Gesundheitsamtsleiter Dr. Pürner: „Ich werde weiter Kritik üben“ – „Inzidenzgrenzen werden willkürlich festgelegt“

Der Leiter des bayerischen Gesundheitsamts, Dr. Friedrich Pürner, muss seinen Posten in Aichbach-Friedberg räumen. Er wurde versetzt. Doch statt zu resignieren, will sich der Mediziner nach eigenen Angaben weiter für die Optimierung der Corona-Politik einsetzen. Auch in Zukunft werde er mit seiner Kritik nicht hinter dem Berg halten, erklärte Pürner gegenüber Epoch Times.
Von 5. November 2020

Nach heftiger Kritik an der bayerischen Corona-Politik wurde der Leiter des Gesundheitsamts Aichbach-Friedberg ins Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Oberschleißheim versetzt. In einem Interview beantwortete Dr. Friedrich Pürner Fragen rund um seine Versetzung und die aktuellen Corona-Maßnahmen.

 Epoch Times: Was bedeutet die Versetzung für Sie?

Dr. Friedrich Pürner: Da muss ich dann weiter zur Arbeit fahren und brauche wieder ein Auto. Als Beamter muss ich die Stelle antreten – egal, ob es mir passt oder nicht. Natürlich kann ich Widerspruch gegen die Versetzungsentscheidung einlegen, aber das hätte keine aufschiebende Wirkung.

Ob die neue Stelle auch eine Leitungsstelle sein wird, konnte mir bis aktuell noch niemand sagen.

Wie soll es weitergehen?

ET: Hat man Ihnen eine Abmahnung erteilt oder untersagt, sich in Zukunft kritisch zu äußern?

Dr. Pürner: Nein, es fand ja in der letzten Woche noch ein fachliches Gespräch statt. Darüber wurde Stillschweigen vereinbart beziehungsweise angeordnet und daran habe ich mich auch gehalten. Erst kurz vor der Pressemitteilung – gefühlt eine Stunde vorher – habe ich von der Versetzung telefonisch erfahren und dann ging gleich die Pressemitteilung raus.

ET: Wie soll es weiter gehen? Werden Sie bei gegebenem Anlass die Maßnahmen in der Corona-Politik weiterhin kritisieren?

Dr. Pürner: Natürlich. Aber das tue ich ja nicht, weil es mir Spaß macht. Kritik ist grundsätzlich nichts Negatives. Es gibt ja konstruktive Kritik. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass man manche Dinge vielleicht optimieren könnte, dass man sie besser machen könnte und dass man manche Sachen auch einfach mal hinterfragen muss. Das ist der eigentliche Punkt. Ich leugne ja nicht Corona und ich sage ja nicht, dass Corona völlig harmlos ist oder alle Maßnahmen ganz schrecklich sind.

In vielen Regelungen der bayerischen Staatsregierung kann ich mich tatsächlich auch wiederfinden – also, was wir schon lange vom Gesundheitsamt predigen: Abstandhalten, Händehygiene und so weiter. Das sind Dinge, die ja altbekannt sind bei uns.

Ich sage nur, dass die Inzidenzgrenzen willkürlich gelegt und vollkommen falsch sind, weil sie nur die positiv Getesteten betrifft.

Und man sieht es jetzt tatsächlich – und ich sage das immer ungern, dass ich Recht damit habe: In ganz Bayern und in großen Teilen von Deutschland werden diese Inzidenzgrenzen überschritten werden. Und dann sagen Sie mir bitte, wo die Konsequenz liegt oder was das bringen soll, außer diesem unverhältnismäßigen Lockdown, da er ja für viele gilt und viele Einrichtungen, beispielsweise die Gaststätten und die vielen Kulturbereiche, die ja bereits hervorragende Hygienekonzepte vorweisen können.

Schon vor vielen, vielen Wochen habe ich auf meinem Twitter-Account geschrieben, dass diese Inzidenzgrenzen uns strangulieren werden.

