Gaspreisbremse: „Sinnvolle Lösung so schnell nicht machbar“

Die mit der Ausarbeitung der Gaspreisbremse beauftragte Kommission dämpft die Hoffnungen auf eine tragfähige Lösung. Am Anfang soll eine Pauschale stehen.
Alle EU-Länder müssen Gas sparen, aber Deutschland besonders.
Gasrohre. Symbolbild.Foto: Uwe Anspach/dpa
Von 7. Oktober 2022

Am kommenden Montag (10.10.) soll die von der Bundesregierung beauftragte Kommission einen ersten Detailvorschlag für die geplante Gaspreisbremse vorlegen. Die Maßnahme ist Kernstück des sogenannten „Abwehrschirms“, mit dem das Kabinett von Olaf Scholz Verbraucher und Unternehmen entlasten will. Für das Paket sind 200 Milliarden Euro eingeplant, die zu einem großen Teil über Kredite finanziert werden sollen.

SPD setzt Kommission unter Druck

Über die Details der Gaspreisbremse herrscht jedoch noch Uneinigkeit. Ein erstes Treffen von Kanzler Scholz mit den Ministerpräsidenten endete am Dienstagabend noch ohne Ergebnis. SPD-Chef Lars Klingbeil hat die Kommission im „Morgenmagazin“ des ZDF zu zügigem Handeln aufgefordert:

Ich dränge darauf, dass wirklich die Entlastung dieses Jahr noch bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt.“

Die Bundesregierung habe die eingesetzte Expertenkommission zur Gaspreisbremse gebeten, am Montag die ersten Detailvorschläge vorzulegen, berichtet die „Tagesschau“. Man werde „das Ganze dann sehr schnell umsetzen“, sichert Klingbeil zu.

„Eine sinnvolle Lösung ist so schnell nicht machbar“, dämpfen hingegen Kommissionsmitglieder gegenüber dem „Handelsblatt“ die Erwartungen.

Die grundlegende Stoßrichtung für die Gaspreisbremse steht bereits fest: Ein bestimmter Grundverbrauch an Gas soll subventioniert werden. Dieser soll voraussichtlich auf 70 bis 80 Prozent des Vorjahres- oder Durchschnittsverbrauchs umfassen. Darüber hinaus sollen die Marktpreise gelten. Auf diese Weise soll ein Sparanreiz geschaffen werden. Der Bundesnetzagentur zufolge muss der Gasverbrauch um 20 Prozent sinken, um über den Winter zu kommen.

Gaspreisbremse in zwei Etappen denkbar

Wie der „Spiegel“ in Erfahrung gebracht hat, will die Expertenkommission den vom Kanzler so bezeichneten „Doppelwumms“ als Zwei-Stufen-Plan darstellen. Über den Winter soll es vorerst eine Pauschallösung geben. Bis zum Sommer will man dann eine ausdifferenzierte Lösung vorlegen.

Am Anfang soll demnach ein pauschaler Rabatt bis zu vier Cent auf die Kilowattstunde gelten. Dieses Modell hat Felix Matthes vom Öko-Institut in Berlin als kurzfristigen ersten Schritt vorgeschlagen. Eine Dauerlösung sieht er in dem Modell nach eigenen Angaben selbst nicht.

Für etwa 20 Prozent der Gaskunden, die noch einen Gaspreis auf Vorkrisenniveau bezahlten, falle ein Sparanreiz weg. Gleichzeitig seien die vier Cent nur eine unzureichende Entlastung für Kunden, die bereits jetzt 30 Cent oder mehr für die Kilowattstunde bezahlten.

Allerdings sei das Modell schnell administrierbar, weshalb es sich für den Übergang eigne. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat bereits erklärt, er könne ein solches Zwei-Stufen-Modell „akzeptieren“.

Geschäftsklimaindex auf Rekordtief

Während ein Modell, das Privatkunden signifikant entlasten würde, verhältnismäßig schnell verfügbar sein könnte, ist eine Lösung für Unternehmen komplizierter. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, ist der ifo-Geschäftsklimaindex vor allem bei den Kleinstunternehmen auf ein Rekordtief gefallen. Der von dem Institut zusammen mit dem IT-Dienstleister Jimdo erhobene Index ist im September um acht auf nur noch 21 Punkte gesunken.

