Neuansiedlung im Fokus: UN-Migrationspakt soll um globalen Flüchtlingspakt ergänzt werden
Die Vereinten Nationen bringen derzeit, so erscheint es zumindest manchem Beobachter, in kürzerem Abstand neue, „unverbindliche“ Pakte zu Fragen grenzüberschreitender Wanderungsbewegungen auf den Markt als die Rolling Stones in ihren besten Zeiten Studioalben.
Der umstrittene „Global Compact on Migration“, der UN-Migrationspakt, der seit Wochen die Schlagzeilen füllt, ist noch nicht einmal unterschrieben, da ist schon wieder die Rede von einem neuen großen Wurf – dem „Globalen Pakt für Flüchtlinge“. Über diesen wurde im Dritten Ausschuss der UN-Generalversammlung Anfang der Vorwoche diskutiert.
Dabei zeigten sich profilierte Demokratien wie Pakistan, Venezuela, die Russische Föderation oder die Demokratische Republik Kongo überaus angetan von dem Vertragsprojekt, das mit Blick auf grenzüberschreitende Fluchtbewegungen „die Lasten stärker verteilen“ soll. Venezuela ist derzeit für Millionen eigener Bürger ein Auswanderungsland. Russlands geostrategischer Partner Iran hat erst kürzlich der EU mit neuen Terror- und Flüchtlingswellen gedroht, sollte Brüssel es nicht schaffen, die USA von ihren Sanktionen gegen Teheran abzubringen.
Wie die „Welt“ berichtet, stimmten in dem Gremium 176 Staaten für den Entwurf zu diesem neuen Vertragswerk, das wie auch der UN-Migrationspakt im Dezember angenommen werden soll.
Allerdings wird der „UN-Flüchtlingspakt“ nicht zuerst in Marrakesch unterzeichnet, sondern soll gleich von der UN-Generalversammlung abgesegnet werden. Explizit dagegen stimmten bislang nur die USA, die auch beim „Global Compact on Migration“ vorerst allein auf weiter Flur standen, ehe noch weitere Länder den Eindruck gewannen, dass sich hinter all der Unverbindlichkeitsrhetorik einige nicht unerhebliche Fallstricke für die eigene nationale Souveränität verbergen.
„Positives Klima für Neuansiedlungen fördern“
Anders als um den UN-Migrationspakt ist es um den UN-Flüchtlingspakt noch verhältnismäßig ruhig. Und das, obwohl darin Begriffe wie „Resettlement“, die sogenannte Neuansiedlung, unter der Überschrift „Lösungen“ fallen, und dieser sogar ein gesamtes Kapitel gewidmet ist. Diese, so heißt es in dem Dokument, diene nicht nur als „Instrument zum Schutz von Flüchtlingen und zur Lösung ihrer Situation“, sondern stelle auch einen „konkreten Mechanismus zur Lasten- und Verantwortungsteilung und einen Solidaritätsbeweis“ dar.
Immerhin ermögliche sie den Staaten, einander bei der Lastenteilung zu helfen und die Auswirkungen großer Flüchtlingssituationen auf die Aufnahmeländer zu verringern. Traditionell habe, so bedauert man, jedoch nur eine begrenzte Zahl von Ländern Neuansiedlungen angeboten. Deshalb könne „die Notwendigkeit, ein positives Klima für Neuansiedlungen zu fördern und die dafür nötigen Kapazitäten zu stärken sowie den Bestand an Neuansiedlungsmöglichkeiten zu erweitern“, nicht genug betont werden.
Die Staaten werden in diesem Zusammenhang „um Beiträge gebeten werden, um mit Unterstützung der relevanten Interessenträger Neuansiedlungsprogramme einzurichten oder auszuweiten, zu vergrößern und zu verbessern“.
Das Flüchtlingshochkommissariat UNHCR wird dazu „in Zusammenarbeit mit den Staaten und relevanten Interessenträgern eine Dreijahresstrategie (2019-2021) erarbeiten“, um „den Pool von Neuansiedlungsorten um Länder, die noch nicht an globalen Neuansiedlungsmaßnahmen beteiligt sind, zu erweitern und neu entstehende Neuansiedlungsprogramme zu konsolidieren“. Darüber hinaus will man sich um „Beitragszusagen“ für Programme dieser Art bemühen.
Deutschland ist bereits jetzt in diesen „Resettlement“-Zusammenhang integriert. In den Jahren 2018 und 2019 nimmt man im Rahmen dieses Mechanismus insgesamt 10 200 Personen auf. Im Vorfeld solcher Neuansiedlungen ermittelt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen den Schutzstatus vor Ort und vermittelt die Flüchtlinge dann auf legalem Wege an aufnahmewillige Länder.
