Deutsche Textilindustrie produziert wöchentlich 22 Millionen Masken – vielen Betrieben droht trotzdem das Aus

Für die deutsche Textil- und Modeindustrie ist die Situation – trotz eines großen Bedarfs an Masken – aufgrund möglicher Umweltauflagen und zahlreicher Auftragsstornierungen ernst. Viele Betriebe haben Kurzarbeit beantragt und es droht eine Pleitewelle. Die Branche hofft nun auf ein schnelles Wiederanfahren der Textil-Produktion.
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Ein Automobilzulieferer in Bayern hat auf die Produktion von Mundschutzmasken umgestellt.Foto: Armin Weigel/dpa/dpa
Von 15. Mai 2020

Fast jedes zweite Unternehmen – von den 1.400 in der deutschen Textil- und Modeindustrie – ist in die Versorgungslücke bei Schutzmasken gesprungen. Das geht aus einer Umfrage des Gesamtverbandes textil+mode hervor. Insgesamt seien es aktuell rund 22 Millionen Masken, die pro Woche produziert würden – Tendenz steigend, so der Textilverband.

Angekurbelt wurde diese Entwicklung durch Äußerungen des Gesundheits- und Wirtschaftsministeriums. Die Ministerien signalisierten, dass es ein wichtiges Ziel der Regierung sei, die inländische Produktion von persönlicher Schutzausrüstung zu stärken, um den nationalen Bedarf aus dem Inland heraus besser decken zu können.

Dabei ist die Bandbreite der Textilunternehmen, die aktuell Masken produzieren, weit gefasst. Dementsprechend war auch der Aufwand zur Produktionserweiterung und -umstellung unterschiedlich. Unternehmen, die bereits medizinische oder arbeitsschutztechnische Produkte herstellten, hatten weniger Aufwand. Hingegen mussten Matratzen-, Sonnenschutz-, Brautmoden-, Sport- und Freizeitbekleidungshersteller ihre Produktions- und Betriebsabläufe teils erheblich verändern.

Neue Gesetze könnten OP- und FFP-Maskenproduktion in Deutschland stilllegen

Aufgeschlüsselt nach Maskenart haben Ende April größtenteils mittelständische Unternehmen wöchentlich 2,5 Millionen FFP-Masken, 7,5 Millionen OP-Masken sowie rund 12 Millionen Mund-Nase-Masken produziert.

Doch kaum sind viele Produktionsstätten eingerichtet, gibt die Textil-Branche ein Warnsignal. Denn ein ganzes Paket geplanter Umweltgesetze könnte es künftig unmöglich machen, Masken und andere medizinische Schutzausrüstung in der EU zu produzieren. Dies erklärt der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie. Er schrieb deshalb einen Brandbrief an Umweltministerin Svenja Schulze (SPD).

Aufgrund der Gesetzesvorhaben könnten kaum noch OP- und FFP-Masken in Europa produziert werden, erklärt der Textilverband darin. Denn die deutschen Masken erhielten aufgrund der EU-Chemikalienverordnung dann keine Marktzulassung mehr.

„Während Unternehmen ums Überleben ringen und gleichzeitig eine Maskenproduktion aufbauen, wird hinter den Kulissen eifrig an Verschärfungen des Umweltrechts geschraubt“, sagt Verbandspräsidentin Ingeborg Neumann der „Welt“.

Daher fordern die Textil-Produzenten, die für 2021 geplante CO2-Steuer sowie die EU-weit angedachten Verschärfungen im Stoff- und Chemikalienrecht sowie beim Abfallrecht, fallen zu lassen. Hintergrund dafür ist eine EU-Verordnung, die der Bundesregierung als Vorlage für geplante Gesetzesänderungen dient. Ziel ist eine nachhaltigere Produktion sowie die Reduzierung von Giftstoffen. Denn richtig umweltfreundlich ist die medizinische Maskenproduktion nicht.

Dabei geht es beispielsweise um die Beschränkung von C6-Fluorchemie, insbesondere Perflourhexansäure, oder Mikroplastik, die Regulierung von Biozidprodukten und höhere Recyclinganforderungen, wie die „Welt“ berichtet.

Das wirft Fragen bei der heimischen Textil-Industrie auf, beispielsweise, ob die Maskenproduktion langfristig rentabel und sinnvoll ist. Denn sie steht aktuell mit dem Rücken zur Wand, da viele Aufträge weggebrochen sind. Der Textilverband wartet nun die Reaktion des Umweltministeriums ab. Der Textilverband wartet nun die Reaktion des Umweltministeriums ab.

80 Prozent der Textil-Unternehmen haben Kurzarbeit beantragt – ein Drittel befürchtet Pleite

Wie ernst die Situation ist, zeigen die Zahlen des Gesamtverbandes: Rund 80 Prozent der Textil-Unternehmen haben Kurzarbeit beantragt. Ein Drittel befürchtet, in diesem Sommer Pleite zu gehen, wenn die Wirtschaft nicht zügig wieder anlaufen kann, gab der Verband kürzlich bekannt.

Dazu äußert Dr. Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie: „Trotz der enormen wirtschaftlichen Probleme sind fast die Hälfte unserer Unternehmen in die Maskenproduktion eingestiegen, um ihren Beitrag für den Gesundheitsschutz zu leisten.“

„Die Produktionszahlen bei Masken dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lage in der Textilindustrie durch den Shutdown als desaströs bezeichnet werden muss. Viele Unternehmen kämpfen um ihre Existenz und wissen nicht, wie sie über die nächsten Wochen kommen sollen“, so Mazura weiter.

Dabei wären die größten Herausforderungen für die Unternehmen Stornierungen, Probleme mit den Lieferketten und Liquiditätsengpässe. Hinzu kämen noch Probleme bei der Kreditbeantragung und den Vergabe-Bedingungen bei den KfW-Corona-Krediten.

Textilindustrie: Stornierungen, Lieferketten-Probleme, Finanzschwierigkeiten

Für den Gesamtverband textil+mode ist jetzt ein zügiges Wiederanfahren der Wirtschaft der einzige Ausweg aus der misslichen Lage.

Wir haben der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten der Länder einen Plan für einen Re-Start unterbreitet. Mit konkreten Anti-Corona-Maßnahmen können wir das Wirtschaftsleben in Deutschland jetzt wieder hochfahren“, führt Mazura aus.

Die deutsche Textil- und Modeindustrie würde mit der Maskenproduktion dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Der Stillstand müsse überwunden werden, damit nicht „reihenweise mittelständische Unternehmen in Deutschland von der Landkarte verschwinden“, so der Geschäftsführer. „Gerade jetzt zeigt sich, wie wichtig es ist, eine eigene Industrie in Deutschland zu haben.“



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