Ergebnisse des „Agrargipfels“: Es wird an, aber nicht in der Landwirtschaft verdient

"Nun seien Taten gefordert", sagt Stefan Mann vom Bund deutscher Milchviehhalter nach dem "Agrargipfel". Es wurden weitere Treffen beschlossen, darunter die Einrichtung einer "Zukunftskommission Landwirtschaft" und das "nationale Dialogforum zur Landwirtschaft".
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Rechtliche Hindernisse in der Tierhaltung sollen überprüft werden.Foto: iStock
Epoch Times3. Dezember 2019

Landwirtschaftsminister Julia Klöckner stellte nach dem dreistündigen Gespräch des „Agrargipfels“ am 2. Dezember die Ergebnisse des Treffens vor. Neben Kanzlerin Merkel nahmen rund 80 Vertreter aus Landwirtschaft, Organisationen und Verbänden teil.

Die Kanzlerin sagte unter anderem: „Wir wollen regionale Produkte und zu Hause Landwirtschaft haben. Das bedeutet, dass Sie eine Zukunft haben müssen“. Es gäbe „ein dramatisches Problem bei der Artenvielfalt“. Dabei seien die Landwirte „nicht die einzigen Verursacher“, jedoch Teil des Gesamtsystems. Daher sollten partnerschaftlich verschiedene Bereiche zusammengebracht werden und Wege gefunden werden, um der Branche Berechenbarkeit zu geben.

Insektenschutz neu diskutieren, keine pauschalen Verbote

Die Bauern seien offen für neue Umweltmaßnahmen, bestätigte Bauernpräsident Joachim Rukwied nach dem „Agrargipfel“. „Es ist ein guter Auftakt für einen notwendigen Dialog, den wir jetzt intensivieren und fortsetzen müssen.“ Für ihn heißt das konkret, dass das Aktionsprogramm Insektenschutz neu diskutiert wird und der kooperative Naturschutz klaren Vorrang vor pauschalen Verboten erhält. Es gehe nicht um das Ob, sondern nur um das Wie. „Wir wollen Naturschutz gemeinsam nach vorne bringen, nicht einfach Verbote als Basis.“

„An der Landwirtschaft wird verdient, aber nicht in der Landwirtschaft. Daher gehen die Bäuerinnen und Bauern wegen weiterer Auflagen auf die Straße. Es ist deren Protest, der von der Überforderung durch widersprüchliche Anforderungen zeugt. Mehrleistungen bei gleichzeitigen Niedrigpreisen, die häufig nicht einmal die Kosten decken, sind für die landwirtschaftlichen Betriebe unlösbare Aufgaben. Nicht der vor- und nachgelagerte Bereich braucht Lösungen, sondern die Bäuerinnen und Bauern“, sagt Stefan Mann (Bund deutscher Milchviehhalter, BDM). Nun seien Taten gefordert.

Mehrere Kommissionen und neue Treffen beschlossen

Es wurde unter anderem beschlossen, eine „Zukunftskommission Landwirtschaft“ einzurichten. Diese soll „unter Einbindung von Praktikern, Wissenschaftlern und gesellschaftlichen Akteuren“ Wege für eine ressourcenschonende Landwirtschaft entwickeln. Dabei soll der Bauernverband und die Aktionsgruppe „Land schafft Verbindung“, welche die Proteste der Bauern mit ihren Traktoren in Berlin organisierte, bei den verschiedenen Interessengruppen um ein Verhandlungsmandat für die gesamte Branche werben. Das betrifft sowohl die konventionelle als auch die ökologische Landwirtschaft.

Die Grünen im Bundestag beklagen die Ergebnisse des „Agrargipfels“ als „mager“. So sei die Ursache für das Höfesterben „vor allem die Wachse-oder-Weiche-Politik, die das konservativ geführte Landwirtschaftsministerium in den vergangenen 15 Jahren vorangetrieben hat“. Und weiter: Nötig für eine zukunftstaugliche Agrarwende sei „eine Politik für Bauern UND für Bienen.“ Die Grünen im Bundestag fügen hinzu: wir „wollen Bäuerinnen und Bauern endlich Planungssicherheit geben und sie auf dem Weg zu einer natur- und tierverträglichen Landwirtschaft begleiten“.

