Ursula von der Leyens „Großer Sprung nach vorn“

Ursula von der Leyen will Europa bis 2050 klimaneutral machen, und zwar ohne Rückfahrkarte. Woran erinnert uns das? Maos „Großer Sprung“ wurde 1958 begonnen und bereits ab 1959 schrittweise abgeblasen, nachdem offenkundig wurde, dass der Führer einen Sprung in der Schüssel hatte.
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Ursula von der Leyen könnte mit ihrem "New Green Deal" der ganz "Große Sprung nach vorn" gelingen.Foto: ARIS OIKONOMOU/AFP via Getty Images
Von 13. Dezember 2019

Ursula von der Leyen will Europa bis 2050 klimaneutral machen, und zwar ohne Rückfahrkarte. Schon letztere Vision der Unumkehrbarkeit irritiert mich. Das Märchen vom Rad der Geschichte besagt, dass es sich immer nach vorne drehen muss. Nach einem anderen Modell herrscht ein endloser Kreislauf, in dem sich alles wiederholt. Lieber Leser, entscheide selbst!

Maos „Großer Sprung“ wurde 1958 begonnen und bereits ab 1959 schrittweise abgeblasen, nachdem offenkundig wurde, dass der Führer einen Sprung in der Schüssel hatte. Der Aufbau des Kommunismus endete in Deutschland schon nach 45 Jahren und das Tausendjährige Reich dauerte sogar nur zwölf Jahre. Napoleons Experiment eines Supereuropa war großzügig gerechnet – mit dem Konsulat – nach sechzehn Jahren am Ende. Alle großen Pläne scheiterten relativ schnell an den Realitäten. Insofern ist Von der Leyens Planungshorizont über 30 Jahre schon recht mutig.

Überhaupt: Der Übergang zur Planwirtschaft deckt eine erschreckende Unbelehrbarkeit der heutigen CDU-Kader auf. Planwirtschaften sind in Europa alle gescheitert: Die Kriegswirtschaft in Deutschland von 1914 bis zur Währungsreform 1949 sollte doch eigentlich abschreckendes Exempel genug sein, genauso wie die Pläne der Russenzeit.

Als ich in die Schule kam, hing an der linken Wand des Klassenraums eine lange Wandzeitung zum Siebenjahresplan.  Das Leuchtturmprojekt war die Erdöltrasse Druschba. Sie wurde mit nur vier Monaten Verspätung fertig und leitete den Übergang von der Kohle- zur Erdölwirtschaft ein. Denkste! Ab 1978 kam das Kommando zurück und es wurde wieder alles auf Kohle umgestellt. Diese unproduktive Kampagnenwirtschaft ist der eigentliche Grund Planwirtschaft zu betreiben. Innovation kann man nicht planen, Planung läuft immer auf quantitative Ziele hinaus, nie auf qualitative.

Maos „Großer Sprung“ hatte einige Ähnlichkeiten mit Von der Leyens Initiative. Die Industrie sollte von zentraler Großindustrie auf örtliche Kleinunternehmen umgebaut werden. Die ländlichen Volkskommunen begannen dilettantisch vom Rohstahl über Elektroenergie bis zur Maomütze alles dezentral herzustellen. Damit sollten erklärtermaßen Transporte eingeschränkt werden.

Der große Vorsitzende warb dafür, kein Fleisch mehr zu essen. Unter dem Strich litt die Effizienz, die Bauern wurden in Projekte eingespannt, von denen sie nichts verstanden und die Getreideproduktion ging wegen der Kollektivierung erheblich zurück. Bereits 1959 kam es zu ersten Hungerrevolten. Das Ziel des „Großen Sprungs“ war es, Großbritannien zu überholen. Dabei wurden die schiere Menge des erzeugten Rohstahls und des Getreides zum Maßstab erhoben, alles andere war wurscht. So wie es heute nur noch um die Menge des CO2 geht. Tunnelblick nennt man das.

Wie heute in den MSM breitete sich in den chinesischen Medien ein grenzenloser Optimismus aus, der sich teilweise bis zum Wahnsinn steigerte. Angetrieben wurde der Höhenflug durch die angestrebte und angekündigte überragende Getreideernte von prognostiziert 525 Mio. Tonnen. Tatsächlich geerntet wurden übrigens sehr unterdurchschnittliche 143 Mio. Tonnen.

