Missbrauchsopfer: In Kirche gab es regelrechten Verleih von „Lustknaben“ aus Kinderheim

Im Vorfeld des Anti-Missbrauchsgipfels im Vatikan, der am Sonntag endet, haben Opfer sexuellen Missbrauchs durch Kleriker ihre Erwartungshaltung zum Ausdruck gebracht auf ein Bekenntnis zu einer weltweit einheitlichen Null-Toleranz-Politik.
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Sechzehn katholische Geistliche liegen bei ihrer Priesterweihe, die von Papst Franziskus geleitet wird, auf dem Boden des Petersdoms.Foto: Alessandra Tarantino/AP/dpa
Von 22. Februar 2019

Seit Donnerstag findet im Vatikan ein weltweites Treffen statt, das Strategien beraten soll, um sexuellen Missbrauch unter dem Dach der Katholischen Kirche zu bekämpfen und einen besseren Schutz insbesondere für Kinder zu gewährleisten. Es geht um Verantwortung, Rechenschaftspflicht und Transparenz bei Missbrauchsfällen. Der Anti-Missbrauchsgipfel ist bis Sonntag anberaumt.

Zu der Veranstaltung sind etwa 190 Kleriker geladen, neben dem Papst selbst auch die Vorsitzenden von 114 Bischofskonferenzen, 22 Obere von Männer- und Frauenorden, die Leiter von 14 vatikanischen Behörden und auch einzelne Betroffene sexuellen Missbrauchs durch Kleriker aus mehreren Erdteilen.

Einen Tag vor Beginn des Gipfels hatten sich Vertreter von Opferinitiativen, die sich in Rom getroffen hatten, enttäuscht darüber gezeigt, dass Papst Franziskus ihrer Einladung nicht gefolgt war. Wie kath.net berichtete, haben die Initiativen eine klare Erwartungshaltung an den Gipfel artikuliert. Am Ende, so betonte Peter Isely von der Vereinigung „Ending Clergy Abuse“ (ECA), hoffe man auf ein Bekenntnis zu einer weltweit einheitlichen Null-Toleranz-Politik vonseiten der Katholischen Kirche.

An dem Treffen der Opferverbände in einem kirchlichen Haus nahe dem Petersplatz nahmen zwölf Vertreter von Opfern sexuellen Missbrauchs durch Kleriker sowie die vier Mitglieder des Organisationskomitees teil.

Regelrechter Verleih von „Lustknaben“ aus Kinderheim

In der „Bild“ äußerten sich ebenfalls Betroffene sexuellen Missbrauchs durch Kleriker oder Autoritätspersonen in kirchlich geführten Einrichtungen wie Kinderheimen. „Ich setze keine großen Hoffnungen auf den Gipfel. Dafür hat mich die katholische Kirche zu viele Jahre zutiefst enttäuscht“, sagte etwa der 70-jährige Rudolf Kastelik, der nach eigenen Angaben regelmäßig im Waschraum des St. Josef Kinder- und Jugendheims in Bad Oldesloe von pädosexuellen Geistlichen missbraucht wurde.

Ich erwarte ganz klare Worte der Entschuldigung und eine Anerkennung der Schuld vom Papst“, fährt Kastelik fort.

„Eigentlich müssten wir als Opfer auch in Rom dabei sein. Grundsätzlich wünsche ich mir, dass wir Zeitzeugen gehört und offene Türen in der katholischen Kirche finden.“

Bislang hätten er und sein ebenfalls missbrauchter Zwillingsbruder erst eine symbolische Anerkennung in Höhe von 5000 Euro von der Kirche erhalten. Es habe einen regelrechten „Verleih“ von Knaben zum Zwecke des sexuellen Missbrauchs gegeben, dem auch die Geschwister Kastelik ausgesetzt gewesen wären.

Auch der 58-jährige Alexander Probst meldete sich zu Wort. Er sei in jener Zeit sexuell missbraucht worden, da er als Kind für die Regensburger Domspatzen sang. „Prinzipiell ist es so, dass die Konferenz den Opfern dienen sollte und helfen sollte aufzuarbeiten und vermeiden sollte, dass in Zukunft solche Dinge passieren“, formulierte er seine Erwartungen an die Konferenz.

