Weltweiter Atomkrieg: Wahrscheinlichkeit ist eins zu sechs, sagt Professor Tegmark

Noch immer tobt der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Wie groß ist die Gefahr einer weiteren Eskalation zu einem Atomkrieg? Der Physiker und Kosmologe Max Tegmark wagt eine Prognose.
Droht ein Atomkrieg?
Der Start einer ballistischen Rakete. Symbolbild.Foto: iStock
Von 11. Oktober 2022

Die Wahrscheinlichkeit eines weltweiten Atomkriegs liege bei eins zu sechs, prognostiziert der einflussreiche Forscher und Denker Max Tegmark. Seine Vorhersage verbreitet sich in den sozialen Plattformen viral. Allein auf Twitter wurde sie in kurzer Zeit rund 34.000 Mal geteilt, nicht zuletzt dank Unterstützer wie SpaceX-Gründer Elon Musk. „Die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs steigt rapide an“, schrieb der Tech-Milliardär als Antwort auf einen Tweet von Tegmark. Doch gibt es auch kritische Stimmen von Analysten, die die Quelle der kühnen Prognose hinterfragen.

Szenarien und ihre Wahrscheinlichkeiten

Seine Analyse veröffentlichte der schwedisch-amerikanische Professor Tegmark am 8. Oktober auf LessWrong, einem Community-Forum für Diskussionen zu diversen Themen wie Philosophie, Rationalität und künstliche Intelligenz. Tegmark argumentierte darin, dass die Wahrscheinlichkeit eines Atomwaffeneinsatzes durch Russland gegen die Ukraine bei 30 Prozent liege.

Die NATO würde bei diesem Szenario mit einer 80-prozentigen Wahrscheinlichkeit einen nicht-nuklearen Gegenschlag gegen Russland starten, so der Professor weiter. In diesem Fall besteht seiner Meinung nach eine Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent, dass Russland zurückschlägt und es zu weiteren Eskalationen und einem weltweiten Atomkrieg kommen könnte.

„Meine 70-Prozent-Schätzung basiert auf dem Hintergrund der langen Geschichte von Beinahe-Atomkriegen. Diese haben mich davon überzeugt, dass sowohl die USA als auch Russland in Bezug auf Deeskalation weit weniger kompetent sind als in Sachen Eskalation“, schrieb er in seinem Blogbeitrag.

70 Prozent von 80 Prozent von 30 Prozent lassen sich berechnen als 30 Prozent mal 80 Prozent mal 70 Prozent (0,3 mal 0,8 mal 0,7). Daraus ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von etwas weniger als 17 Prozent, also eins zu sechs, schlussfolgert der Physiker.

Kritik und Zuspruch

Tegmark räumt jedoch ein, dass er selbst keine besondere Expertise in dem Thema hat. Und doch können Forscher und Analysten seine Bedenken bezüglich eines Atomkonflikts nicht ganz von der Hand weisen.

Die Epoch Times befragte hierzu den Experten Nikolai Sokov. Das führende Mitglied des Wiener Zentrums für Abrüstung und Non-Proliferation stimmt weitgehend mit Tegmarks Kernpunkten überein, bis auf eine große Ausnahme: „Ich denke, dass ein Atomschlag gegen die Ukraine sehr unwahrscheinlich ist“.

Er schließt sich prinzipiell Tegmarks Meinung an, dass eine Deeskalation schwierig zu erreichen ist, wenn der Konflikt außer Kontrolle gerät. „Selbst ein relativ kleines Ereignis wie eine Provokation mit Flugobjekten, könnte eine Eskalationsdynamik auslösen“, sagte Sokov. Grund dafür: Politiker, die in einem solchen Szenario auf Deeskalation setzen, würden sich „innenpolitisch angreifbar“ machen.

Wie Sokov, betonte auch Experte Andrew Reddie, dass Aussagen zur Wahrscheinlichkeit einer nuklearen Konfrontation schwierig und subjektiv behaftet seien. „Die Vorhersage der Zukunft stellt ein unendliches Problem für Analysten dar“, erklärte der Assistenzprofessor der Universität von Kalifornien, Berkeley. „Tegmarks Analyse könnte am Ende richtig sein, aber genauso gut, auch falsch“. Er frage sich nur, woher die Zahlen für seine Wahrscheinlichkeitsrechnung stammen, „aus Angst, dass sie aus der Luft gegriffen sind“, schrieb Reddie in seiner E-Mail an die Epoch Times.

Auch wenn Tegmarks Analyse eher wenig hergebe, so stoße sie eine bedeutende Debatte an. „Der Beitrag ist in erster Linie nützlich, um eine wichtige Diskussion über die erhöhten Risiken eines Atomkonflikts und seine existenziellen Folgen anzustoßen“, honorierte Reddie.

Eskalation im Ukraine-Krieg

Die derzeitige Diskussion über die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs wird vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges geführt. Auf der einen Seite hat Russlands Führung zuletzt mehrfach erklärt, die Eroberungen mit „allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ zu verteidigen, was auch den Einsatz von Atomwaffen impliziert.

Auf der anderen Seite stehen die Äußerungen des ukrainischen Staatschefs Selenskyj und von US-Präsident Joe Biden. Selenskyj hat jüngst „Präventivmaßnahmen“ gegen einen russischen Atomwaffeneinsatz gefordert, während Biden behauptete, die Welt stehe so dicht vor einem Atomwaffenkrieg wie seit der Kuba-Krise 1962 nicht mehr.

Das Weiße Haus ruderte wenig später jedoch zurück und erklärte, dass es derzeit keine Hinweise auf einen bevorstehenden Atomwaffeneinsatz durch Russland gebe. „Wir haben keinen Grund gesehen, unsere eigene strategische nukleare Aufstellung anzupassen“, sagte Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre am 7. Oktober. „Wir haben auch keine Hinweise darauf, dass Russland unmittelbar einen Einsatz von Atomwaffen vorbereitet.“

Am 8. Oktober wurde die Brücke zwischen dem russischen Festland und der annektierten ukrainischen Krim-Halbinsel schwer beschädigt, nachdem eine Lkw-Bombe explodiert war. Der russische Präsident Wladimir Putin hat die ukrainischen Geheimdienste für die Explosion verantwortlich gemacht.

Als Reaktion darauf hatten russische Streitkräfte am Montagmorgen zahlreiche ukrainische Städte bombardiert, darunter die Hauptstadt Kiew und die westukrainische Stadt Lwiw. In diesen beiden Städten schlugen zum ersten Mal seit Monaten wieder Raketen ein.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg verurteilte daraufhin die russischen Angriffe und sicherte Kiew weitere Unterstützungen zu. Die NATO werde die Ukraine weiterhin dabei unterstützen, „gegen die Aggression des Kremls zu kämpfen, so lange, wie es nötig ist“, schrieb Stoltenberg.

Tegmarks Vergleich einer Shakespeare-Tragödie

„Der Angriff auf die Krim-Brücke und die vorhersehbare anschließende Eskalation erfolgten nach meiner ursprünglichen Analyse“, schrieb Tegmark. Er befürchtet, dass die Situation zwischen Russland und dem Westen weiter eskalieren könnte. In einer Shakespeare-Tragödie endet diese Art von Teufelskreis mit einem Haufen Leichen; „auf der Weltbühne könnte dies das Ende des menschlichen Lebens bedeuten, wie wir es kennen“, sagte Tegmark. (dl)

(Mit Material von The Epoch Times und Nachrichtenagenturen)



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