Die Wissenschaft stand Gewehr bei Fuß und fand heraus, dass alles was die Parteizeitungen wollten, zum gigantischen Erfolg führen würde. Der führende sowjetische „Wissenschaftler“ Trofim Lyssenko vertrat die Ansicht, dass von Pflanzen und Tieren einmal erworbene Eigenschaften problemlos vererbt würden. Gene gäbe es nicht. Eine Jagd der Presse auf erfundene Züchtungserfolge setzte ein. Die Propagierung der Theorien von Lyssenko und Mitschurin führten zu Berichten der Lügenpresse über angeblich erfolgreiche Kreuzungen nicht näher miteinander verwandter Pflanzen wie beispielsweise Baumwolle mit Tomaten oder Kürbissen mit Papayas.

Xinhua, die Lügenschneiderei der Partei, die in Kleber-Manier politisch Korrektes wie vom Fließband produzierte, berichtete über Pflanzen mit ungewöhnlich großen Früchte oder Ährenständen. So würden Kürbisse nicht mehr 13, sondern 132 Pfund wiegen, Reisähren würden nicht mehr 100, sondern 150 Reiskörner tragen. Völlig enthemmt wurde jeder gewünschte Unsinn zusammengelogen.

Genossen erklärten unhinterfragt, sie würden Schweine züchten, die drei Meter lang seien. Das erinnert alles stark an die Berichterstattung zur Energiewende, insbesondere zur Speicherung von Elektroenergie.

Beeinflusst von dem sog. „Wissenschaftler“ Trofim Lyssenko hatte Mao versichert, dass Pflanzen derselben Art nicht miteinander um Licht und Nährstoffe konkurrieren würden. Die Pflanzabstände wurden drastisch verringert. Erfahrenen Bauern war klar, dass diese Maßnahmen zu schlechteren Erträgen führen würden, aus Furcht, bestraft oder gar als Rechtsabweichler verurteilt zu werden, wagten sie nicht zu widersprechen. Es war dasselbe Klima der Denunziation und kopfloser Hetze wie heute in Deutschland.

Die an die Zentralregierung 1958 gemeldeten, meist stark übertriebenen Zahlen ließen für Baumwolle, Reis, Weizen und Erdnüsse hohe Ernten erwarten. So ging die Zentralregierung von einer Ernte von 525 Millionen Tonnen Getreide aus, nachdem 1957 die Ernte noch 195 Millionen Tonnen betragen hatte. Als Nikita Chruschtschow im August 1958 zur Visite in Peking eintrudelte, dozierte Mao über den gigantischen Erfolg des Großen Sprungs nach vorn. Man habe so viel Reis, dass man nicht wisse, was man damit anfangen solle. Gleichzeitig gab es draußen im Land die ersten Plünderungen von Getreidelagern, weil die Mägen knurrten. Peking war damals so ein trudelndes Raumschiff, wie heutzutage Berlin oder Brüssel.

Eine große Medienkampagne wurde mit der Führerin einer Frauenvereinigung gestartet, die aus ihrem Haus auszog, um dessen Mauern als Dünger zur Verfügung zu stellen. Zwei Tage später waren bereits 300 Häuser, fünfzig Rinder- und hunderte von Hühnerställen abgerissen, um als Dünger zu dienen. Bis Ende des Jahres wurden mehr als 50.000 Gebäude pulverisiert. Erinnert uns das nicht an die Stilllegung der Kern- und Kohlekraftwerke? Oder an die Tinihäuser?

Als gegen Ende der Druck weiter wuchs, wurden, statt Stahl zur Weiterverarbeitung für nützliche Geräte zu produzieren, nützliche Geräte zu unbrauchbarem Schrott eingeschmolzen, während die Journalisten genüsslich in den Planerfüllungsprozenten der Stahlproduktion schwelgten.

Da die nationalen Ziele auf Parteitreffen in verhältnismäßig kurzen Abständen immer wieder höher gesetzt wurden, führte dies in der Summe zu einer inflationären Zielsetzung bis auf Dorfebene hinab. Widerspruch gegenüber dieser Zielsetzung war auf allen Ebenen mit dem Risiko verbunden, als Rechtsabweichler verurteilt zu werden. Man sieht: Der Kampf gegen Rächts ging zur Not auch ohne Björn Höcke als „völkisches“ Schreckgespenst. Ohne Trump und ohne Salvini.

Bruder und Schwester, vergesst euren relativen Wohlstand, den Generationen von fleißigen Malochern erarbeitet haben. Die Berliner sind das dritte Mal seit 1914 dabei, alles aufs Spiel zu setzen.  China war wirtschaftlich erst Mitte der 60er Jahre wieder dort angelangt, wo es 1957 den Faden verloren hatte. Etwa 40 Mio. Chinesen waren zwischenzeitlich verhungert. Westdeutschland hatte erst 1955 wieder das Lebensniveau der Dreißiger erreicht. Im Osten dauerte das bis 1990. Trotzdem gibt es schon wieder eine paranoide Lust am Risiko.

Mit freundlicher Genehmigung von PRABELSBLOG.

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