Solange die Kirche nicht prinzipiell bereit ist, bestimmte Dinge in Abläufen zu ändern, wird das System erhalten bleiben.“

Die Aufarbeitung des Missbrauchs bei den Domspatzen, dem in der Zeit zwischen 1945 und 2015 insgesamt 547 Kinder ausgesetzt gewesen sein sollen, sei seiner Ansicht nach allerdings vorbildhaft gewesen.

Vatikan legt 21-Punkte-Konzept vor

Ein 21-Punkte-Konzept, das der Vatikan als Arbeitsgrundlage für die Kinderschutztagung vorbereitet hat, geht auf Anregungen von Bischofskonferenzen und Kommissionen aus aller Welt zurück. So soll es verbindliche und nachvollziehbare Verfahrensregeln zum Umgang mit Missbrauchsvorwürfen geben, die unter anderem bereits zu einem frühen Zeitpunkt das Einbinden qualifizierter Experten und gemäß definierter Kriterien auch des jeweiligen Bischofs oder der Ordensoberen in die Untersuchungen ermöglichen sollen.

Es sollen gemeinsame Vorgehensweisen und Protokolle geschaffen werden, um bei der Prüfung von Anschuldigungen dem Opferschutz ebenso wie dem Recht auf Verteidigung aufseiten der Beschuldigten Genüge zu tun. Auch soll es klare Vorgaben hinsichtlich der Einschaltung ziviler und kirchlicher Autoritäten geben und spezifische Protokolle zum Umgang mit Anschuldigungen gegenüber Bischöfen.

Ein weiterer Komplex beinhaltet Vorgaben zur Bildung, Bewusstseinsschärfung und seelsorgerischen Aufarbeitung der Schäden, die Gemeinschaften durch Missbrauchsfälle erleben. Ein weiterer Punkt gilt der „Stärkung der Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens und Mitarbeitern von Medien, um tatsächliche Fälle zu erkennen und von falschen zu unterscheiden: Anschuldigungen von Verleumdungen, Groll von Unterstellungen, das Gerede von übler Nachrede“.

Das Mindestalter für die kirchliche Eheschließung soll für beide Geschlechter auf 16 Jahre angeglichen werden, bislang liegt es für Männer bei 16 und Frauen bei 14 Jahren. Priester und Bischöfe, die nachweislich des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen schuldig sind, sollen künftig zwingend ihre öffentlichen Ämter aufgeben müssen. Alle 21 Punkte sind bei kath.net in Übersetzung nachzulesen.

Sind Zölibat und Sexualmoral schuld – oder macht die Gelegenheit Sextäter?

Das Jahr 2018 mit einer Vielzahl öffentlich gewordener Missbrauchsvorwürfe an Kleriker, vor allem in den USA, war für die Katholische Kirche eines, wie es Wiens Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn bereits mit Blick auf 2010 als „annus horribilis“ bezeichnet hatte. In jenem Jahr waren vor allem in Österreich und Deutschland zahlreiche Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen Kleriker und Verantwortliche für kirchliche Einrichtungen laut geworden. Im Jahr 2002 standen bereits Einrichtungen in den USA und in Irland im Mittelpunkt von Enthüllungen.

Während liberale Kirchenkritiker erklären, die zahlreichen Fälle sexueller Übergriffe, die sich bis hinein in hohe Ränge des Klerus ausbreiten, seien eine Folge des Zölibats und einer „veralteten Sexualmoral“, gehen konservative Traditionalisten davon aus, dass das Problem eher in einer Aufweichung der Glaubenslehren zu suchen sei. Insbesondere herrsche eine falsche Toleranz gegenüber homosexuellen Klerikern, die im Schutz ihres Amtes ihre Neigung auslebten.

Gegen die Stichhaltigkeit der liberalen Kirchenkritik spreche zudem, dass die Zahl der Missbrauchsfälle im Kontext von Einrichtungen der Katholischen Kirche nur einen Bruchteil jener Missbrauchsfälle ausmacht, die in einem weltlichen Zusammenhang von nicht zolibatär lebenden Menschen begangen werden.