Positiver Test sagt nichts über Erkrankung aus

ET: Sie hatten sich auch dafür ausgesprochen, dass die PCR-Tests differenzierter gemeldet werden. Ist es richtig, dass nicht jeder positive PCR-Test automatisch eine COVID-19-Erkrankung bedeutet?

Dr. Pürner:Da liegen Sie richtig. Ein PCR-Test sagt eben nur, ob man ein kleines Genom von dem Virus, vom SARS-CoV-2, gefunden hat. Der Test sagt nichts darüber aus, ob Sie tatsächlich krank sind; und er sagt schon gar nichts darüber aus, ob Sie überhaupt infektiös sind.

Was ich also sagen kann, ist, und da wiederhole ich mich noch einmal: Ein positiver PCR-Test bedeutet noch lange nicht, dass man infektiös ist, und es bedeutet auch noch lange nicht, dass man krank ist. Und ich hätte gern, dass man darauf schaut, wer wirklich krank ist. Denn nur diese Personen sagen aus, wie schlimm die Lage wirklich ist. Und man muss natürlich auf die schauen, die vielleicht infektiös sind.

ET: Wir hatten eine große Umfrage in den Bundesländern gemacht, aus denen hervorging, dass die Ministerien gar nicht unterscheiden zwischen positiv getestet und krank. Der Ct-Wert, der über die Infektiösität Auskunft geben könnte, wurde dort nur selten berücksichtigt. Wie bewerten Sie die Maßnahmen, wenn ein positiver PCR-Test keine Aussage über die Infektiosität zulässt?

Dr. Pürner: Wir nehmen Leute in Quarantäne aufgrund eines positiven Testergebnisses. In jedem Fall nehmen wir diesen Personen und deren Kontaktpersonen für bestimmte Zeit die Freiheit weg. Und deshalb möchte ich schon ganz gern sicher sein, dass von diesen Menschen auch wirklich eine Gefahr ausgeht. Das kann man schlicht und ergreifend durch einen PCR-Nachweis nicht sagen, im Übrigen auch nicht nach den neuen Schnelltests. Da sind wir im Bereich der Annahme.

Symptome beachten

Ohne weitere Hinweise – nur weil ein positiver Test vorliegt – sagt das nichts. Wenn wir nicht beachten, ob jemand Symptome hat, kann ein positiver Test nur aussagen, ob jemand positiv ist oder nicht. Aber man kann nicht sagen, ob von ihm eine Gefahr ausgeht. Das sehe ich mit großer Sorge, wenn wir nur positiv Getestete und deren Kontaktpersonen alle in Quarantäne nehmen.

Und das ist genau der Punkt, den ich kritisiere, auch mit der ganzen Teststrategie. Es wird einfach nur getestet und dann bekommen die Gesundheitsämter Unmengen an positiven Ergebnissen. Wir kommen gar nicht mehr mit der Arbeit hinterher, weil an jedem positiv Getesteten auch Kontaktpersonen hängen – und auf die wirklich Kranken können wir uns gar nicht mehr konzentrieren, weil wir mit ganz anderen Dingen beschäftigt sind!

Weniger als ein Drittel bei uns im Landkreis sind wirklich krank. Und mit krank meine ich stärkere oder schwere Erkältungssymptome oder Fieber und mit einer folgenden Krankenhausaufnahme. Der Rest der Erkrankungen hingegen verläuft vollkommen mild.

ET: Gibt es etwas, das Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben wollen?

Dr. Pürner: Lernen Sie bitte wieder die Risiken richtig einzuschätzen, halten Sie sich an die schon von früher bekannten Hygieneregeln und wenn Sie krank sind, dann bleiben Sie bitte zu Hause. Versuchen Sie sich an das neue Virus zu gewöhnen, denn es wird uns erhalten bleiben. Denn ein normales Leben muss wieder möglich sein.

Epoch Times: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Susanne Ausic.



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