Ein bereits geplantes Dämpfungsprogramm mit Blick auf die Kosten für die energieintensive Industrie sollte künftig auch auf kleine Handwerksbetriebe gelten. Allerdings ist nach Informationen der Zeitung diese KMU-Erweiterung schon wieder vom Tisch. Zuletzt hatten unter anderem Bäckereien in mehreren Bundesländern aufgrund der extremen Energiekosten ihren Betrieb einstellen müssen.

Umso mehr ist die Zukunft vieler Unternehmen nun davon abhängig, dass die Gaspreisbremse auch für sie eine tragfähige Lösung bereithält.

Fuel Switch kann Industrie beim Sparen helfen

Aufgrund der regelmäßig höheren Verbrauchsmenge in bestimmten Bereichen der Produktion wird das jedoch kein einfaches Unterfangen. Einzelne Betriebshallen weniger zu beheizen wäre für viele eine Option. Allerdings sieht die Wirtschaftsweise Monika Schuster in kleineren, aber gezielten Einsparungen das größte Potenzial.

Der sogenannte Fuel Switch von Gas auf Öl oder andere Brennstoffe sowie Unterbrechungen der Produktion würden den Entlastungs- und Sparzielen bei Unternehmen oft eher gerecht.

Die Ökonomin Isabella Weber von der US-Universität Massachusetts Amherst hat dem „Handelsblatt“ ein anderes Modell vorgestellt. Die Wissenschaftlerin gilt als Erfinderin der Gaspreisbremse und ist auch Kommissionsmitglied.

Lösung für KMU muss anders aussehen als für Grundstoffindustrie

Amherst hält eine Preisdeckelung bei kleineren, wenig energieintensiven Unternehmen wie bei den Privathaushalten für ausreichend. Größere Verbraucher wie etwa die Grundstoffindustrie bedürften jedoch einer anderen Lösung.

Bei ihnen könnte die Regierung ein branchenmäßig abgestimmtes „gesamtwirtschaftlich sinnvolles Einsparziel“ festlegen – unter Berücksichtigung von Fuel-Switch-Optionen. Auch hier dürfte dieses in den meisten Sektoren bei unter 70 Prozent liegen, meint die Ökonomin.

Ökonomen von der Universität Bonn, die zum Teil ebenfalls in der Expertenkommission vertreten sind, regen demgegenüber ein Rabattmodell an, in dem eine Gutschrift im Voraus erfolgt. Diese richte sich nach der Kostensteigerung im Vergleich zum Vorjahr. Die Marktpreise selbst würden demgegenüber uneingeschränkt wirken. Allerdings könnte dies die Gaspreisbremse zusätzlich verkomplizieren und dem Auftrag der Kommission zuwiderlaufen. Diese solle die Preise insgesamt und direkt verändern.

Grimm: Gaspreise werden trotz Gaspreisbremse höher bleiben als vor Ukraine-Krieg

Diese Variante würde in etwa in die Richtung der Lösung gehen, die Veronika Grimm anregt, die der Kommission vorsteht. Sie warb für eine Gaspreisbremse in Form einer Einmalzahlung:

Wichtig wird sein, einen hohen Sparanreiz zu erhalten. Bei einer Einmalzahlung wäre das ganz klar der Fall.“

Eine solche wäre schneller umsetzbar und würde noch stärker dazu motivieren, weniger Gas zu verbrauchen. Grimm klagte zudem über den Zeitdruck, unter dem das Gremium jetzt stehe. „Die Entscheidung zur Einberufung eines solchen Gremiums hätte schon vor ein paar Monaten fallen können, die Entwicklung bei den Gaspreisen war schließlich absehbar“, sagte sie.

Gleichzeitig erklärte sie, dass eine dauerhafte Rückkehr der Preise auf das Vorkrisenniveau nicht stattfinden werde. Die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen falle vollständig weg. Der Gaspreis werde aufgrund der höheren Flüssiggas-Beschaffungspreise trotz einer Gaspreisbremse deutlich höher bleiben als vor dem Ukraine-Krieg.

(Mit Material der dpa)



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