Ibiza-Video: Journalisten wollen keine Hintergedanken beim Veröffentlichungstermin gehabt haben

Die beiden für die Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ verantwortlichen Journalisten der „Süddeutschen“ erklärten bei „Lanz“, sie hätten es für einen Fake gehalten und die Überprüfung hätte lange gedauert. Der russische Tycoon Igor Makarow will sich gegen den Missbrauch seines Namens wehren.
Titelbild
Heinz-Christian Strache.Foto: HELMUT FOHRINGER/AFP/Getty Images
Von 22. Mai 2019

Bastian Obermayer und Frederik Obermaier, jene Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“, die das „Ibiza-Video“ mit dem zurückgetretenen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache öffentlich gemacht hatten, hielten das Material zu Beginn für einen Fake. Das äußerten sie am Dienstagabend in der Talksendung von Markus Lanz.

Man habe die dort dargebotene Szenerie für so absurd gehalten, dass die Überprüfung des Videos durch externe Experten längere Zeit in Anspruch genommen habe. Die Journalisten stellten in Abrede, für das Video Geld bezahlt zu haben. Auch habe es bezüglich des Veröffentlichungszeitpunktes knapp vor der EU-Wahl keine Hintergedanken gegeben. Lediglich die Überprüfung des Videos habe so lange gedauert, dass eine frühere Veröffentlichung nicht möglich gewesen wäre.

Kriminelle und extremistische Kronzeugen gegen Strache

Im Video hätten Strache und die Ehefrau von Johann Gudenus sogar Verdacht geschöpft, dass mit der vermeintlichen Oligarchennichte etwas nicht stimmen könnte – Strache erwähnte unter anderem die für die Verhältnisse einer russischen Jet-Setterin ungepflegt wirkenden Fußnägel. Johann Gudenus, dem ein Wiener Anwalt die Kopie eines gefälschten Passes der angeblichen Milliardärsnichte vorgelegt haben soll, teilte die Bedenken jedoch nicht.

Bis dato hatte sich die meist linksgerichtete Medien seit der Übernahme des Amts des FPÖ-Bundesparteichefs durch Heinz-Christian Strache im Jahr 2005 selten wählerisch gezeigt, wenn es darum ging, belastendes Material gegen diesen zu präsentieren. Bereits 2007 veröffentlichten österreichische Medien Bilder, die Strache in Jugendjahren bei ultranationalistischen „Wehrsportübungen“ zeigten – der frühere Chef des FPÖ-Bildungswerkes, Ewald Stadler, hatte offenbar zuvor im Dezember 2006 Johann Gudenus damit erpresst.

Erst kurz vor Auftauchen des augenscheinlich unter Verstoß gegen mehrere Gesetze angefertigten Ibiza-Videos hatten einzelne Publikation in der Vorwoche sogar den mehrfach verurteilten Hardcore-Neonazi Gottfried Küssel als Belastungszeugen zitiert und Aussagen wiedergegeben, die dieser einer einschlägigen Publikation gegenüber getätigt hatte. Der Extremist hatte darin anklingen lassen, ebenfalls im Besitz belastenden Materials gegen Strache zu sein.

Die „Welt“ hat unterdessen über den Hintergrund des russischen Oligarchen Igor Makarow recherchiert, als dessen Nichte sich die bis dato noch nicht identifizierte Dame ausgegeben hatte, die im Video als Lockvogel diente.

Makarows Name unbekannt genug für Inszenierung

Das Fazit der Publikation: Dass die beteiligten FPÖ-Politiker bei tieferer Recherche den Braten rechtzeitig hätten riechen können. Nicht zuletzt Makarow selbst, der über ein Vermögen von etwa 2,1 Milliarden Euro verfügt und auf den hinteren Rängen der Top 50 der „Forbes“-Liste der reichsten Bürger der Russischen Föderation liegt, ließ über die Pressestelle seines Unternehmens Areti ausrichten, es sei „weithin bekannt, dass ich ein Einzelkind war, weshalb ich keine Nichten habe“.

Gegen die Verantwortlichen für den Missbrauch seines Namens wolle Makarow nun juristisch vorgehen. Offenbar haben die Masterminds hinter der Falle seinen Namen willkürlich einer Reichen-Liste entnommen und vermutlich deshalb gewählt, weil seine Präsenz und sein Bekanntheitsgrad in Westeuropa gering seien.

„Spiegel“ und „Süddeutsche“ machten aus dem politisch in Russland nicht exponierten Unternehmer und ehemaligen Radrennfahrer auch gleich bereitwillig einen „Putin-nahen Oligarchen“, obwohl dieser allenfalls in seinem Geburtsland Turkmenistan Kontakte zu politischen Verantwortungsträgern unterhält und sein Reichtum aus der Ära vor Putin stammt.

Im Jahr 1992 gründete er das Unternehmen Itera und vermittelte über seine politischen Verbindungen in Turkmenistan Gasexporte an die russische Gazprom, die das Gas anschließend an die Ukraine weiterverkaufte. Itera wurde auf diese Weise zum weltweit viertgrößten Konzern in der Gasindustrie.

Kein Bezug Makarows zu Österreich

Es ist unklar, ob Tauschgeschäfte unter Beteiligung der turkmenischen Führung oder private Vorteile für Gazprom-Manager durch den Zwischenhandel dafür verantwortlich waren, dass Gazprom die Geschäfte nicht gleich direkt und selbst gemacht hatte. Die Machtübernahme durch Putin im Kreml hat Makarow jedoch massiv geschadet. Putin wechselte das Management der Gazprom aus und wollte die missbrauchsanfällige Geschäftstätigkeit über Vermittler eindämmen. Dies kostete auch Itera Aufträge.

In weiterer Folge verkaufte Makarow seine letzten beiden Dependancen in Russland und 2013 Itera selbst – für 1,8 Milliarden US-Dollar an den Ölkonzern Rosneft, dessen Aufsichtsratschef nun Deutschlands Altkanzler Gerhard Schröder ist.

Sein Geld hat Makarow seither eher aus Russland herausgeschafft, weiß die „Welt“ unter Berufung auf Wirtschaftskreise zu berichten. Er unterhält mittlerweile eine Unternehmensgruppe mit dem Namen Areti, zu deren Portfolio neben Gas- und Energiegeschäften auch Immobilien und Lebensmittel gehören. Zudem ist Makarow Sponsor des Radrennteams Katusha Alpecin.

Territorial konzentrieren sich seine Geschäfte auf die USA, das Baltikum, die ehemaligen GUS-Staaten und den Nahen Osten. Welches Interesse er an Österreichs Innenpolitik haben sollte, ist nicht erkennbar.

Über die Identität der gefakten Nichte „Aljona Makarowa“ gibt es bis dato nur Spekulationen, von denen sich jedoch keine als belastbar erwies.



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