Wenn Moralismus das Recht ersetzt, beginnt der Totalitarismus

Gefühle und Meinungen zu kriminalisieren, bedeutet seelischen Terror, durch den die Meinungsfreiheit, die elementare Grundlage der Demokratie, de facto beseitigt wird. Dies ist stets Bestandteil aller totalitären Systeme und macht sich heute wieder in einer erschreckenden Weise bei vielen angeblichen Demokraten als totalitäre Gesinnung breit.
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"Nach gewachsenem europäischem Standard werden nicht die (un)moralischen Gefühle, Gedanken und Einstellungen, also die Gesinnung, sondern nur aus ihnen hervorgehende Handlungen bestraft." (Herbert Ludwig)Foto: iStock
Von 22. August 2019

Die Politiker der herrschenden Parteien blasen allseits zum Kampf gegen Hass und Hetze. Dieses negative moralische Verhalten wird kriminalisiert und in die Nähe der Strafbarkeit gerückt, wobei bewusst die Grenzen zu konkreten strafbaren Handlungen im Nebel gehalten werden, um Angst zu erzeugen und die Menschen zum Schweigen zu bringen. Moralisierung tritt an die Stelle des Rechts. Nicht nur strafbare Handlungen, sondern vor allem ein bestimmtes moralisches Verhalten, Gesinnungen und letztlich politische Einstellungen werden verfolgt – Kennzeichen des Totalitarismus.

Wie immer werden die Politiker von den Mainstreammedien kräftig unterstützt. So verbreiteten sie z.B. unisono am 6.6.2019 einen dpa-Text mit der Meldung: „Polizei geht mit Großeinsatz gegen Hass im Internet vor“. „Bild“ verfasste die Überschrift „Bundesweite Razzia gegen Internet-Hetzer“ und fügte hinzu: „Den Tätern drohen bis zu 5 Jahre Haft“.

Dann heißt es z.B. in der Berliner Morgenpost: „Mit einer großangelegten Aktion in 13 Bundesländern ist die Polizei gegen mutmaßliche Verfasser von Hasskommentaren im Internet vorgegangen. In 38 Fällen seien dabei Wohnungen durchsucht und Verdächtige vernommen worden, teilte das Bundeskriminalamt in Wiesbaden mit.“ 1

Es ist also zunächst nur von Hasskommentaren (Hate Speech) die Rede. Und es wird suggeriert, wer Hass verbreite, dem komme die Polizei ins Haus, und es drohten ihm hohe Gefängnisstrafen. Erst im zweiten Absatz steht: „Den Betroffenen werde unter anderem vorgeworfen, im Internet zu Straftaten aufgerufen und antisemitische Beleidigungen verbreitet zu haben. Für solche Taten drohten bis zu fünf Jahre Haft. … In mehreren Fällen wird wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt.“

Also jetzt geht es konkret um Straftaten, aber „unter anderem“, also doch auch um Hass? Es bleibt bewusst in der Schwebe.

Doch viele Zeitungen brachten ein dpa-Bild mit „Postings aus sozialen Netzwerken bei einer Aktion gegen Hass im Internet in Berlin“. Und welche Postings sind da überwiegend zu sehen: „Refugees not welcome!!!“ „Gute Heimreise!!!“, „Kein Einwanderungsland!!! Grenzen dicht! Sofort!!!“, „Schluss mit Überfremdung.“

Das sind Meinungsäußerungen, politische Haltungen, aus denen noch nicht einmal zwingend Hass herausgelesen werden kann. Sie sind nicht strafbar, ebenso wenig wie der Hass. Das Gegenteil aber soll in der ganzen Aufmachung suggeriert werden.

Staatliche Behörden machen es ebenso. Seit 2018 gehört z.B. zu den Aufgaben der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC) bei der Staatsanwaltschaft Köln u.a. auch die „Bekämpfung von Hasspostings im Internet (..). Gemeinsam mit der Polizei, der Landesanstalt für Medien und Medienunternehmen hat sie 2017 das Projekt „Verfolgen statt nur Löschen“ initiiert, um gemeinsam Standards für die Erstattung von Strafanzeigen wegen Hasspostings zu entwickeln.“ 2 Es wird nicht unterschieden, dass „Hasspostings“ an sich nicht strafbar sind, sondern nur solche, die auch strafbare Handlungen beinhalten.

