EU: Hitzige Debatten über das Migrationspaket – Gipfeltreffen von Östereich, Ungarn und Serbien

Patt beim Migrationspaket: Brüssel möchte schnell unterzeichnen, Polen und Ungarn weigern sich. Viktor Orbán bot auf dem jüngsten österreichisch-ungarisch-serbischen Gipfel einen Weg nach vorn an.
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Im Kontext der Migrationsdebatte wird von politischen Analysten zunehmend der Gedanke an ein Pattsituation in der EU oder sogar eine Brexit-ähnliche Lage geäußert.Foto: iStock
Von 12. Juli 2023


Die EU ist bei der Migrationspolitik in einen östlichen und einen westlichen Flügel gespalten. Die Hauptgegner des neuen Migrationspaketes sind Ungarn und Polen. Beide Länder fordern Einstimmigkeit in dieser Frage, um ihr Vetorecht ausüben zu können. Sie sind sich auch einig, dass das neue Brüsseler Paket im Grunde eine „Einladung an Migranten“ sei.

Der EU-Plan sieht die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, entweder Migranten und Flüchtlinge in ihrem Hoheitsgebiet aufzunehmen (bis zu 30.000 pro Jahr) oder 20.000 Euro für jeden abgelehnten illegalen Migranten zu zahlen.

Derweil vertiefen Österreich, Ungarn und Serbien an der Ostgrenze der EU ihre Zusammenarbeit. Gemeinsam wollen sie nach Lösungen suchen, die an der Wurzel des Problems ansetzen, wie sie auf ihrem jüngsten Gipfel am 7. Juli in Wien diskutiert haben.

Prävention an den Ostgrenzen

Während die EU-Führung mit allen Mitteln auf die Verabschiedung des neuen Migrationspakts drängt, denken die Länder der östlichen Grenzregionen über ihre eigene Verteidigungspolitik nach. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer und der serbische Präsident Aleksandar Vučić trafen sich dazu in Wien. Im Mittelpunkt des Dreiergipfels stand die Bekämpfung der illegalen Migration.

Alle drei Staatschefs kritisierten den Umgang der EU mit Migration. Foto: MTI / Pressebüro des Ministerpräsidenten in Ungarn / Vivien Benko Cher

„Das EU-Asylsystem funktioniert nicht, deshalb ist Österreich gemeinsam mit Ungarn und Serbien ganz klar auf die Asylbremse getreten“, sagte der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer beim Migrationsgipfel.

Zwischen den drei Ländern gibt es eine enge polizeiliche Zusammenarbeit. Sie berichteten von 700 erfolgreichen Razzien im letzten Jahr, bei denen Menschenhändler festgenommen wurden. Die Regierungschefs fordern, präventiv zu agieren. Sie sind überzeugt, dass dazu die Einführung eines Systems von Asylkontrollen in Nicht-EU-Ländern nötig ist. Verfahren außerhalb der EU bedeuten, den Druck auf den Westbalkan zu verringern.

Nehammer stellte klar, dass „das wichtigste Ziel darin besteht, die Menschen von vornherein an der Abwanderung zu hindern“. Das wäre nur möglich, wenn garantiert werden könnte, dass die Betroffenen in sicheren Drittstaaten fair behandelt werden, so die Regierungschefs in Wien.

Das ungarische Modell

Auf dem Dreiergipfel wurde unter anderem das von Brüssel vorgeschlagene Paket diskutiert. Orbán kommentierte den Vorschlag so: „Ein effektives ungarisches Modell sollte durch ein neues europäisches Modell ersetzt werden, das eindeutig nicht funktioniert.“

Laut Orbán ist das ungarische Modell hingegen sehr einfach. Es bestehe lediglich darin, dass niemand das Territorium des Landes betreten dürfe, bis sein Asylantrag geprüft wurde. Die einzige Möglichkeit, das Gebiet zu betreten, sei, wenn der Antrag positiv beschieden wurde.

Laut dem Staatschef macht dieses Modell Ungarn fast zu einem Null-Migrationsland. „Das ungarische Modell funktioniert und sollte von allen europäischen Ländern übernommen werden.“

Daher plant Orbán, die EU-Beschlüsse zur Migration nicht umzusetzen, die obligatorische Quote nicht zu akzeptieren und die Verpflichtung zum Bau von „Migrantenghettos“ oder Migrantenlagern abzulehnen.

Seiner Meinung nach sollte die Verteidigung jetzt nicht nur gegenüber Menschenschmugglern, sondern auch gegenüber Brüssels Migrantenpolitik gelten. Ungarn werde „einen rechtlichen und politischen Weg finden, um sicherzustellen, dass die Brüsseler Entscheidungen nicht umgesetzt werden“.

Ein moderner Eiserner Vorhang in der EU

Im Kontext der Migrationsdebatte wird von politischen Analysten zunehmend der Gedanke an eine Pattsituation in der EU oder eine Brexit-ähnliche Lage geäußert. Während der osteuropäische Block vor den 1990er-Jahren linke Ansichten vertrat, sei es heute das genaue Gegenteil, was in der EU für „Aufruhr“ sorge.

Jonathan Saxty beschreibt dieses Phänomen in der britischen Tageszeitung „Daily Express“ als „einen Krieg der Worte zwischen den beiden Seiten des kulturellen Eisernen Vorhangs in der EU, der den konservativ-nationalistischen Osten vom liberalen und säkularen Westen trennt“.

Der Autor verweist auch auf die Ansicht von Regierungsvertretern, wonach Ungarn und Polen der EU in dem guten Glauben beigetreten sind, einen gestärkten Handelsblock zu betreten. „Sie sollten jedoch bald feststellen, dass es sich dabei um eine ideologische, liberale politische Union handelte“, heißt es weiter. Mit Blick auf die derzeitige Pattsituation könnten diese Länder nun auch über einen möglichen Austritt nachdenken, meint Saxty.

Konservative sind sich einig

Die polnische und die ungarische Regierung sind sich in der Tat einig, dass sie die Möglichkeit, dem neuen Migrationspakt zuzustimmen, völlig ausschließen.

Außerdem haben beide Mitgliedsstaaten die „qualifizierte Mehrheitsentscheidung“ der EU infrage gestellt. Eine derartige Mehrheitsentscheidung würde bedeuten, dass keines der beiden Länder ein Veto einlegen kann. Die ungarischen und polnischen Regierungschefs drängen darauf, dass künftige Entscheidungen zur Migration einstimmig getroffen werden.

Das würde zwar die Zustimmung aller Mitgliedstaaten erfordern, aber ebenso die Entwicklung einer Konsenslösung verlangen. Damit könnte sogar eine weitere Eskalation verhindert werden.

Anzumerken ist, dass die italienische Regierung ebenfalls ein wichtiges Mitglied der konservativen Kräfte ist. Obwohl sie in der Frage der Migration eine andere Position zu vertreten scheint, weist Orban jene Spaltung der Verbündeten entschieden zurück.

Die italienischen Konservativen akzeptieren den neuen Brüsseler Vorschlag. Laut Orbán sei dies verständlich, da es in ihrem nationalen Interesse liegt, die große Zahl an Migranten, die bereits in Italien sind, in andere Länder zu überführen.



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