprüche gegen den Staat.
Besonders viele Todesfälle konnten während der Omikron-Welle verhindert werden.
Archivbild: BioNTech/Pfizer hofft auch bei seinem angepassten COVID19-Impfstoff im Winterhalbjahr 2023/24 auf gute Geschäfte.Foto: Sven Hoppe/dpa
Von 13. September 2023

Das Land Baden-Württemberg haftet derzeit noch nicht bei Impfschäden, die durch die Verabreichung der aktuell angepassten BioNTech/Pfizer-Präparatvariante Comirnaty XBB.1.5 entstehen könnten. Darauf hat die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) ihre Mitglieder hingewiesen.

In einem Rundschreiben an „alle für die Schnellinformation angemeldeten Ärzte der KVBW“ vom 7. September 2023 stellte die Interessenvertretung der Kassenärzte klar, dass die „Ständige Impfkommission“ (STIKO) noch keine Empfehlung für den XBB.1.5-Impfstoff erteilt habe.

Das Wörtchen „noch“ hebt der Verfasser in seinem Text per Unterstrich hervor. Denn die KVBW rechnet damit, dass die STIKO-Empfehlung bis zum 18. September vorliegen wird – rechtzeitig zur geplanten XBB.1.5-Auslieferung. Das habe das Landesministerium für Soziales, Gesundheit und Integration bereits mitgeteilt, heißt es in dem KVBW-Papier.

Impfen auf eigenes Risiko

Solange die STIKO aber nicht grünes Licht gegeben habe, existiere auch keine „öffentliche Impfempfehlung des Landes Baden-Württemberg“. Und damit hätten die Patienten keinen Anspruch „auf Leistungen im Rahmen des Bundesversorgungsgesetzes im Falle eines Impfschadens“. Es gebe also keine „Staatshaftung“.

Dieser Umstand betreffe nicht nur den neuen XBB.1.5-Impfstoff, sondern auch andere Impfungen, die ein Arzt zwar als „medizinisch erforderlich“ betrachte, für die die STIKO aber keine Empfehlung ausgesprochen habe. Außerdem sei die Staatshaftung für den COVID-19-Impfstoff VidPrevtyn Beta ausgeschlossen. Dabei geht es um den zweiten proteinbasierten COVID-19-Impfstoff, der kein mRNA-Präparat ist. Allerdings sei schon Novavax, der erste proteinbasierte Impfstoff, der in der EU zugelassen wurde, kein Hoffnungsträger gewesen, wie der Journalist Norbert Häring auf seinem Blog schreibt. Der 2022 regulär zugelassene COVID-Totimpfstoff VLA2001 des österreichisch-französischen Impfstoffspezialisten Valneva wurde hingegen totgeschwiegen und beerdigt.

Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg weist ausdrücklich darauf hin, dass die Ärzte alle diese Impfungen dennoch durchführen“ könnten. In der Praxis aber sollten die Ärzte ihre Patienten „vor der Impfung über den fehlenden Anspruch auf Versorgung im Falle eines Impfschadens“ aufklären und sich diese Aufklärung „per Unterschrift bestätigen“ lassen.

Kritik: Zu spät angepasst, zu wenig Auswahl

Nach Ansicht des Hamburger Kinderarztes Dr. Alexander Konietzky, dem ärztlichen Geschäftsführer und Sprecher des Vorstandes der Vereinigung „Ärzte für individuelle Impfentscheidung“ (ÄfI), kommt der XBB.1.5-Impfstoff zu spät. Der entsprechende Omikron-Typ sei im März und April vorherrschend gewesen. Seit August dominiere in Deutschland aber der Typ EG5.1. Die Passgenauigkeit der zur Verfügung gestellten Pfizer/BioNTech-Präparate werde somit eindeutig verfehlt.

Die Hersteller-Wahlmöglichkeit für den Patienten wurde laut „Tagesschau“ aufgrund von EU-Verträgen stark eingeschränkt: Der Bund bestellt und zahlt nur noch Impfstoffe aus dem Haus Pfizer/BioNTech. Wer andere Präparate haben wolle, etwa von Moderna, der müsse selbst dafür zahlen.

Der Toxikologe Prof. Stefan Hockertz rät sogar generell von mRNA-basierten COVID-19-Impfstoffen ab. Es handele sich „nicht um klassische Impfstoffe, sondern um genbasierte Injektionen zur Manipulation von Körperzellen“, erklärte Hockertz am 28. Februar 2023 während eines Online-Impfsymposiums (Video auf „Rumble“, ab ca. 33:00 Min.) des maßnahmenkritischen Vereins „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“ (MWGFD).