Der „Süddeutsche Beobachter“, wie die „SZ“ von dem erfahren ehemaligen Focus-Redakteur Michael Klonovsky genannt wird, brachte am 5. Juli 2019 ein Interview mit dem Staatsanwalt Christoph Hebbecker von der genannten ZAC mit der Überschrift: „Hetze in sozialen Netzwerken: ´Die Beschuldigten sind extrem erstaunt, wenn die Polizei vor der Tür steht`“.3 Eingangs steht ebenfalls das oben schon besprochene dpa-Bild mit den Postings der Berliner Aktion gegen Hass im Internet.

Zunächst ist aber von „strafbaren“ Posts die Rede wie Volksverhetzung, Aufruf zur Begehung von Straftaten oder Beschimpfung von religiösen Bekenntnissen, zu denen er eingestehen muss, dass seit Februar 2018 nur 385 Anzeigen eingegangen seien, die zu 185 Ermittlungsverfahren führten.

Doch bald kommt man zum Eigentlichen. „Hauptziel der Strafverfolgung im Netz ist doch ohnehin nicht, jeden zu kriegen, sondern vor Hasspostings abzuschrecken“, legt die SZ vor, und der Staatsanwalt stimmt zu: „Ja, diese sogenannte generalpräventive Wirkung ist uns sehr wichtig. Wenn es uns gelingt, den Eindruck zu vermitteln, dass Strafverfolgung bei Hetze im Netz ein realistisches Szenario ist, dann wird das abschreckende Wirkung haben. So weit sind wir noch nicht, aber dahin müssen wir kommen. Wer hetzt, muss Angst haben, dass er Besuch von der Polizei bekommt.

Strafverfolgung bei Hetze im Netz, sagt er, nicht Strafverfolgung, wenn sie mit Straftaten verbunden ist; er betont nicht, wer Straftaten begeht, sondern wer hetzt, muss Angst haben. Die Leute sollen unsicher sein, was strafbar ist. Am besten, sie glauben, Hass und Hetze als solche seien strafbar, damit sie Angst haben, ihre abweichenden Meinungen zu sagen. – Schleichende totalitäre Gedankenkontrolle.

Zum Verhältnis von Moral und Recht

Im moralischen Handeln ist der Mensch frei. Es beeinflussen ihn zwar religiöse Gebote und sittliche Normen der Gesellschaft, aber er muss sich nicht daran halten; er kann auch ganz frei nach seiner eigenen moralischen Einsicht handeln.

Das Recht gehört seinem Wesen nach auch zur Moral. Denn ein Recht, das nicht moralisch wäre, wäre ungerecht. Der Unterschied besteht darin, dass der Teil des moralischen Handelns, der sich besonders gravierend auf das soziale Zusammenleben auswirkt, dieses positiv konstituiert oder negativ zerstörend eingreift, aus dem Bereich des freien Handelns herausgehoben und als Recht allgemein verbindlich gemacht wird.

Im Strafrecht haben wir es mit besonders unmoralischem Handeln zu tun, das verboten wird, weil es verletzend oder zerstörend in einen anderen Menschen oder die Gesamtgesellschaft hineinwirkt. Nach gewachsenem europäischem Standard werden aber nicht die (un)moralischen Gefühle, Gedanken und Einstellungen, also die Gesinnung, sondern nur aus ihnen hervorgehende Handlungen bestraft.

