Die Folgen der Krise: Steuereinnahmen dürften 2020 um fast 100 Milliarden Euro sinken

Dass die Wirtschaftskrise infolge der Corona-Maßnahmen teuer wird, ist klar. Wie sehr sie den Staat trifft, sagen die Steuerschätzer heute (14.5.) voraus. Wir übertragen die verkündung der Ergebnisse Live ab 15 Uhr.
Epoch Times14. Mai 2020

Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen fallen im laufenden Jahr um voraussichtlich 98,6 Milliarden Euro niedriger aus als bisher erwartet. Das geht aus der Frühjahrsprognose des Arbeitskreises Steuerschätzung hervor, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag in Berlin vorstellte. Bis 2024 wird demnach sogar ein Einnahmeminus von 315,9 Milliarden Euro erwartet.

Im laufenden Jahr muss der Bund vorwiegend aufgrund der Auswirkungen der Corona-Krise ein Minus von 44 Milliarden Euro verkraften, die Länder von 35 Milliarden Euro. Weitere 15,6 Milliarden Euro entfallen auf die Kommunen, vier Milliarden Euro auf die Abführungen an die Europäische Union.

Auch in den folgenden Jahren muss der Bund den größten Teil der Einnahmeverluste hinnehmen. Sie summieren sich bis 2024 auf 171,1 Milliarden Euro.

Allerdings entfällt in den Jahren ab 2021 nur ein Teil der Einnahmeausfälle auf Schätzabweichungen im Vergleich zur Steuerschätzung vom November. Ein beträchtlicher Anteil geht dann – anders als im laufenden Jahr – auf Änderungen des Steuerrechts und weitere neue Gesetze zurück, darunter der weitgehende Abbau des Solidaritätszuschlags und andere Steuersenkungen.

Wirtschaft schrumpft – Arbeitnehmer fallen wegen Arbeitslosigkeit als Steuerzahler aus

Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um mehr als sechs Prozent schrumpfen dürfte. Das bedeutet nicht nur weniger Gewerbe- und Umsatzsteuer, sondern auch weniger Jobs und drastisch mehr Kurzarbeit, was die Einkommensteuer einbrechen lässt. Dazu kommen Stundungen und neue Regelungen für Steuer-Vorauszahlungen.

Das Finanzministerium rechnet damit, dass allein die steuerlichen Maßnahmen aus dem Corona-Finanzpaket Bund, Länder und Gemeinden mit mindestens 118,8 Milliarden Euro belasten werden. Die Gesamtkosten der Finanzpakete für Wirtschaft und Bürger werden auf 453,4 Milliarden Euro beziffert – Garantien über mehr als 800 Milliarden Euro, die möglicherweise auch noch greifen müssen, sind da nicht einmal eingerechnet.

Es deutet sich deshalb an, dass die bisher geplanten 156 Milliarden Euro an neuen Krediten nicht ausreichen, um die Folgen der Krise abzufangen. Zumal Finanzminister Scholz im Juni ein großes Konjunkturpaket vorlegen will, das der Wirtschaft wieder auf die Füße helfen soll. Auch die Kommunen erwarten Hilfe. Die Krise werde ein Loch von mindestens 20 Milliarden Euro in den Kassen reißen, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages.

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, ging gar von 30 Milliarden Euro Steuerausfällen für die Kommunen aus. Dedy und Landsberg forderten Finanzhilfen in zweistelliger Milliardenhöhe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich in einer Videokonferenz an diesem Donnerstag mit Vertretern kommunaler Spitzenverbände beraten.

Genaue Folgen der Krise sind kaum vorhersehbar

Die Prognose der Steuerschätzer ist in diesem Jahr auch deshalb besonders schwierig, weil die Auswirkungen der Corona-Hilfen noch gar nicht endgültig abzusehen sind. So ist beispielsweise unklar, ob der Handel sowie das Hotel- und Gaststättengewerbe zumindest einen Teil ihrer Umsatzverluste nach den wochenlangen Schließungen wieder aufholen können – also ob die Bürger im Sommer und Herbst dann erst recht einkaufen, im Restaurant essen oder in den Urlaub fahren wollen.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans schlug angesichts der finanziellen Lasten vor, dass der Bund seine Schulden langsamer tilgt als geplant.

Der Bund der Steuerzahler forderte eine Überprüfung staatlicher Ausgaben. „Wir müssen uns klarmachen, was wir uns nicht mehr leisten können“, sagte Präsident Reiner Holznagel. Da seien alle Ressorts gefragt. „Wir müssen auf jeden Fall noch einmal über die Finanzierung der Grundrente sprechen“, sagte Holznagel. Bereits vor der Krise sei die dauerhafte Finanzierung völlig unklar gewesen.

Bericht im Halbjahresrhythmus

Der Arbeitskreis Steuerschätzung kommt zweimal im Jahr zusammen, im Frühjahr und Herbst. Darin sitzen Experten der Bundesregierung, der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, des Statistischen Bundesamts, der Bundesbank, des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Vertreter der Länderfinanzministerien sowie der Kommunen. Sie gehen die erwarteten Einnahmen bei allen Steuerarten durch und rechnen diese dann zusammen. (dpa/al)



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