Vom Menschen gemacht? – Ein Rückblick ein Jahr nach der Ahrflut

Am 14. und 15. Juli 2021 haben heftige Regenfälle eine historische Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands ausgelöst. Der Wiederaufbau wird noch Jahre dauern. Wie kam es zur Flut? Was können wir daraus lernen?
Rückblick zur Ahrflut
Das Ahrtal nach dem verheerenden Hochwasser 2021.Foto: Thomas Lohnes/Getty Images
Von 10. Juli 2022

Zum ersten Jahrestag der Ahrflut in der kommenden Woche blickt WetterOnline in einer Pressemitteilung auf die Hochwasserkatastrophe zurück. Dabei wird unter anderem analysiert, welche Faktoren zu dem verheerenden Hochwasser führten. Obwohl Meteorologen den extremen Starkregen bereits Tage zuvor gut vorhersagten, kam es dennoch zu vielen Todesopfern.

Da laut WetterOnline künftig die Wahrscheinlichkeit und die Intensität von Extremwetterereignissen durch Klimaveränderungen zunehme, müsse die Bevölkerung stärker für Extremwetter sensibilisiert werden. Zudem appellieren die Autoren an eine effektivere Verbreitung von Wetterwarnungen.

Wie kam es zur Ahrflut?

Björn Goldhausen, Pressesprecher und Meteorologe von WetterOnline fasst die extreme Wetterlage kurz zusammen: „Der Auslöser war Tief ‚Bernd‘, das sich ab dem 13. Juli vom Golf von Genua nach Mitteleuropa schob. Das Tief führte warme und feuchte Luft vom Mittelmeer über den Balkan nordwärts. Auf dem Balkan wurden zeitgleich hohe Temperaturen nahe 40 Grad gemessen. ‚Bernd‘ lenkte anschließend die Luft weiter über Polen, Ostdeutschland und über die südliche Ostsee.“

Dies hatte laut Goldhausen zur Folge, dass die Luftmasse aus dem überdurchschnittlich warmen Ostseewasser weitere Feuchtigkeit aufnehmen konnte. In Westdeutschland angekommen, traf diese energiegeladene Luft dann auf kühlere und damit schwerere Luft. Kurz zusammengefasst: Die feuchtwarme Luft war eines der wesentlichen Faktoren für die Unwetterlage.

Im Anschluss kam ein zweiter und entscheidender Faktor hinzu: eine sogenannte blockierende Wetterlage. „Tief ‚Bernd‘ war umzingelt von zwei Hochdruckgebieten und kam kaum von der Stelle. Es kreiste mehrere Tage hintereinander über dem gleichen Längengrad. Somit brachte es zunächst im Westen und im Verlauf auch in Sachsen sowie in den Alpen kräftige Niederschläge“, erklärt Goldhausen.

Laut dem Meteorologen entstehe diese Blockadewetterlage, wenn sich der Jetstream besonders stark schlängele. Dies ist nichts ungewöhnliches, habe aber in den letzten Jahren an Häufigkeit zugenommen. In der Forschung wird der Zustand des Jetstreams und seine Mitschuld am Ahrtalhochwasser jedoch stark diskutiert, wie EpochTimes berichtete.

Weiterhin trug „die Geografie der Eifel dazu bei, dass sich die aus Nordosten kommenden Niederschläge am Nordrand des Mittelgebirges noch einmal verstärkten, da die Luft zum Aufsteigen gezwungen wurde“, so Goldhausen.

Ebenfalls in Betracht gezogen wird von anderen Forschern ein Einfluss der „El Niño Southern Oscillation“, bei der sich „La Niña“-(kühlere) und „El Niño“-Phasen (wärmere) abwechseln. Ende des Sommers 2021 bahnte sich ein „La Niña“-Ereignis an. Auf der Nordhalbkugel kommt es in derartigen Jahren zu mehr Stürmen.

Ahrtal für regelmäßige Hochwasser bekannt

Seit Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler mit dem möglichen Einfluss des Menschen auf extreme Wetterereignisse wie Dürren, Hitzewellen oder Starkregen. So sind einige Forscher der Überzeugung, dass extreme Regenfälle wie im Ahrtal durch Klimaveränderungen wahrscheinlicher und intensiver werden.

„In einer sich weiter erwärmenden Welt muss man also häufiger mit derartigen Ereignissen rechnen. Pro Grad Erwärmung kann die Luft nämlich sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen. Warme Luft allein reicht jedoch noch nicht aus. Für Starkregen muss diese Luft durch beispielsweise ein Tief angehoben werden. In den vergangenen 60 Jahren zeigte sich bereits eine Zunahme der Wetterlage ‚Tief Mitteleuropa‘ um ca. 20 Prozent“, so Goldhausen.

Ähnliche Hochwasserereignisse gab es im Ahrtal jedoch schon lange vor dem Beginn der Industrialisierung. Historische Schriften belegen seit dem Mittelalter regelmäßig auftretende „Jahrhundertfluten“ im Ahrtal. Die Chroniken der betroffenen Dörfer dokumentieren ähnliche „Auswirkungen der Erderhitzung“ in nahezu perfekten 100-Jahres-Abständen, konkret in den Jahren 1601, 1719, 1804 und 1910. Besonders ausführliche Berichte sind von den Hochwasserereignissen im Juli 1804 und Juni 1910 erhalten. Sedimentbohrkerne der Ulmer Maar deuten zudem auf ein noch älteres Hochwasser in der Eifelregion um das Jahr 250 hin, wie die Fachzeitung „Archäologie in Deutschland“ Heft 3/22 berichtet.