So schreibt – darauf hat M. Klonovsky dankenswerterweise hingewiesen – Dr. Roman Trips-Hebert in einer Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu „Hass und Hetze im Strafrecht“ sehr treffend:

„Das geltende Strafrecht als Tatstrafrecht knüpft die Strafbarkeit stets an Handlungen, nicht allein an Meinungen, Überzeugungen oder die Täterpersönlichkeit, was oft schlagwortartig dahingehend benannt wird, das geltende Strafrecht sei kein „Gesinnungsstrafrecht“. Gedanken, Überzeugungen und Meinungen können für sich genommen nicht strafrechtlich relevant sein. … Hass an sich mag also etwa aus moralischen Gründen abgelehnt werden, ist jedoch nicht strafbar. Auch die Qualifikation einer Äußerung als „Hetze“ besagt noch nichts über deren strafrechtliche Relevanz. Erforderlich für eine Strafbarkeit ist vielmehr gemäß dem Grundsatz nullum crimen sine lege (keine Strafe ohne Gesetz, Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz sowie §1 StGB), dass sämtliche Tatbestands- und Strafbarkeitsvoraussetzungen eines bestimmten Delikts in Bezug auf Handlung und Täter vorliegen.“ 4

Nur Handlungen sind auch eindeutig feststellbar und nachweisbar. Hass und Hetze dagegen sind begrifflich nicht klar abzugrenzen und können allen möglichen Meinungen und Auffassungen, die eindeutig vom Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 des Grundgesetzes gedeckt sind, untergeschoben werden – was auch vielfältig geschieht, wie wir oben mit den angeblichen „Hasspostings“: „Schluss mit Überfremdung!“ oder „Grenzen dicht!“ gesehen haben. Hier tritt Hass noch nicht einmal in der sprachlichen Formulierung auf, sondern wird einfach als dahinter stehend vorausgesetzt.

Gefühle und Meinungen zu kriminalisieren, bedeutet seelischen Terror, durch den die Meinungsfreiheit, die elementare Grundlage der Demokratie, de facto beseitigt wird. Dies ist stets Bestandteil aller totalitären Systeme und macht sich heute wieder in einer erschreckenden Weise bei vielen angeblichen Demokraten als totalitäre Gesinnung breit. Dahinter liegt der eigentliche gesellschaftlich gefährliche Hass auf den Anderen verborgen, der eine unerwünschte politische Auffassung hat.

Liebe und Hass sind Grundbestandteile der menschlichen Seele, und aus ihren elementaren Erscheinungsformen Sympathie und Antipathie sind letztlich alle Gefühle mit nur jeweils unterschiedlichen Anteilen gebildet. Es ist schon von daher ein außerordentlicher Unsinn, hier kriminalisierend einzugreifen. Jeder Mensch hat ein Recht auf seine Gefühle, die sein seelisches Wesen ausmachen. „ … der gute alte Hass gehört zum humanen Standardgefühlsrepertoire, er ist praktisch ein Menschenrecht, der Mensch darf hassen, er muss bisweilen hassen, Nazis zum Beispiel oder Grüne, Trump oder Merkel, Pinochet oder Pinocchio, was macht das für einen Unterschied?“5

Wünschenswerte Änderungen im Gefühlshaushalt der Menschen können und dürfen nur im Bildungssystem und im sonstigen kulturellen Leben, in Wissenschaft, Kunst und Religion angestrebt, nicht aber durch Strafen des Staates erreicht werden. Daher schreibt Dr. Trips-Hebert vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages am Schluss mit Recht: „Während das Strafrecht als schärfste Sanktionsmöglichkeit des Staates mithin dazu dienen kann, als ultima ratio (letztes Mittel) bestimmte Erscheinungsformen von Hetze als Symptom von Hass zu bekämpfen, erscheint es als grundlegendes Mittel gegen Hass und seine Ursachen kaum geeignet.“

Hass und Hetze im Strafgesetzbuch

Es gibt viele Straftaten, die aus Hass geschehen, wie Beleidigung, Verleumdung, Körperverletzung oder Mord. Es wird aber nicht der Hass bestraft, von dem auch im Straftatbestand nicht die Rede ist, sondern die jeweilige Tat. Eine Ausnahme bildet der Straftatbestand der „Volksverhetzung“ des § 130 StGB. Volksverhetzung besteht danach darin, dass jemand

„in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.“

Es kann an dieser Stelle nicht darum gehen, ob es sinnvoll und glücklich ist, hier Hass und Hetze zum Straftatbestand gemacht zu haben, und ob er nicht doch auch dazu missbraucht werden kann, die freie Meinungsäußerung zu beschneiden.

