Apothekerverbände: „Lauterbach will Apothekenstrukturen zerstören“
Am heutigen Mittwoch startet in Düsseldorf der Deutsche Apothekertag. Einen Tag zuvor ließ Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine Bombe platzen. Über die Medien gab er seine Pläne für eine Umstrukturierung des Apothekensystems bekannt. Für die Apotheker ein Schlag ins Gesicht. Sie können Lauterbachs neuen Plänen nichts abgewinnen und fürchten um die Patientenversorgung.
Laut Ministerium soll das sogenannte „Mehrbesitzverbot“ gekippt werden. Wichtige Apothekendienstleistungen wie die Arzneimittelherstellung (Rezepturen) oder Not- und Nachtdienste müssen nicht mehr von allen Apotheken angeboten werden. Zudem sollen in Filialen Pharmazeutisch-Technische Assistenten als Vertretung vor Ort beraten können, wenn sie in digitaler Verbindung zu einem Apotheker in der Hauptapotheke stehen. Als Anreiz sollen in strukturschwachen Gebieten Honorare erhöht werden. Teil der Gesetzespläne soll zudem sein, dass Apotheken bei knappen Kinderarzneimitteln leichter Austauschpräparate einsetzen können.
Heftige Kritik für Lauterbachs Pläne kam umgehend von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA).
Es ist ein Affront, dass der Minister seine zerstörerischen Pläne noch vor seiner Videobotschaft auf dem morgigen Apothekertag über die Medien verkündet“, so ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening.
Inhaltlich interpretiere der Verband die Pläne als „Kampfansage des Ministers gegenüber der gesamten Apothekerschaft“. Mit der Honorarkürzung Anfang des Jahres habe die Bundesregierung die Apotheker wirtschaftlich bereits extrem unter Druck gesetzt.
„Kommt Lauterbach mit diesen Plänen im Parlament durch, würde er den Apotheken komplett den Boden unter den Füßen wegziehen“, warnt Overwiening.
Professionelle Beratung auf dem Prüfstand
Die ABDA-Präsidentin erinnert den Minister an den Koalitionsvertrag, in dem die Ampel-Koalition eine Stärkung der Apotheken versprochen hatte. Mit den jetzt bekannt gewordenen Plänen werde genau das Gegenteil erreicht: Die Beratung durch approbierte Apotheker werde zusammengestrichen. Die Versorgung mit Rezepturen – wie Salben und Fiebersäfte für Kinder – werde in vielen Apotheken gänzlich gestrichen. Wenn Patienten Notdienste in Anspruch nehmen wollen, müssten sie sehr lange Strecken fahren, bis sie endlich versorgt werden können.
„Die Annahme des Ministers, dass es mit seinen Plänen mehr Filialgründungen geben könnte, ist ebenfalls an den Haaren herbeigezogen. Denn: Bei den letzten Auswertungen der Apothekenzahlen haben wir gesehen, dass viele Filialen wieder schließen mussten“, schildert Overwiening die brisante Lage der Apotheken.
Gleichzeitig erinnerte sie den Minister an sein mehrfach wiederholtes Versprechen, dass es unter ihm keine Leistungskürzungen geben werde. Lauterbach müsse verstehen, dass das gesamte System mehr Geld benötige.
„Eine Versorgung in der Fläche und damit auch im ländlichen Raum wird durch diese unausgegorenen Pläne zusätzlich geschwächt. Die wiederholte Aussage des Ministers, dass es für die Patientinnen und Patienten keine Leistungskürzungen geben soll, wird sich angesichts einer alternden Gesellschaft als Mogelpackung erweisen“, kritisiert Overwiening.
Kommunikation erreicht neuen Tiefpunkt
Aufgrund der Ankündigung dieser neuen Pläne noch vor Lauterbachs Rede anlässlich des Deutschen Apothekertags ist die Kommunikation mit dem Bundesgesundheitsministerium laut ABDA nun auf einem erneuten Tiefpunkt angekommen. Noch zuletzt habe man im Ministerium sehr konstruktiv über die Versorgung mit Kinderarzneimitteln beraten und gute Lösungen gefunden.
„Im nächsten Atemzug stiehlt er der Bevölkerung die qualitativ hochwertige Beratung durch Apothekerinnen und Apotheker und trivialisiert das hochberatungsbedürftige Gut Arzneimittel“, so Overwiening. „Es ist beängstigend, dass der Minister nun jegliche Diskussionsebene und Konstruktivität verlassen hat und die vollversorgenden Apotheken abschaffen will.“
Nun hofft die Apothekerschaft, „dass das Parlament die grenzenlose Verantwortungslosigkeit des Ministers zu bremsen weiß.“
Die ABDA-Präsidentin kündigt eine neue Protestwelle an, um die wohnortnahe Patientenversorgung zu sichern, möglicherweise auch im Rahmen gemeinsamer Aktionen mit anderen heilberuflichen Gruppen. Am heutigen Nachmittag werden viele Apotheken schließen, um Lauterbachs Rede genauestens zu verfolgen, teilte der Verband mit. Die Patientenversorgung werde aber durch den Bereitschaftsdienst abgesichert.
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