Der Faktor Mensch

Die Tallage ist aufgrund ihrer geomorphologischen Form anfällig für Hochwasser. Viele Mäander der Ahr wurden bebaut, Häuser entstanden in Flutgebieten. Der landschaftliche Umbau und massive Städteausbau im 19. Jahrhundert und insbesondere im Zweiten Weltkrieg führten zu einer flächendeckenden Versiegelung, dem Begradigen von Fluss- und Bachläufen und groß angelegten Entwässerungsmaßnahmen. Forscher fordern vielerorts, Flüssen und Bächen ihre natürlichen Überflutungsräume zurückzugeben, wie die EpochTimes berichtete.

Ein anderes Beispiel ist Erftstadt. Dort rutschten Häuser durch Erosion in eine benachbarte Kiesgrube. Hier war nicht das Wetter der Verursacher, „sondern die Selbstüberschätzung des Menschen“, so Goldhausen.

„In begradigten und kanalisierten Bächen und Flüssen fließt das Wasser viel schneller ab und stromabwärts steigt die Überschwemmungsgefahr. Zudem werden immer mehr Flächen versiegelt. Wasser, das nicht im Boden versickern oder sich über Auenflächen ausbreiten kann, schwillt zu einer oberirdischen Flut an, die sich dann durch asphaltierte Straßen ihre Bahn bricht. Genau dieser Faktor hat im Ahrtal wohl zu der historischen Flut geführt“, sagt Björn Goldhausen.

Eine rechtzeitige und großangelegte Evakuierung der betroffenen Gebiete durch die Behörden, hätte viele Menschenleben retten können. Zwar kündigten Meteorologen Tage zuvor den extremen Starkregen an, doch großangelegte Warnungen und Evakuierungen fanden nicht statt.

Wo fiel der meiste Regen und war er vorhersehbar?

Die größten Regenmengen fielen etwa vom südlichen Rand des Ruhrgebiets über die Kölner Bucht bis zur Eifel. Innerhalb weniger Stunden beziehungsweise Tage fiel an einigen Orten das Doppelte des mittleren Juliniederschlags. Bereits am Tag vor der Ahrflut kam es in dem betroffenen Gebiet zu ergiebigen Niederschlägen, weshalb die Böden gesättigt waren und kaum weiteren Regen aufnehmen konnten.

Es wurde zwar kein deutschlandweiter Niederschlagsrekord aufgestellt, für die genannte Region stellten die Regenmengen klimatologisch gesehen allerdings mindestens ein Jahrhundertereignis dar. Das bedeutet, dass so starker Regen im Schnitt nur alle 100 Jahre oder sogar noch seltener auftritt. Im Gegenzug bedeutet dies dennoch nicht, dass so ein Ereignis innerhalb der nächsten Zeit ausgeschlossen ist.

Maximale Regenmengen vom 13. bis 15. Juli 2021:

  • 241 l/m² (22 Std.) Hagen-Holthausen (Nordrhein-Westfalen)
  • 170 l/m² (48 Std.) Köln-Stammheim (Nordrhein-Westfalen)
  • 168 l/m² (48 Std.) Wipperfurth-Gardeweg (Nordrhein-Westfalen)
  • 166 l/m² (48 Std.) Kall-Sistig (Nordrhein-Westfalen)
  • 172 l/m² (72 Std.) Marlsburg-Marzell (Baden-Württemberg)

„Wir Meteorologen waren nicht überrascht, dass es viel geregnet hat. Die Niederschlagsmengen von 100 bis 200 Litern Regen pro Quadratmeter und das Gebiet waren Tage vorher perfekt vorhergesagt, aber dass die Ausmaße so folgenreich waren, hätte niemand erwartet“, sagt Goldhausen.

Im Gegensatz zu kleinräumigen Gewittern mit lokalem Starkregen zog bei Tief ‚Bernd‘ ein großflächiges Starkregengebiet über den Westen Deutschlands hinweg. Diese sind in der Regel sehr gut vorherzusagen und die Vorwarnzeit ist entsprechend lang. Die Höhe der zu erwartenden Flutwelle sei aber von vielen weiteren Faktoren wie Geländebeschaffenheit, Bodenfeuchte und Flussverlauf abhängig und daher deutlich schwerer zu prognostizieren.

Lehren aus der Ahrflut

Die korrekte Vorhersage von Wetterereignissen kann bei effektiver Kommunikation an die Bevölkerung eine Hilfe zur Vorbeugung von Katastrophen darstellen. Goldhausen bekräftigt: „Die Bevölkerung muss [für künftige extreme Wetterereignisse] stärker sensibilisiert und über die Folgen und Verhaltensweisen bei den einzelnen Wetterelementen aufgeklärt werden.“

Der Meteorologe appelliert vor allem daran, künftig Warnungen aus seriösen Quellen ernster zu nehmen. „Dies kann dabei helfen, die Opferzahlen in Zukunft deutlich zu reduzieren. Letztlich ist nicht der Klimawandel ‚schuld‘ an solchen Katastrophen. Sowohl der Eingriff des Menschen in die Natur als auch mangelhafte Vorbereitung müssen in Betracht gezogen werden“, so Goldhausen abschließend.

(Mit Material von WetterOnline)



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