STIKO setzt weiter auf „Grundimmunisierung“

Die STIKO hatte ihre „COVID-19-Impfempfehlung“ zuletzt am 20. Juli 2023 auf den neusten Stand gebracht. Demnach empfiehlt die Impfkommission noch immer „gesunden Menschen zwischen 18 und 59 Jahren“ eine sogenannte „Grundimmunisierung“. Diese sieht die STIKO bei drei „immunologischen Ereignissen“ als erfüllt an. „Mindestens zwei dieser Ereignisse sollten Impfungen sein, das dritte Ereignis kann eine Corona-Infektion oder eine dritte Impfung sein“, erklärt der NDR.

Die STIKO hatte im Mai 2023 davon Abstand genommen, „gesunden Kindern und Jugendlichen“ eine COVID-19-Impfung zu empfehlen. Am 25. Mai wurden die neuen „Empfehlungen zur COVID-19-Impfung […] in die aktuellen STIKO-Empfehlungen integriert“, wie das „Robert Koch-Institut“ (RKI) bekannt gegeben hatte. STIKO-Chef Prof. Thomas Mertens hatte diesen Schritt bereits gut einen Monat zuvor angekündigt.

Nach all den Skandalen um Impfschäden bis hin zum Tod durch eine Anti-COVID-19-Spritze definiert die STIKO die Ziele ihrer Impfempfehlungen inzwischen nur noch darin, „schwere COVID-19-Verläufe (Hospitalisierungen und Todesfälle) zu verhindern, mögliche Langzeitfolgen von SARS-CoV-2-Infektionen in der gesamten Bevölkerung so weit wie möglich zu reduzieren“ und „Beschäftigte in der medizinischen und pflegerischen Versorgung vor SARS-CoV-2-Infektionen zu schützen“.

Eine Liste der bereits zugelassenen „COVID-19-Impfstoffprodukte“ findet sich beim „Paul-Ehrlich-Institut“ (PEI).

XBB.1.5-Zulassung in der EU seit Ende August

Nach Informationen der „Kassenärztlichen Bundesvereinigung“ ist der „an die Omikron-Variante XBB.1.5 angepasste COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer“ bereits seit dem 5. September durch Arztpraxen bestellbar.

Die Zulassung nebst Empfehlung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) erfolgte eigenen Angaben zufolge bereits am 30. August durch den EMA-Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP). Die EMA empfiehlt das mRNA-Präparat Comirnaty Omicron XBB.1.5 ab einem Alter von sechs Monaten.

Nach Angaben des PEI ist die Europäische Kommission der EMA-Empfehlung gefolgt und erteilte am 31. August die EU-weite Zulassung. „Bisherige Daten“ deuteten „darauf hin, dass der angepasste Impfstoff nicht nur gegen XBB.1.5, sondern auch gegen andere derzeit zirkulierende (Sub-)Varianten einen wirksamen Schutz bietet“, schreibt das PEI. Nach Angaben des NDR soll Comirnaty Omicron XBB.1.5 auch gegen die EG.5-Variante (Eris) wirken.

Dennoch dürften „lange Schlangen und Wartelisten für Impfungen […] der Vergangenheit angehören“, spekuliert der NDR. Immerhin gebe es keine Impfzentren mehr, und auch die „Coronavirus-Impfverordnung“ sei im April 2023 ebenso wie der „pandemische Zustand“ außer Kraft gesetzt worden. „Ansprechpartner für Corona-Impfungen“ seien „seitdem niedergelassene Ärzte und Ärztinnen sowie Betriebsärzte“. Apotheken dürften „Corona-Folgeimpfungen über die dritte Dosis hinaus“ nicht mehr durchführen, es sei denn, ein Arzt habe dies angeordnet.

Schaden-Beweislast bei Impfgeschädigten

„Ein medizinischer Zusammenhang zwischen Impfung und Schaden kann nur in den seltensten Fällen nachgewiesen werden. […] Die Beweislast liegt allerdings bei den Betroffenen. […] Ein zufälliger zeitlicher Zusammenhang reicht nicht aus“, hieß es zum Thema Schadenersatz nach Impfschaden am 19. Mai beim MDR.

Nach Angaben des SWR stehen die Chancen Betroffener auf Erfolg vor Gericht ziemlich schlecht: „In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bekannte Nebenwirkungen vertretbar sind, wenn das Arzneimittel zugelassen ist, […] Es müssten […] bislang unbekannte Impffolgen eintreten.“

Sollten die Antragsteller doch Erfolg haben, „dann haben Betroffene Recht auf eine monatliche Grundrente vom Staat, die abhängig von der Schwere des Schadens bis zu 854 Euro pro Monat betragen kann“, wie „t-online.de“ am 15. März bekannt gab. Nach Informationen des MDR haben „Betroffene […] auch Anspruch auf Heilbehandlungen und einen Ausgleich für berufliche Einkommenseinbußen“. „In Extremfällen“ könne „die monatliche Gesamtsumme bis zu 15.000 Euro betragen“.



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