EU verweigert weiterhin Milliarden Mittel für Ungarn

Seit 2020 zieht sich die Ungarn-Demokratie-Debatte. Die ungarische Regierung sieht hierin eine endlose politische Offensive der EU. Jetzt führte sie eine weitere Gesetzesreform durch, um Zugang zu EU-Mitteln zu erhalten.
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Die Rechtsstaatlichkeitsdebatte der EU mit der ungarischen Regierung läuft seit 2020.Foto: iStock
Von 6. Mai 2023

Wiederholt stimmte das Budapester Parlament in dieser Woche für eine Rechtsreform, um die Forderungen der EU zu erfüllen. Die neuste ungarische Justizreform soll 13 Milliarden Euro an blockierten EU-Mitteln freisetzen. Die ungarischen Abgeordneten verabschiedeten das Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz ohne eine einzige Gegenstimme.

Dennoch könnten sich die seit Jahren zurückgehaltenen Zahlungen weiterhin verzögern, was zu scharfer Kritik des ungarischen Außenministers führt. Ihm zufolge seien alle Bedingungen erfüllt und das Verhalten der EU nur noch ein politischer Angriff gegen Ungarns rechtsgerichtete Regierung.

Das in der EU einbehaltene Geld wird im Rahmen des „Rechtsstaatlichkeitsverfahrens“ gegen Ungarn zurückgehalten, da die EU Missbrauch und Verstöße gegen die Prinzipien der Demokratie befürchtet.

Minister: Dieses Geld steht den Ungarn zu

Die Erwartungen der Brüsseler Behörde an die Rechtsstaatlichkeit seien wie ein unendliches GPS, sagte Ungarns Außenminister in einer Analogie. „Du gibst ein, wo du hinwillst, und dann stellst du fest, dass es, sagen wir, fünf Kilometer entfernt ist, aber du fährst schon seit drei Tagen, und das GPS sagt dir immer wieder, dass du jetzt rechts abbiegen sollst, jetzt links abbiegen sollst, jetzt umdrehen sollst“, erklärte Minister Péter Szijjártó.

Der ungarische Politiker wandte sich am 4. April nach einem Treffen der Außenminister live aus Brüssel an die ungarischen Zuschauer. Er bezog sich dabei auf die Tatsache, dass die Europäische Kommission „immer mehr Forderungen an Ungarn“ stellen würde. Nach Ansicht des Ministers hat die Regierung diese Reformen mit Gesetzesänderungen bereits erfüllt.

Im September unterzog sich das Land einem großen Gesetzesänderungsprozess. Diese Leistungen wurden von der EU-Kommission mehrfach gewürdigt. Dennoch finden sie immer „etwas mehr“. Der Minister betonte:

Sie sind ganz einfach aus politischen Gründen voreingenommen gegen uns. Sie halten dieses Geld völlig ungerechtfertigt zurück, ohne Rechtsgrundlage und ohne wirklichen Grund.“

Der Minister fügte hinzu, dass es hier nicht um das Geld der Brüsseler Bürokraten geht. Denn es seien ja die Bürger eines jeden Landes, die durch ihre eigene wirtschaftliche Leistung EU-Mittel generieren. Das ungarische Volk habe also seinen Beitrag dazu geleistet und verdiene diese Mittel genauso wie andere Mitgliedstaaten.

Viktor Orbáns Regierung hat zuvor mehrfach erklärt, dass sie den gesamten Prozess als grundlegend diskriminierend und als politisch motivierten Angriff auf Ungarn ansieht. Dennoch waren sie dem Minister zufolge bereit zu kooperieren und die Anforderungen der EU zu erfüllen.

Das sieht die EU anders

Vera Jourova, die für Werte und Transparenz zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, bezeichnete das neuste Votum des ungarischen Parlaments als einen „sehr guten Schritt nach vorne.“ Sie erklärte jedoch, dass es dennoch „zu früh“ sei, EU-Finanzmittel freizugeben. Sie fordert mehr Klarheit über die weiteren Bedenken der EU, berichtet der auf EU-Angelegenheiten spezialisierte Dienst „euractiv.de“.

Zudem wird in der Zusammenfassung des regierungskritischen ungarischen Fernsehsenders „atv.hu“ darauf hingewiesen, dass es bis zu zwei Monate dauern könnte, bis die Kommission die Angemessenheit der jetzigen Gesetzesänderung prüft.

Das Gesamtpaket von „27 Super-Etappenzielen“, die Ungarn zum Erhalt der EU-Mittel erfüllen soll, besteht aus drei Teilen. Konkret sind dies Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung, Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz sowie Prüfungs- und -Kontrollmaßnahmen zur Überwachung der Reformdurchführung mit internationalen Auditstandards.

Die Oppositionsparteien in Ungarn befürworten den Ansatz der EU. Sie wollen die Unterstützung der Kommission und verweisen auf das von ihnen vermutete „hohe Maß an Korruption“. Außerdem fordern sie Transparenz und rechtliche Garantien für die ausgezahlten Beträge.

Streitfragen

Die Gesetzesänderungen dieser Woche entsprechen zwei Erwartungen der EU. Die Unabhängigkeit der Justiz wird gestärkt: Einerseits werden die Befugnisse des unabhängigen Landesrichterrats gestärkt. Zum anderen können sich Richter in Zukunft wieder an den Europäischen Gerichtshof wenden, um Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Urteilen nach europäischem Recht zu klären.

Das dringlichste Anliegen ist derzeit jedoch das der Universitätskuratorien, wie EU-Kommissar Johannes Hahn am 2. Mai dem Bericht von „atv.hu“ zufolge betonte. Konkret hat die Europäische Kommission beschlossen, dass die Universitäten in Ungarn, die als gemeinnützige Stiftungen arbeiten, keine Mittel aus den Programmen Erasmus+ und Horizont Europa erhalten können. Es handelt sich dabei um Universitätskuratorien, denen ein aktiver Politiker angehört. Der Ausschuss beabsichtigt hiermit, alle aktiven Politiker aus den Stiftungsräten ausschließen.

Die ungarische Regierung hat die Änderungen in diesem Bereich jedoch kritisiert und behauptet, dass sie im Einklang mit der Forderung der EU erfolgt sei. Wenn der Streit in dieser Frage nicht bis Juni beigelegt wird, könnten die Gelder, die die Hochschulen und Kuratorien zur Unterstützung im kommenden Studienjahr erhalten, verloren gehen. Die Debatte, die sich seit 2020 hinzieht, scheint jedoch noch nicht beendet zu sein.



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