„Philanthrop“ Soros mischt auf dem Wege der GRSI mit
Auch von „komplementären Wegen für die Aufnahme in Drittstaaten“ ist die Rede, die eine „Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz benötigen, den Zugang zu Schutz und/oder Lösungen erleichtern“ sollen. Es bestehe eine Notwendigkeit, dafür zu sorgen, dass solche Wege auf eine „systematischere, besser organisierte, nachhaltigere und geschlechtersensiblere Weise“ bereitgestellt werden, dass sie angemessene Schutzgarantien beinhalteten und dass insgesamt mehr Länder solche Möglichkeiten anböten.
Auch hierfür wird eine Dreijahresstrategie in Aussicht gestellt und die Staaten werden um Beiträge gebeten, um „mit Unterstützung der relevanten Interessenträger wirksame Verfahren und klare Wege der Weiterverweisung zum Zweck der Familienzusammenführung zu fördern“ oder um „private oder von einer Gemeinschaft getragene Sponsorenprogramme einzurichten, die zusätzlich zu regulären Programmen der Neuansiedlung angeboten werden“.
In diesem Zusammenhang wird explizit die Globale Initiative für Gemeinschaftssponsoring von Flüchtlingen (Global Refugee Sponsorship Initiative, GRSI) angesprochen. Bei dieser handelt es sich um einen Zusammenschluss, der auch das erklärte Vertrauen des europäischen Resettlement-Netzwerks genießt.
Getragen wird die GRSI von der autoritär-liberalen Regierung des kanadischen Premierministers Justin Trudeau, dem UNHCR, den Open Society Foundations des Milliardärs und selbsternannten Philanthropen George Soros, der Radcliffe Foundation des kanadischen Investors Frank Giustra und der Universität Ottawa.
Beide Pakte gehen auf UN-Gipfeltreffen 2016 zurück
Zudem sollen die an den Programmen beteiligten Staaten als weitere legale Aufnahmewege die Vergabe von Stipendien und Studentenvisa etwa oder die Schaffung legaler Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge ins Auge fassen.
Beide UN-Pakte gehen auf ein Gipfeltreffen der Vereinten Nationen im September 2016 zurück. Der UN-Migrationspakt ziele auf die derzeit etwa 258 Millionen Migranten, die sich nach Zählung der Vereinten Nationen derzeit außerhalb ihrer Heimat aufhalten. Dies seien jedoch vorwiegend Arbeitsmigranten. Der zweite Pakt befasst sich mit offiziell anerkannten Flüchtlingen, also Personen, die nach internationalem oder nationalem Recht einen Schutzanspruch genießen, wie Kriegsflüchtlingen oder politisch Verfolgten.
Zwar gibt es jetzt schon internationale Konventionen oder nationale Bestimmungen, die den Betreffenden eine Vielzahl an Rechten einräumen. Allerdings seien, so wird die Notwendigkeit des Flüchtlingspaktes begründet, die Lasten ungleich verteilt. So halten sich die meisten Flüchtlinge in Staaten wie dem Libanon oder der Türkei auf, die an das Konfliktgebiet direkt angrenzen. Dass die türkische Regierung, die bei der Flüchtlingsbetreuung von EU und UNO mit finanziellen Mitteln unterstützt wird, ebenso wie proiranische Gruppierungen, die auch aus dem Libanon kommen, entscheidend zur Eskalation des Krieges in Syrien beigetragen haben, findet wohlweislich keine Erwähnung.
Wie bereits mit Blick auf den UN-Migrationspakt heißt es von offizieller Stelle, dass Deutschland keine Pflichten aus dem Pakt entstünden. Immerhin sei ja auch er „rechtlich nicht bindend“. Deutschland lege weiterhin selbst fest, „welcher Beitrag zum globalen Flüchtlingsschutz zu welchem Zeitpunkt angemessen ist“, zitiert die „Welt“ das Auswärtige Amt. Und Deutschland erfülle bereits „alle wesentlichen Ziele des Pakts“.
Merkel-Politik wird nachträglich legitimiert
Befürworter des Pakts sehen darin auch ein Instrument, um Druck auf Nachbarländer zu erhöhen, die Erstaufnahmeländer zu unterstützen, die Zahl der Resettlement-Plätze zu erhöhen und die Standards für die Flüchtlinge anzuheben. Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel könnten also weiterhin eigenmächtig vollendete Tatsachen schaffen und, sobald sie merken, dass man die Lasten doch nicht allein schultern könne, andere Länder, die von vornherein gegen einen solchen Schritt waren, unter Zugzwang zu setzen.
Zudem sei, so Migrationsexperte Oliviero Angeli von der TU Dresden, „nicht ganz klar, wer als Flüchtling betrachtet wird“. Dies ließ man offenbar bewusst offen, um den Pakt zu retten. Man habe sich, so Angeli, in dem Pakt auf Kompromissformeln geeinigt, die afrikanische und europäische Staaten durchaus unterschiedlich auslegen könnten.
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