Einige Beispiele sind aus den linksalternativen Internaten wie der mittlerweile geschlossenen „Odenwaldschule“ bekannt geworden. Hinzu kommen Missbrauchsfälle im privaten Umfeld, etwa durch Stiefväter oder Lebenspartner alleinerziehender Mütter, bis hin zu Gefängnissen, staatlichen Erziehungsheimen oder Fällen von Menschenhandel. Sexueller Missbrauch in der Katholischen Kirche werde jedoch in ungleich stärkerem Maße medial und politisch thematisiert.

Dennoch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass das Problem des sexuellen Missbrauchs innerhalb der Katholischen Kirche ein systemisches ist – und ein flächendeckendes Phänomen, das auf allen Ebenen des Klerus präsent ist.

Zustände auf Kuba sollen Rücktrittsgedanken in Benedikt erweckt haben

Im jüngst erschienenen Buch „In the Closet of the Vatican“ behauptet der französische Autor Frederic Martel, dass etwa 80 Prozent der katholischen Priester homosexuell veranlagt seien, davon lebte aber nur ein Teil diese Tendenz aus.

Das Buch basiere nach eigenen Angaben auf einer vierjährigen Recherche und mehr als 1.500 Interviews. Martel will auch mit 41 Kardinälen und 52 Bischöfen gesprochen haben. Einige Priester, so Martel, hätten auch untereinander Affären gehabt, andere hätten männliche Prostituierte besucht.

Ein besonders drastisches Beispiel beschrieb Martel im Zusammenhang mit dem Besuch des Papstes Benedikt XVI. auf Kuba im Jahr 2012. Das Portal „Life Site News“ berichtete jüngst darüber. Unter Berufung auf mehrere Quellen berichtet Martel, Benedikt sei von dem moralischen „Morast“, der sich ihm dort geboten hätte, so überwältigt gewesen, dass er darob in Tränen ausbrach. Martel schreibt, die dortigen Beobachtungen hätten ihn dazu veranlasst, erstmals über eine Abdankung nachzudenken – die im darauffolgenden Jahr dann auch tatsächlich erfolgte.

Bedingt durch rigide Pressezensur und die Unzugänglichkeit für ausländische Medien, möglicherweise auch aus weltanschaulichen Erwägungen sei, so Martel, bislang wenig über die Verwicklung katholischer Kleriker in sexuellen Missbrauch auf Kuba an die Öffentlichkeit gedrungen.

Martel sei jedoch fünf Mal in Havanna gewesen, um zu recherchieren, und habe herausgefunden, dass insbesondere in der Diözese der Hauptstadt selbst über Jahrzehnte hinweg eine Kultur sexueller Ausschweifungen und Pädophilie innerhalb des Klerus Platz gegriffen habe, die jedes vorstellbare Maß übersteige.

Kubas Kirche „in hohem Maße kompromittiert“

Das kommunistische Regime sei darüber im Bilde, allerdings verwende es seine Erkenntnisse nicht, weil es der Führung als taktisch klüger erscheine, das belastende Material für sich zu behalten. Als Kompromat helfe es, sich die Loyalität des Klerus in politischen Fragen zu sichern.

Im Gegenzug dulde man sogar Sextourismus aus vatikanischen Kreisen selbst, die extra zu diesem Zweck auf die Zuckerinsel reisten. Roberto Veiga, einer früherer Chefredakteur einer katholischen Zeitung auf Kuba, sprach gar von „Schwarzen Messen an Sonntagen, Orgien, Fällen von Pädophilie und Prostitution“. Die kubanische Kirche, so verriet er Martel, sei „in hohem Maße kompromittiert“.

Inwieweit auch in Nicaragua, wo eine starke Nähe des Klerus zur sozialistischen Führung besteht, Strukturen dieser Art eine Rolle spielen, ist unklar. Bereits in den 1980er Jahren, als kommunistische Vereinigungen „solidarische Ernteeinsätze“ in Nicaragua organisiert hatten, galt es als offenes Geheimnis, dass eine Vielzahl an Aktivisten auch mit der Erwartungshaltung reiste, die Möglichkeit sexueller Kontakte zu sehr jungen Knaben und Mädchen zu erlangen – und anschließend zu Hause damit zu prahlen.

Dass die sozialistische Führung vor diesem Hintergrund geneigt sein könnte, auch innerhalb der Kirche – im Austausch mit politischer Stromlinienförmigkeit – Umtriebe dieser Art zu dulden, liegt zumindest nicht außerhalb jedweder Lebenserfahrung.



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