Prähistorisches Allgäu „keineswegs menschenleer“: Forscher finden Fernhandels-Siedlung in den Alpen
Das Westallgäu in der Region um die heutige Stadt Leutkirch war bereits während der Bronzezeit vor mehr als 3.000 Jahren dichter besiedelt als bislang angenommen. Das ergaben jüngste Arbeiten von Geografen und Archäologen der Universität Tübingen. Dabei sei das Allgäu mit feuchtem Klima und langen harten Wintern kein besonders günstiger Siedlungsraum gewesen, so die Forscher.
Die schmelzenden Gletscher der letzten Eiszeit hinterließen kiesige Böden in der Region. Zudem liegt sie höher als die angrenzenden Gebiete im Norden und Westen, die wärmer seien und über bessere Böden verfügten. Diese Nachteile wurden aus Sicht der prähistorischen Menschen offenbar durch die günstige Lage an großen Fernhandelsrouten wieder wettgemacht.
Die ersten Ergebnisse der Forschungen veröffentlichten die Wissenschaftler in der neuesten Ausgabe der Archäologischen Ausgrabungen in Baden-Württemberg, dem Jahrbuch der Landesdenkmalpflege.
Wälder wichen Höfen und Dörfern
Das Forschungsteam führt seit 2017 Ausgrabungen bei Leutkirch durch, die unter anderem eine befestigte Bergkuppe zutage brachten. Grabhügel markieren hier ein zugehöriges Gräberfeld. Des Weiteren konnten die Archäologen im darunter liegenden Tal weitere Siedlungen nachweisen.
Doch der Ausbau und die Schaffung von Bauplatz brachte Probleme mit sich. So zeigen die Bodenanalysen zudem eine weit verbreitete Erosion zu dieser Zeit. Dies deutet laut den Archäologen auf das Abholzen von Wäldern um 1500 vor Christus hin. Wahrscheinlich mussten diese weichen, um Nahrung für eine Bevölkerung beträchtlicher Größe anzubauen und gleichzeitig Häuser für sie zu errichten.
„Der Umfang der bronzezeitlichen Besiedlung, der jetzt deutlich wurde, verändert unser ganzes Bild von der Region zu dieser Zeit“, sagt der Archäologe Benjamin Höpfer. „Das prähistorische Allgäu war keineswegs menschenleer. In der Bronzezeit dürfte es – ähnlich wie heute – viele einzelne Höfe und einige kleine Dörfer gegeben haben.“
Wachsende Bedeutung des Fernhandels im Allgäu
Warum aber entschieden sich die Menschen der Bronzezeit für ein Leben an einem kalten, nassen Ort auf steinigem Boden? Das habe mit der günstigen Lage des Allgäus zwischen Alpen, Donau, Iller, Rhein und Bodensee zu tun. So seien diese allesamt wichtige Verkehrsadern, die eine Brücke zwischen den Regionen in einem breiten, gesamteuropäischen prähistorischen Wirtschaftsraum bildeten.
Selbst die Alpen waren nicht nur ein Hindernis, sondern auch eine wichtige Handelsdrehscheibe. Der Fernhandel wurde immer wichtiger, und dabei spielten Flusstäler als Wegstrecken und Höhenzüge als Orientierungspunkte eine wichtige Rolle“, erklärt Höpfer.
Im ganzen Alpenvorland gibt es entlang der Flüsse und an den Seen viele Fundstellen, an denen auch Importwaren nachgewiesen wurden: Kupfer aus dem Osten, Zinn aus Cornwall sowie Bernstein. Diese und viele andere Rohstoffe seien entlang der hier verlaufenden Routen gehandelt worden. Neu sei jedoch, dass im Westallgäu parallel dazu nun auch eine dauerhafte bäuerliche Besiedlung nachgewiesen wurde.
Innovation machten Leben im Allgäu attraktiver
Gleichzeitig sei die Bronzezeit ein Zeitalter großer technischer Innovationen gewesen, betont Höpfer. Die Metallbearbeitung lieferte neue Werkzeuge. Die Bronzesichel erleichterte den Bauern, nicht nur Getreide, sondern auch Stroh und Heu zu ernten. Diese wurden an Tiere verfüttert, die wiederum Milch, Fleisch, Häute und Wolle lieferten. Kreuzungen führten zudem zu neuen, widerstandsfähigeren Getreidesorten, darunter auch Dinkel, und zu Tieren, die sich an härtere Bedingungen anpassen konnten.
All dies machte das Leben auch im Westallgäu attraktiver. Mit ihrer Arbeit investierten die Menschen in das Land, um an einer wichtigen Handelsroute leben zu können.
Sie akzeptierten nicht nur passiv, was die Natur ihnen bot. Das verändert unser Bild von den prähistorischen Menschen“, so die Forscher.
Das Allgäu ist bisher auf der archäologischen Landkarte weitgehend leer geblieben. Das sei auch darauf zurückzuführen, „dass die Region weit entfernt von den Universitäten und den zuständigen Denkmalschutzbehörden liegt. Es wurde weniger gegraben, und Baustellen, bei denen oft archäologische Überreste freigelegt werden, konnten weniger gut beaufsichtigt werden als andernorts“, erklärt Höpfer. Gerade in Zeiten des anhaltenden Baubooms gäbe es noch viel zu entdecken. „Wir haben nur an der Oberfläche gekratzt“, sagt er.
(Mit Material der Eberhard Karls Universität Tübingen)
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