Corona-Simulator: Lockdown zur Eindämmung der Fallzahlen ungeeignet – Virologen fordern Strategiewechsel

Ein Forscherteam der Universität des Saarlandes hat einen „Corona-Simulator“ entwickelt, der helfen soll, die weitere Entwicklung zentraler Parameter rund um die COVID-Seuche vorauszusagen. Die Simulation aus dem Saarland beweist, dass das angestrebte Ziel der Senkung der Infektionszahlen mit den derzeitigen Maßnahmen nicht erreichbar ist.
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Hinweis auf Maskenpflicht in Bremens InnenstadtFoto: über dts Nachrichtenagentur
Von und 9. November 2020

Forscher an der Universität des Saarlandes haben ein Tool entwickelt, das es ermöglichen soll, die künftige Entwicklung der Corona-Fallzahlen im Bundesgebiet mit größtmöglicher Präzision vorherzusagen. Was der Corona-Simulator bislang erkennen lässt, deutet nicht darauf hin, dass der aktuelle, bis Ende November anberaumte „Lockdown light“ ausreichen wird, um die Infektionszahlen in dem Maße zu senken, wie die Politik es anstrebt.

Wie der „Business Insider“ berichtet, hat ein Forscherteam rund um Thorsten Lehr, Professor für Klinische Pharmazie an der Universität des Saarlandes, das Projekt CoSim vorgestellt. Der Corona-Simulator soll es anhand regelmäßig erneuerter und datenbasierter mathematischer Modelle bewerkstelligen, die Entwicklung von Schlüsseldaten vorherzusagen, die der Politik als Entscheidungsträger dienen sollen.

Dazu gehört neben der Zahl an Infektionen selbst auch die Entwicklung im Bereich der Krankenhausbettenbelegung – sowohl im Normalbereich als auch auf den Intensivstationen. Darüber soll der Simulator Szenario-Rechnungen ermöglichen, wie sich die Infektionslage entwickelt, sollten Schulschließungen oder die Aufhebung von Kontaktverboten unternommen werden. Die Daten, die der Simulator gewinnt, können auch auf Stadt- und Landkreisebene heruntergebrochen werden.

Corona-Simulator: Maßnahmen können Infektionszahlen nicht senken

Was den derzeitigen Lockdown anbelangt, äußert sich Lehr pessimistisch bezüglich der zu erwartenden Entwicklung der Fallzahlen. Die Maßnahmen werden voraussichtlich nicht ausreichen, um die Ansteckungsrate so weit zu senken, dass ab Dezember wieder mit einer Rückkehr zu einem normalen Alltag zu rechnen ist. Das habe auch damit zu tun, dass es den Gesundheitsämtern nicht mehr gelungen sei, alle Infektionswege nachzuverfolgen.

Um dieses Versäumnis zu beheben, sei eine Senkung der bundesweiten täglichen Zahl an Neuinfektionen auf 2.000 erforderlich. Um darüber hinaus eine Überlastung des Gesundheitswesens auszuschließen, müssten Ansteckungszahlen „extrem stark sinken“. Derzeit liege die bundesweite mittlere Reproduktionszahl bei 1. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr war es gelungen, diesen Wert auf 0,6 zu drücken.

Selbst wenn man es schaffen sollte, diesen Standard zu erreichen, lägen laut Lehr immer noch mehr als die Hälfte aller Stadt- und Landkreise oberhalb des Werts von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche.  Insgesamt gibt es in Deutschland derzeit knapp 240.000 aktive Corona-Fälle. In intensivmedizinischer Behandlung befinden sich davon 2.904 Infizierte.

Falsche Zielsetzung „rechtfertigt“ ewigen Lockdown

Die Simulation offenbart jedoch Schwächen der aktuellen Corona-Maßnahmen. Die Einschränkungen des Lebens und der Freiheit widersprichen nicht nur dem Grundgesetz, sondern auch dem grundlegenden, medizinisch-ethischen Prinzip des ärztlichen Handelns: „Primum nihil nocere“ („erstens nicht schaden“).

Aus diesem Grund fordern die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowie die beiden Virologen Hendrik Streeck und Jonas Schmidt-Chanasit einen Strategiewechsel. In ihrem Appell an die Bundesregierung heißt es:

Wir erleben bereits die Unterlassung anderer dringlicher medizinischer Behandlungen, ernstzunehmende Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen durch soziale Deprivation und Brüche in Bildungs- und Berufsausbildungsgängen, den Niedergang ganzer Wirtschaftszweige, vieler kultureller Einrichtungen und eine zunehmende soziale Schieflage als Folge.“

Statt pauschaler Einschränkungen müsse die Politik endlich gezielte Schutzmaßnahmen – insbesondere von Risikogruppen – priorisieren. Die Simulation aus dem Saarland beweist, dass das angestrebte Ziel mit den derzeitigen Maßnahmen nicht erreichbar ist und die Maßnahmen daher ungeeignet sind.



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