Erkennbar ist jedoch der Versuch, den Hass an eine Tat zu binden, die besonders negativ in das gesellschaftliche Leben eingreift: Sie muss geeignet sein, den gesellschaftlichen Frieden zu stören. Der Hass muss auch eine besonders aggressive Schärfe haben, die leicht in gesellschaftliche Gewalt übergehen kann. Er wird daher durch die höchst-richterliche Rechtsprechung definiert als „eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen den betreffenden Bevölkerungsteil“ (vgl. Bundesgerichtshof, NJW 1994, S. 1421).

Die Grenze festzustellen, ab welcher Schwelle ein solches Aufstacheln zum Hass vorliegt, ist natürlich schwierig und kann nur im konkreten Einzelfall geschehen. So wurde ein Aufstacheln zum Hass vom Oberlandesgericht Frankfurt in der Verbreitung einer Schrift gesehen, die sich „gegen alle Asylbewerber in der Bundesrepublik“ richtet und diese „pauschal als Schmarotzer, Betrüger und Straftäter“ darstellt, „die sich über die dummen Deutschen lustig machen“ (NJW 1995, S.143). Denn „die Verunglimpfung der Asylbewerber“ solle hier dazu dienen, „in der Bevölkerung vorhandene Vorbehalte und Ängste gegenüber den bei uns lebenden Migranten in Fremdenfeindlichkeit und Fremdenhass zu verwandeln“.6

Das Verwaltungsgericht Regensburg zog eine deutliche Grenze, indem es in einem anderen Fall entschied, die Forderung nach sofortiger Ausweisung „krimineller Ausländer“ und „Asylbetrüger“ stelle als solche noch kein Aufstacheln zum Rassenhass dar (NJW 1994, S. 2040). Denn hier war ja auch keine Pauschalierung erfolgt.

Dr. Trips-Hebert weist in dem Zusammenhang auch auf eine starke Begrenzung im rechtswissenschaftlichen Schrifttum hin, wo betont werde, „dass eine sachliche, wahrheitsgemäße Berichterstattung in keinem Fall als Aufstacheln zum Hass angesehen werden könne, auch wenn sie in tendenzieller Absicht erfolge und geeignet sei, ein feindseliges Klima gegen einen Teil der Bevölkerung zu schaffen.“

Wir sehen auch hier, wie prinzipiell im Strafrecht zwischen Hass, der für sich nicht strafbar ist, und daraus hervorgehenden Taten unterschieden wird.

Totalitäre Gesinnungen

Man wundert sich, dass solche Hinweise des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages die Abgeordneten der Altparteien, für die er doch auch arbeitet, offensichtlich nicht erreichen oder beeinflussen und davon abhalten können, zusammen mit Behörden und Medien eine solche öffentliche Kampagne durchzuführen, in der ständig die Strafbarkeit von Hass und Hetze suggeriert wird.

Es bleibt mir nur die Erklärung, dass es ein weiteres Mittel ist, die Kritiker und Gegner der eigenen Politik gezielt zum Schweigen zu bringen, also das Grundrecht der Meinungsfreiheit immer mehr auszuhebeln. Die Menschen sollen in ihrer Meinung auf die gewünschte Linie gebracht und an der kurzen Leine gehalten werden. Diese die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes unterminierende totalitäre Gesinnung breitet sich immer mehr aus.

Die Methode der persönlichen Diffamierung des politischen Gegners, die damit das Eingehen auf die Sachargumente vermeidet, ist bereits an anderer Stelle beispielhaft beschrieben worden: Totalitäre Gesinnungen.
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1 morgenpost.de
2 justiz.nrw.de
3 sueddeutsche.de
4 bundestag.de 5.12.2016
5 michael-klonovsky.de/acta-diurna 10.7.19
6 Zitiert nach Anm. 4

Zuerst erschienen auf FASSADENKRATZER

Herbert Ludwig ist Buchautor und Betreiber des Blogs Fassadenkratzer.wordpress.com. Er veröffentlicht dort in möglichst regelmäßiger Folge von ca. 10 – 14 Tagen Aufsätze von sich oder Geistesverwandten zu Themen des Zeitgeschehens, in denen versucht wird, exemplarisch nach der tiefer liegenden Wahrheit zu suchen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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