„Dieser Agrargipfel diente der Union vor allem dazu, sich kurzfristig gute Stimmung zu erkaufen, gelöst ist aber nichts“, sagte die frühere Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) dem Tagesspiegel.

Einbeziehung des Handels – Habeck will anderes Konsumentenverhalten

Für den kommenden Herbst wurde ein Folgetreffen dieser Runde geplant, um die Ergebnisse, Fortschritte und den künftigen Handlungsbedarf zu besprechen.

Ein weiteres Treffen wird im Bundeskanzleramt angesetzt, es soll den Handel einbeziehen. Gleichzeitig soll die UTP-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken umgesetzt werden. In der UTP-Richtlinie wurde im April 2019 durch die EU beschlossen, dass Landwirte und andere Anbieter von Lebensmitteln ab 2021 vor allem vor einseitigen Vertragsänderungen und vor verspäteten Zahlungen des Einzelhandels geschützt werden. Dies gilt nicht nur für Frischprodukte, sondern auch für haltbare Lebensmittel. Es wurden Verbandsklagen zugelassen. Landwirte und Agrarbetriebe mit bis zu 350 Mill. Jahresumsatz sollen damit vor unlauteren Handelspraktiken bewahrt werden.

Das Landwirtschaftsministerium wird ein „nationales Dialogforum zur Landwirtschaft“ starten, um die gegenseitige Wertschätzung zu erhöhen. Die Veranstaltungen sollen bundesweit stattfinden, mit der Grünen Woche im Januar 2020 beginnen und über die Arbeit der Landwirte aufklären.

Von Klöckner hieß es auch: „Es wird Kompromisse und Ausgleiche geben.“ Die höheren Kosten könnten durch höhere Preise, Investitionszuschüssen oder Prämien ausgeglichen werden. „Es wird von allem etwas sein“, sagte Klöckner.

Grünen-Chef Robert Habeck forderte vor dem „Agrargipfel“, die Landwirte besser für ihre Produkte zu bezahlen. „Wir müssen eigentlich dem Wert der Lebensmittel wieder mehr Geltung verschaffen. Wir haben faktisch eine totale Entwertung von Lebensmitteln“, sagte Habeck im Deutschlandfunk. „Wir sehen es an der Ladentheke, wir sehen es bei den Bauern, die häufig im Minus arbeiten, und wir sehen es in einer gewissen Wegwerf-Mentalität, die hochwertig produzierte Lebensmittel einfach dann wieder in den Müll schmeißt.“ Daher müssten die Verbraucher auch ihre Konsumgewohnheiten „ein bisschen umstellen“.

Tierhaltung umbauen, Ackerbau braucht Lösungen

Weiterhin wurde auf dem Agrargipfel beschlossen: In der ersten Jahreshälfte 2020 sollen Vorschläge durch eine Kommission unterbreitet werden, wie der Umbau der Tierhaltung finanziert werden kann. Diese Kommission steht unter Leitung des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert. Rechtliche Hindernisse für mehr Tierwohl (z.B. im Baugesetzbuch und der TA Luft) sollen untersucht und angegangen werden. Gleichzeitig soll eine Strategie für den Ackerbau entstehen, die Lösungen für die Konflikte zwischen Ertragssicherung und Umwelt- und Klimaschutz herausarbeitet.

Die Bauernschaft wird an den weiteren Schritten zum Insektenschutz beteiligt, dazu laden Agrarministerium und Umweltressort zu einem Runden Tisch „Landwirtschaft und Insektenschutz“ ein. Umweltprogramme, die funktionieren, sollen als Basis für die Weiterentwicklung dienen. Kooperationsmodelle (Niederlande) oder nachhaltige FRANZ-Projekte sollen geprüft und weiterentwickelt werden. Konzepte, welche Insekten- und Biodiversitätsschutz und Landbewirtschaftung vereinen, werden miteinander verbunden.

Ob das Mercosur-Abkommen von Deutschland ratifiziert wird, wird davon abhängig gemacht, ob die darin enthaltenen verbindlichen Regeln zu Arbeit, Umwelt und Klima eingehalten werden.

Und die Bundesregierung will veranlassen, dass Schulbücher und Lehrmaterialien die Landwirtschaft realistisch zeigen. Dazu soll die Kultusministerkonferenz angesprochen werden. (ks, mit Material von afp/dpa)

Video: ntv berichtete LIVE vom Agrargipfel



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